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[Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739.

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(o)
den sich ein, sie müsten die Sache, wovon sie schrei-
ben wollen, aus dem Grunde verstehen, und ver-
derben die edle Zeit mit der unnützen und lächerli-
chen Ueberlegung, ob sie auch der Materie, wel-
che sie abhandeln wollen, gewachsen sind, bloß
darum, weil ein alter Grillenfänger, der, aus vor-
setzlicher Boßheit, den Menschen das Schreiben
schwer machen wollen, gesaget hat:

"Sumite materiam vestris, qui scribitis,
aequam
"Viribus, & versate diu, quid ferre re-
cusent.
"Quid valeant humeri
. . . . . .
... (27).

Von allem diesem Ungemach sind wir frey. Wir
erkennen die Schädlichkeit der Vernunft, und
kehren uns also wenig an ihre Regeln. Unsere
Absicht ist, ein Buch zu schreiben. Diesen Zweck
erreichen wir, wenn wir so viel Papier, als dazu
nöthig ist, mit Buchstaben bemahlen. Ob der
Sinn, der aus diesen Buchstaben heraus kömmt,
wenn man sie zusammen setzet, vernünftig ist, oder
nicht, daran ist uns wenig gelegen. Wolten wir
alles nach der Vernunft abmessen, so müsten wir
dencken: Und das Dencken greift den Kopf an,
nimmt viel Zeit weg, und nützet doch, wenn man
die Wahrheit sagen soll, nichts. So oft unsere
Feinde unsere Schriften lesen, sprechen sie: Der
Mensch kan nicht dencken; Und dennoch können
sie unmöglich leugnen, daß dieser Mensch, der
nicht dencken kan, ein Buch geschrieben habe; weil

sie
(27) Horatius de Arte poetica.
Kk 2

(o)
den ſich ein, ſie muͤſten die Sache, wovon ſie ſchrei-
ben wollen, aus dem Grunde verſtehen, und ver-
derben die edle Zeit mit der unnuͤtzen und laͤcherli-
chen Ueberlegung, ob ſie auch der Materie, wel-
che ſie abhandeln wollen, gewachſen ſind, bloß
darum, weil ein alter Grillenfaͤnger, der, aus vor-
ſetzlicher Boßheit, den Menſchen das Schreiben
ſchwer machen wollen, geſaget hat:

Sumite materiam veſtris, qui ſcribitis,
æquam
“Viribus, & verſate diu, quid ferre re-
cuſent.
“Quid valeant humeri
. . . . . .
(27).

Von allem dieſem Ungemach ſind wir frey. Wir
erkennen die Schaͤdlichkeit der Vernunft, und
kehren uns alſo wenig an ihre Regeln. Unſere
Abſicht iſt, ein Buch zu ſchreiben. Dieſen Zweck
erreichen wir, wenn wir ſo viel Papier, als dazu
noͤthig iſt, mit Buchſtaben bemahlen. Ob der
Sinn, der aus dieſen Buchſtaben heraus koͤmmt,
wenn man ſie zuſammen ſetzet, vernuͤnftig iſt, oder
nicht, daran iſt uns wenig gelegen. Wolten wir
alles nach der Vernunft abmeſſen, ſo muͤſten wir
dencken: Und das Dencken greift den Kopf an,
nimmt viel Zeit weg, und nuͤtzet doch, wenn man
die Wahrheit ſagen ſoll, nichts. So oft unſere
Feinde unſere Schriften leſen, ſprechen ſie: Der
Menſch kan nicht dencken; Und dennoch koͤnnen
ſie unmoͤglich leugnen, daß dieſer Menſch, der
nicht dencken kan, ein Buch geſchrieben habe; weil

ſie
(27) Horatius de Arte poëtica.
Kk 2
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[515/0607] (o) den ſich ein, ſie muͤſten die Sache, wovon ſie ſchrei- ben wollen, aus dem Grunde verſtehen, und ver- derben die edle Zeit mit der unnuͤtzen und laͤcherli- chen Ueberlegung, ob ſie auch der Materie, wel- che ſie abhandeln wollen, gewachſen ſind, bloß darum, weil ein alter Grillenfaͤnger, der, aus vor- ſetzlicher Boßheit, den Menſchen das Schreiben ſchwer machen wollen, geſaget hat: “Sumite materiam veſtris, qui ſcribitis, æquam “Viribus, & verſate diu, quid ferre re- cuſent. “Quid valeant humeri . . . . . . … (27). Von allem dieſem Ungemach ſind wir frey. Wir erkennen die Schaͤdlichkeit der Vernunft, und kehren uns alſo wenig an ihre Regeln. Unſere Abſicht iſt, ein Buch zu ſchreiben. Dieſen Zweck erreichen wir, wenn wir ſo viel Papier, als dazu noͤthig iſt, mit Buchſtaben bemahlen. Ob der Sinn, der aus dieſen Buchſtaben heraus koͤmmt, wenn man ſie zuſammen ſetzet, vernuͤnftig iſt, oder nicht, daran iſt uns wenig gelegen. Wolten wir alles nach der Vernunft abmeſſen, ſo muͤſten wir dencken: Und das Dencken greift den Kopf an, nimmt viel Zeit weg, und nuͤtzet doch, wenn man die Wahrheit ſagen ſoll, nichts. So oft unſere Feinde unſere Schriften leſen, ſprechen ſie: Der Menſch kan nicht dencken; Und dennoch koͤnnen ſie unmoͤglich leugnen, daß dieſer Menſch, der nicht dencken kan, ein Buch geſchrieben habe; weil ſie (27) Horatius de Arte poëtica. Kk 2

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Zitationshilfe: [Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739, S. 515. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/607>, abgerufen am 22.11.2024.