sey eine Uebereinstimmung des Mannigfaltigen. Dieses Mannigfaltige kan auf vielerley Art, und unzählige Mahl versetzet werden, und es bleibt doch allemahl eine gewisse Ubereinstimmung in demsel- ben übrig. Da nun das Mannigfaltige auf un- terschiedliche Art übereinstimmen kan; so stehet es bey einem jeden, was er vor eine Uebereinstimmung der andern vorziehen will, und keiner ist befugt, mich einer Unordnung zu beschuldigen, wenn ich et- wa das Mannigfaltige von einer andern Seite an- gesehen habe, als er. Soll dieses nicht wahr seyn; So müste in der Musick nur eine eintzige Melodey statt haben. Denn die Melodey ist nichts anders, als eine harmonirende Menge unterschiedener Töne. Hätte nun in dem Mannigfaltigen nur eine einzige Ubereinstimmung statt; So müste auch in der Mu- sick nur eine einzige Harmonie unterschiedener Töne die rechte seyn, und alle andere Mischungen dieser Töne übel klingen. Dieses ist lächerlich. Folglich kan ein jeder das Mannigfaltige, mit dem er zu thun hat, mengen, wie er will, und diejenige Uberein- stimmung desselben wehlen, die ihm die beste scheinet.
Es wäre viel, wenn bloß den elenden Scriben- ten dieses nicht frey stehen, und ein jeder Spötter berechtiget seyn solte, ihre Schriften vor unordent- lich zu schelten, wenn sie das Mannigfaltige, wor- aus sie bestehen, nicht nach seiner Phantasie ge- mischet haben. Die elenden Scribenten schreiben Bücher: Ein Buch ist eigentlich nichts, als eine Menge mit Buchstaben befchriebener Blätter. Wenn unter diesen Buchstaben eine Uebereinstim- mung ist, so ist das Buch, welches sie ausmachen,
ein
(o)
ſey eine Uebereinſtimmung des Mannigfaltigen. Dieſes Mannigfaltige kan auf vielerley Art, und unzaͤhlige Mahl verſetzet werden, und es bleibt doch allemahl eine gewiſſe Ubereinſtimmung in demſel- ben uͤbrig. Da nun das Mannigfaltige auf un- terſchiedliche Art uͤbereinſtimmen kan; ſo ſtehet es bey einem jeden, was er vor eine Uebereinſtimmung der andern vorziehen will, und keiner iſt befugt, mich einer Unordnung zu beſchuldigen, wenn ich et- wa das Mannigfaltige von einer andern Seite an- geſehen habe, als er. Soll dieſes nicht wahr ſeyn; So muͤſte in der Muſick nur eine eintzige Melodey ſtatt haben. Denn die Melodey iſt nichts anders, als eine harmonirende Menge unterſchiedener Toͤne. Haͤtte nun in dem Mannigfaltigen nur eine einzige Ubereinſtimmung ſtatt; So muͤſte auch in der Mu- ſick nur eine einzige Harmonie unterſchiedener Toͤne die rechte ſeyn, und alle andere Miſchungen dieſer Toͤne uͤbel klingen. Dieſes iſt laͤcherlich. Folglich kan ein jeder das Mannigfaltige, mit dem er zu thun hat, mengen, wie er will, und diejenige Uberein- ſtimmung deſſelben wehlen, die ihm die beſte ſcheinet.
Es waͤre viel, wenn bloß den elenden Scriben- ten dieſes nicht frey ſtehen, und ein jeder Spoͤtter berechtiget ſeyn ſolte, ihre Schriften vor unordent- lich zu ſchelten, wenn ſie das Mannigfaltige, wor- aus ſie beſtehen, nicht nach ſeiner Phantaſie ge- miſchet haben. Die elenden Scribenten ſchreiben Buͤcher: Ein Buch iſt eigentlich nichts, als eine Menge mit Buchſtaben befchriebener Blaͤtter. Wenn unter dieſen Buchſtaben eine Uebereinſtim- mung iſt, ſo iſt das Buch, welches ſie ausmachen,
ein
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0638"n="546"/><fwplace="top"type="header">(<hirendition="#aq">o</hi>)</fw><lb/>ſey eine Uebereinſtimmung des Mannigfaltigen.<lb/>
Dieſes Mannigfaltige kan auf vielerley Art, und<lb/>
unzaͤhlige Mahl verſetzet werden, und es bleibt doch<lb/>
allemahl eine gewiſſe Ubereinſtimmung in demſel-<lb/>
ben uͤbrig. Da nun das Mannigfaltige auf un-<lb/>
terſchiedliche Art uͤbereinſtimmen kan; ſo ſtehet es<lb/>
bey einem jeden, was er vor eine Uebereinſtimmung<lb/>
der andern vorziehen will, und keiner iſt befugt,<lb/>
mich einer Unordnung zu beſchuldigen, wenn ich et-<lb/>
wa das Mannigfaltige von einer andern Seite an-<lb/>
geſehen habe, als er. Soll dieſes nicht wahr ſeyn;<lb/>
So muͤſte in der Muſick nur eine eintzige Melodey<lb/>ſtatt haben. Denn die Melodey iſt nichts anders,<lb/>
als eine harmonirende Menge unterſchiedener Toͤne.<lb/>
Haͤtte nun in dem Mannigfaltigen nur eine einzige<lb/>
Ubereinſtimmung ſtatt; So muͤſte auch in der Mu-<lb/>ſick nur eine einzige Harmonie unterſchiedener Toͤne<lb/>
die rechte ſeyn, und alle andere Miſchungen dieſer<lb/>
Toͤne uͤbel klingen. Dieſes iſt laͤcherlich. Folglich<lb/>
kan ein jeder das Mannigfaltige, mit dem er zu thun<lb/>
hat, mengen, wie er will, und diejenige Uberein-<lb/>ſtimmung deſſelben wehlen, die ihm die beſte ſcheinet.</p><lb/><p>Es waͤre viel, wenn bloß den elenden Scriben-<lb/>
ten dieſes nicht frey ſtehen, und ein jeder Spoͤtter<lb/>
berechtiget ſeyn ſolte, ihre Schriften vor unordent-<lb/>
lich zu ſchelten, wenn ſie das Mannigfaltige, wor-<lb/>
aus ſie beſtehen, nicht nach ſeiner Phantaſie ge-<lb/>
miſchet haben. Die elenden Scribenten ſchreiben<lb/>
Buͤcher: Ein Buch iſt eigentlich nichts, als eine<lb/>
Menge mit Buchſtaben befchriebener Blaͤtter.<lb/>
Wenn unter dieſen Buchſtaben eine Uebereinſtim-<lb/>
mung iſt, ſo iſt das Buch, welches ſie ausmachen,<lb/><fwplace="bottom"type="catch">ein</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[546/0638]
(o)
ſey eine Uebereinſtimmung des Mannigfaltigen.
Dieſes Mannigfaltige kan auf vielerley Art, und
unzaͤhlige Mahl verſetzet werden, und es bleibt doch
allemahl eine gewiſſe Ubereinſtimmung in demſel-
ben uͤbrig. Da nun das Mannigfaltige auf un-
terſchiedliche Art uͤbereinſtimmen kan; ſo ſtehet es
bey einem jeden, was er vor eine Uebereinſtimmung
der andern vorziehen will, und keiner iſt befugt,
mich einer Unordnung zu beſchuldigen, wenn ich et-
wa das Mannigfaltige von einer andern Seite an-
geſehen habe, als er. Soll dieſes nicht wahr ſeyn;
So muͤſte in der Muſick nur eine eintzige Melodey
ſtatt haben. Denn die Melodey iſt nichts anders,
als eine harmonirende Menge unterſchiedener Toͤne.
Haͤtte nun in dem Mannigfaltigen nur eine einzige
Ubereinſtimmung ſtatt; So muͤſte auch in der Mu-
ſick nur eine einzige Harmonie unterſchiedener Toͤne
die rechte ſeyn, und alle andere Miſchungen dieſer
Toͤne uͤbel klingen. Dieſes iſt laͤcherlich. Folglich
kan ein jeder das Mannigfaltige, mit dem er zu thun
hat, mengen, wie er will, und diejenige Uberein-
ſtimmung deſſelben wehlen, die ihm die beſte ſcheinet.
Es waͤre viel, wenn bloß den elenden Scriben-
ten dieſes nicht frey ſtehen, und ein jeder Spoͤtter
berechtiget ſeyn ſolte, ihre Schriften vor unordent-
lich zu ſchelten, wenn ſie das Mannigfaltige, wor-
aus ſie beſtehen, nicht nach ſeiner Phantaſie ge-
miſchet haben. Die elenden Scribenten ſchreiben
Buͤcher: Ein Buch iſt eigentlich nichts, als eine
Menge mit Buchſtaben befchriebener Blaͤtter.
Wenn unter dieſen Buchſtaben eine Uebereinſtim-
mung iſt, ſo iſt das Buch, welches ſie ausmachen,
ein
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739, S. 546. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/638>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.