Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739.

Bild:
<< vorherige Seite

(o)
ihres Gewissens nicht zu bleiben wissen; wo-
von doch die Reise-Beschreibungen nichts
melden. Allein, so ist, zu allem Glücke
vor die armen Hottentotten, essen, was
einem schmeckt, und was man am bequem-
sten haben kan, eine Sache von so dringen-
der Nothwendigkeit, daß man nicht lange
Zeit hat, zu überlegen, ob sie recht oder
unrecht sey. Ein sich selbst gelassener Mensch
wird auch, wenn er ja eine solche Uberle-
gung anstellet, mit aller seiner Vernunft
nichts mehr herausbringen, als daß das
Recht einer jeden lebendigen Creatur auf
alles, was sie zu ihrer Nahrung und Erhal-
tung dienlich erachtet, sich so weit erstrecke,
als ihre Macht, und sich nicht die geringste
Sorge machen, daß ihn GOtt wegen des
Gebrauchs der Creaturen zur Verantwor-
tung ziehen werde. Denn was er sich auch
etwan von dem öbersten Wesen vor Begri-
fe machet, so wird er sich doch nimmer ein-
bilden können, daß dasselbe dem Menschen
die Sorge vor seine Erhaltung, seine na-
türlichen Begierden, und die Kräfte, die-
se Begierden zu vergnügen, umsonst ein-
gepflanzet und gegeben habe, und so eigen-
sinnig sey, daß es nicht leiden könne, daß
der Mensch thue, was er nicht lassen kan,

wofern

(o)
ihres Gewiſſens nicht zu bleiben wiſſen; wo-
von doch die Reiſe-Beſchreibungen nichts
melden. Allein, ſo iſt, zu allem Gluͤcke
vor die armen Hottentotten, eſſen, was
einem ſchmeckt, und was man am bequem-
ſten haben kan, eine Sache von ſo dringen-
der Nothwendigkeit, daß man nicht lange
Zeit hat, zu uͤberlegen, ob ſie recht oder
unrecht ſey. Ein ſich ſelbſt gelaſſener Menſch
wird auch, wenn er ja eine ſolche Uberle-
gung anſtellet, mit aller ſeiner Vernunft
nichts mehr herausbringen, als daß das
Recht einer jeden lebendigen Creatur auf
alles, was ſie zu ihrer Nahrung und Erhal-
tung dienlich erachtet, ſich ſo weit erſtrecke,
als ihre Macht, und ſich nicht die geringſte
Sorge machen, daß ihn GOtt wegen des
Gebrauchs der Creaturen zur Verantwor-
tung ziehen werde. Denn was er ſich auch
etwan von dem oͤberſten Weſen vor Begri-
fe machet, ſo wird er ſich doch nimmer ein-
bilden koͤnnen, daß daſſelbe dem Menſchen
die Sorge vor ſeine Erhaltung, ſeine na-
tuͤrlichen Begierden, und die Kraͤfte, die-
ſe Begierden zu vergnuͤgen, umſonſt ein-
gepflanzet und gegeben habe, und ſo eigen-
ſinnig ſey, daß es nicht leiden koͤnne, daß
der Menſch thue, was er nicht laſſen kan,

wofern
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0706" n="614"/><fw place="top" type="header">(<hi rendition="#aq">o</hi>)</fw><lb/>
ihres Gewi&#x017F;&#x017F;ens nicht zu bleiben wi&#x017F;&#x017F;en; wo-<lb/>
von doch die Rei&#x017F;e-Be&#x017F;chreibungen nichts<lb/>
melden. Allein, &#x017F;o i&#x017F;t, zu allem Glu&#x0364;cke<lb/>
vor die armen Hottentotten, e&#x017F;&#x017F;en, was<lb/>
einem &#x017F;chmeckt, und was man am bequem-<lb/>
&#x017F;ten haben kan, eine Sache von &#x017F;o dringen-<lb/>
der Nothwendigkeit, daß man nicht lange<lb/>
Zeit hat, zu u&#x0364;berlegen, ob &#x017F;ie recht oder<lb/>
unrecht &#x017F;ey. Ein &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t gela&#x017F;&#x017F;ener Men&#x017F;ch<lb/>
wird auch, wenn er ja eine &#x017F;olche Uberle-<lb/>
gung an&#x017F;tellet, mit aller &#x017F;einer Vernunft<lb/>
nichts mehr herausbringen, als daß das<lb/>
Recht einer jeden lebendigen Creatur auf<lb/>
alles, was &#x017F;ie zu ihrer Nahrung und Erhal-<lb/>
tung dienlich erachtet, &#x017F;ich &#x017F;o weit er&#x017F;trecke,<lb/>
als ihre Macht, und &#x017F;ich nicht die gering&#x017F;te<lb/>
Sorge machen, daß ihn GOtt wegen des<lb/>
Gebrauchs der Creaturen zur Verantwor-<lb/>
tung ziehen werde. Denn was er &#x017F;ich auch<lb/>
etwan von dem o&#x0364;ber&#x017F;ten We&#x017F;en vor Begri-<lb/>
fe machet, &#x017F;o wird er &#x017F;ich doch nimmer ein-<lb/>
bilden ko&#x0364;nnen, daß da&#x017F;&#x017F;elbe dem Men&#x017F;chen<lb/>
die Sorge vor &#x017F;eine Erhaltung, &#x017F;eine na-<lb/>
tu&#x0364;rlichen Begierden, und die Kra&#x0364;fte, die-<lb/>
&#x017F;e Begierden zu vergnu&#x0364;gen, um&#x017F;on&#x017F;t ein-<lb/>
gepflanzet und gegeben habe, und &#x017F;o eigen-<lb/>
&#x017F;innig &#x017F;ey, daß es nicht leiden ko&#x0364;nne, daß<lb/>
der Men&#x017F;ch thue, was er nicht la&#x017F;&#x017F;en kan,<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">wofern</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[614/0706] (o) ihres Gewiſſens nicht zu bleiben wiſſen; wo- von doch die Reiſe-Beſchreibungen nichts melden. Allein, ſo iſt, zu allem Gluͤcke vor die armen Hottentotten, eſſen, was einem ſchmeckt, und was man am bequem- ſten haben kan, eine Sache von ſo dringen- der Nothwendigkeit, daß man nicht lange Zeit hat, zu uͤberlegen, ob ſie recht oder unrecht ſey. Ein ſich ſelbſt gelaſſener Menſch wird auch, wenn er ja eine ſolche Uberle- gung anſtellet, mit aller ſeiner Vernunft nichts mehr herausbringen, als daß das Recht einer jeden lebendigen Creatur auf alles, was ſie zu ihrer Nahrung und Erhal- tung dienlich erachtet, ſich ſo weit erſtrecke, als ihre Macht, und ſich nicht die geringſte Sorge machen, daß ihn GOtt wegen des Gebrauchs der Creaturen zur Verantwor- tung ziehen werde. Denn was er ſich auch etwan von dem oͤberſten Weſen vor Begri- fe machet, ſo wird er ſich doch nimmer ein- bilden koͤnnen, daß daſſelbe dem Menſchen die Sorge vor ſeine Erhaltung, ſeine na- tuͤrlichen Begierden, und die Kraͤfte, die- ſe Begierden zu vergnuͤgen, umſonſt ein- gepflanzet und gegeben habe, und ſo eigen- ſinnig ſey, daß es nicht leiden koͤnne, daß der Menſch thue, was er nicht laſſen kan, wofern

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Die Verlagsangabe wurde ermittelt (vgl. http://op… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/706
Zitationshilfe: [Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739, S. 614. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/706>, abgerufen am 17.05.2024.