Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739.

Bild:
<< vorherige Seite

(o)
ein ordentliches Buch. Unter den Buchstaben ist
eine Uebereinstimmung, wenn sie nur so zusammen ge-
setzet sind, daß verständliche Worte herauskommen.
Diese Worte können nun in allen Sprachen wie-
der unzählige Mahl versetzet werden, ohne Nach-
theil der so nöthigen Uebereinstimmung des Man-
nigfaltigen; Und es stehet also in eines jeden Be-
lieben, wie er die Worte der Sprache, in welcher
er schreibt, untereinander mengen will. Da die-
ses nun in eines jeden Freyheit stehet, so handelt
derjenige unvernünftig, und tyrannisch, der sich die
Macht zueignet, einen Scribenten, wegen dieser
willkührlichen Vermengung der Worte, zur Ver-
antwortung zu ziehen: Wofern man nicht, wider
alle Vernunft behaupten will, es könne die nöthige
Uebereinstimmung des Mannigfaltigen nur durch
eine einzige Art aller möglichen Wort-Mischungen
erhalten werden, und folglich nur ein einziges or-
dentliches Buch in der Welt seyn.

Jch habe das Vertrauen zu unsern Feinden,
daß sie sich schämen werden, so entsetzlich zu schwär-
men. Aber mit was vor Fug können sie dann un-
sere Schriften vor unordentlich ausschreyen? Be-
stehen diese Schriften nicht aus verständlichen Wor-
ten? Jch solte es meinen: Denn sonst würden sie
doppelt unvernünftig handeln, wenn sie von der
Ordnung solcher Schriften urtheilen wolten, in
welchen sie kein Wort verstehen: Haben wir nicht
eben die Macht, die Worte nach unserm Gutdün-
cken zu mischen, die sie haben? Und hätten wir
also nicht auch das Recht, ihre Schriften vor un-
ordentlich zu halten, wenn die Vermischung der

Wor-
M m 2

(o)
ein ordentliches Buch. Unter den Buchſtaben iſt
eine Uebereinſtimmung, wenn ſie nur ſo zuſammen ge-
ſetzet ſind, daß verſtaͤndliche Worte herauskommen.
Dieſe Worte koͤnnen nun in allen Sprachen wie-
der unzaͤhlige Mahl verſetzet werden, ohne Nach-
theil der ſo noͤthigen Uebereinſtimmung des Man-
nigfaltigen; Und es ſtehet alſo in eines jeden Be-
lieben, wie er die Worte der Sprache, in welcher
er ſchreibt, untereinander mengen will. Da die-
ſes nun in eines jeden Freyheit ſtehet, ſo handelt
derjenige unvernuͤnftig, und tyranniſch, der ſich die
Macht zueignet, einen Scribenten, wegen dieſer
willkuͤhrlichen Vermengung der Worte, zur Ver-
antwortung zu ziehen: Wofern man nicht, wider
alle Vernunft behaupten will, es koͤnne die noͤthige
Uebereinſtimmung des Mannigfaltigen nur durch
eine einzige Art aller moͤglichen Wort-Miſchungen
erhalten werden, und folglich nur ein einziges or-
dentliches Buch in der Welt ſeyn.

Jch habe das Vertrauen zu unſern Feinden,
daß ſie ſich ſchaͤmen werden, ſo entſetzlich zu ſchwaͤr-
men. Aber mit was vor Fug koͤnnen ſie dann un-
ſere Schriften vor unordentlich ausſchreyen? Be-
ſtehen dieſe Schriften nicht aus verſtaͤndlichen Wor-
ten? Jch ſolte es meinen: Denn ſonſt wuͤrden ſie
doppelt unvernuͤnftig handeln, wenn ſie von der
Ordnung ſolcher Schriften urtheilen wolten, in
welchen ſie kein Wort verſtehen: Haben wir nicht
eben die Macht, die Worte nach unſerm Gutduͤn-
cken zu miſchen, die ſie haben? Und haͤtten wir
alſo nicht auch das Recht, ihre Schriften vor un-
ordentlich zu halten, wenn die Vermiſchung der

Wor-
M m 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0639" n="547"/><fw place="top" type="header">(<hi rendition="#aq">o</hi>)</fw><lb/>
ein ordentliches Buch. Unter den Buch&#x017F;taben i&#x017F;t<lb/>
eine Ueberein&#x017F;timmung, wenn &#x017F;ie nur &#x017F;o zu&#x017F;ammen ge-<lb/>
&#x017F;etzet &#x017F;ind, daß ver&#x017F;ta&#x0364;ndliche Worte herauskommen.<lb/>
Die&#x017F;e Worte ko&#x0364;nnen nun in allen Sprachen wie-<lb/>
der unza&#x0364;hlige Mahl ver&#x017F;etzet werden, ohne Nach-<lb/>
theil der &#x017F;o no&#x0364;thigen Ueberein&#x017F;timmung des Man-<lb/>
nigfaltigen; Und es &#x017F;tehet al&#x017F;o in eines jeden Be-<lb/>
lieben, wie er die Worte der Sprache, in welcher<lb/>
er &#x017F;chreibt, untereinander mengen will. Da die-<lb/>
&#x017F;es nun in eines jeden Freyheit &#x017F;tehet, &#x017F;o handelt<lb/>
derjenige unvernu&#x0364;nftig, und tyranni&#x017F;ch, der &#x017F;ich die<lb/>
Macht zueignet, einen Scribenten, wegen die&#x017F;er<lb/>
willku&#x0364;hrlichen Vermengung der Worte, zur Ver-<lb/>
antwortung zu ziehen: Wofern man nicht, wider<lb/>
alle Vernunft behaupten will, es ko&#x0364;nne die no&#x0364;thige<lb/>
Ueberein&#x017F;timmung des Mannigfaltigen nur durch<lb/>
eine einzige Art aller mo&#x0364;glichen Wort-Mi&#x017F;chungen<lb/>
erhalten werden, und folglich nur ein einziges or-<lb/>
dentliches Buch in der Welt &#x017F;eyn.</p><lb/>
          <p>Jch habe das Vertrauen zu un&#x017F;ern Feinden,<lb/>
daß &#x017F;ie &#x017F;ich &#x017F;cha&#x0364;men werden, &#x017F;o ent&#x017F;etzlich zu &#x017F;chwa&#x0364;r-<lb/>
men. Aber mit was vor Fug ko&#x0364;nnen &#x017F;ie dann un-<lb/>
&#x017F;ere Schriften vor unordentlich aus&#x017F;chreyen? Be-<lb/>
&#x017F;tehen die&#x017F;e Schriften nicht aus ver&#x017F;ta&#x0364;ndlichen Wor-<lb/>
ten? Jch &#x017F;olte es meinen: Denn &#x017F;on&#x017F;t wu&#x0364;rden &#x017F;ie<lb/>
doppelt unvernu&#x0364;nftig handeln, wenn &#x017F;ie von der<lb/>
Ordnung &#x017F;olcher Schriften urtheilen wolten, in<lb/>
welchen &#x017F;ie kein Wort ver&#x017F;tehen: Haben wir nicht<lb/>
eben die Macht, die Worte nach un&#x017F;erm Gutdu&#x0364;n-<lb/>
cken zu mi&#x017F;chen, die &#x017F;ie haben? Und ha&#x0364;tten wir<lb/>
al&#x017F;o nicht auch das Recht, ihre Schriften vor un-<lb/>
ordentlich zu halten, wenn die Vermi&#x017F;chung der<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">M m 2</fw><fw place="bottom" type="catch">Wor-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[547/0639] (o) ein ordentliches Buch. Unter den Buchſtaben iſt eine Uebereinſtimmung, wenn ſie nur ſo zuſammen ge- ſetzet ſind, daß verſtaͤndliche Worte herauskommen. Dieſe Worte koͤnnen nun in allen Sprachen wie- der unzaͤhlige Mahl verſetzet werden, ohne Nach- theil der ſo noͤthigen Uebereinſtimmung des Man- nigfaltigen; Und es ſtehet alſo in eines jeden Be- lieben, wie er die Worte der Sprache, in welcher er ſchreibt, untereinander mengen will. Da die- ſes nun in eines jeden Freyheit ſtehet, ſo handelt derjenige unvernuͤnftig, und tyranniſch, der ſich die Macht zueignet, einen Scribenten, wegen dieſer willkuͤhrlichen Vermengung der Worte, zur Ver- antwortung zu ziehen: Wofern man nicht, wider alle Vernunft behaupten will, es koͤnne die noͤthige Uebereinſtimmung des Mannigfaltigen nur durch eine einzige Art aller moͤglichen Wort-Miſchungen erhalten werden, und folglich nur ein einziges or- dentliches Buch in der Welt ſeyn. Jch habe das Vertrauen zu unſern Feinden, daß ſie ſich ſchaͤmen werden, ſo entſetzlich zu ſchwaͤr- men. Aber mit was vor Fug koͤnnen ſie dann un- ſere Schriften vor unordentlich ausſchreyen? Be- ſtehen dieſe Schriften nicht aus verſtaͤndlichen Wor- ten? Jch ſolte es meinen: Denn ſonſt wuͤrden ſie doppelt unvernuͤnftig handeln, wenn ſie von der Ordnung ſolcher Schriften urtheilen wolten, in welchen ſie kein Wort verſtehen: Haben wir nicht eben die Macht, die Worte nach unſerm Gutduͤn- cken zu miſchen, die ſie haben? Und haͤtten wir alſo nicht auch das Recht, ihre Schriften vor un- ordentlich zu halten, wenn die Vermiſchung der Wor- M m 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Die Verlagsangabe wurde ermittelt (vgl. http://op… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/639
Zitationshilfe: [Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739, S. 547. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/639>, abgerufen am 18.05.2024.