Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739.

Bild:
<< vorherige Seite

(o)
seinem eigenen Seyn überführet ist: So ist es kein
Wunder, daß sie es auf eine lächerliche Art ausge-
führet haben, Sie begnügen sich, mir mit den aus-
erlesensten Schelt-Worten zu sagen, daß ich gelogen
habe. Jch bekenne, diese Art zu wiederlegen ist kurtz
und gemächlich: Aber ich glaube, ihr fehlt der Nach-
druck. Mein Ja muß allezeit zum wenigsten so viel
gelten, als ihr Nein; und es bleibt also, ihres Wi-
derspruchs ungeachtet, noch immer die Frage übrig,
ob sie Recht haben, oder ich?

Jch will diese Frage nicht entscheiden, weil ich par-
theyisch bin. Esmag bey meinen Lesern stehen, ob sie
lieber einem unbescholtenen Manne glauben wol-
len, der zeuget von dem, das er gesehen hat, und al-
lenfalls das, was er saget, nicht nur durch das Zeug-
niß einer gantzen Stadt; sondern auch durch einen
Auszug aus dem Kirchen-Buche, auf die allerbün-
digste Art, zu erweisen im Stande ist: Oder, einer
elenden Rotte unbekannter Personen, die zwar grob
genug widersprechen; aber nicht den geringsten
Grund ihres Widerspruchs geben können: Dabey
ihre Einfalt so mercklich verrathen, daß man Urfa-
che hat, zu zweifeln, ob sie die Sache, worüber sie
zu streiten angefangen haben gründlich verstehen,
und so viel Boßheit bezeigen, daß man mit Händen
greifen kan, daß nicht die Liebe zur Wahrheit; son-
dern ein blosser Frevel, und die boßhafte Absicht, ih-
rem Nächsten wehe zu thun, sie angetrieben hat, eine
Sache zu bestreiten, von deren Wahrheit sie selbst so
gut überführet sind, als jemand in der Welt.

Solche Leute müssen einen wunderlichen Begrif
von dem menschlichen Geschlecht haben, wofern sie

glauben,

(o)
ſeinem eigenen Seyn uͤberfuͤhret iſt: So iſt es kein
Wunder, daß ſie es auf eine laͤcherliche Art ausge-
fuͤhret haben, Sie begnuͤgen ſich, mir mit den aus-
erleſenſten Schelt-Worten zu ſagen, daß ich gelogen
habe. Jch bekenne, dieſe Art zu wiederlegen iſt kurtz
und gemaͤchlich: Aber ich glaube, ihr fehlt der Nach-
druck. Mein Ja muß allezeit zum wenigſten ſo viel
gelten, als ihr Nein; und es bleibt alſo, ihres Wi-
derſpruchs ungeachtet, noch immer die Frage uͤbrig,
ob ſie Recht haben, oder ich?

Jch will dieſe Frage nicht entſcheiden, weil ich par-
theyiſch bin. Esmag bey meinen Leſern ſtehen, ob ſie
lieber einem unbeſcholtenen Manne glauben wol-
len, der zeuget von dem, das er geſehen hat, und al-
lenfalls das, was er ſaget, nicht nur durch das Zeug-
niß einer gantzen Stadt; ſondern auch durch einen
Auszug aus dem Kirchen-Buche, auf die allerbuͤn-
digſte Art, zu erweiſen im Stande iſt: Oder, einer
elenden Rotte unbekannter Perſonen, die zwar grob
genug widerſprechen; aber nicht den geringſten
Grund ihres Widerſpruchs geben koͤnnen: Dabey
ihre Einfalt ſo mercklich verrathen, daß man Urfa-
che hat, zu zweifeln, ob ſie die Sache, woruͤber ſie
zu ſtreiten angefangen haben gruͤndlich verſtehen,
und ſo viel Boßheit bezeigen, daß man mit Haͤnden
greifen kan, daß nicht die Liebe zur Wahrheit; ſon-
dern ein bloſſer Frevel, und die boßhafte Abſicht, ih-
rem Naͤchſten wehe zu thun, ſie angetrieben hat, eine
Sache zu beſtreiten, von deren Wahrheit ſie ſelbſt ſo
gut uͤberfuͤhret ſind, als jemand in der Welt.

Solche Leute muͤſſen einen wunderlichen Begrif
von dem menſchlichen Geſchlecht haben, wofern ſie

glauben,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0551" n="459"/><fw place="top" type="header">(<hi rendition="#aq">o</hi>)</fw><lb/>
&#x017F;einem eigenen Seyn u&#x0364;berfu&#x0364;hret i&#x017F;t: So i&#x017F;t es kein<lb/>
Wunder, daß &#x017F;ie es auf eine la&#x0364;cherliche Art ausge-<lb/>
fu&#x0364;hret haben, Sie begnu&#x0364;gen &#x017F;ich, mir mit den aus-<lb/>
erle&#x017F;en&#x017F;ten Schelt-Worten zu &#x017F;agen, daß ich gelogen<lb/>
habe. Jch bekenne, die&#x017F;e Art zu wiederlegen i&#x017F;t kurtz<lb/>
und gema&#x0364;chlich: Aber ich glaube, ihr fehlt der Nach-<lb/>
druck. Mein Ja muß allezeit zum wenig&#x017F;ten &#x017F;o viel<lb/>
gelten, als ihr Nein; und es bleibt al&#x017F;o, ihres Wi-<lb/>
der&#x017F;pruchs ungeachtet, noch immer die Frage u&#x0364;brig,<lb/>
ob &#x017F;ie Recht haben, oder ich?</p><lb/>
        <p>Jch will die&#x017F;e Frage nicht ent&#x017F;cheiden, weil ich par-<lb/>
theyi&#x017F;ch bin. Esmag bey meinen Le&#x017F;ern &#x017F;tehen, ob &#x017F;ie<lb/>
lieber einem unbe&#x017F;choltenen Manne glauben wol-<lb/>
len, der zeuget von dem, das er ge&#x017F;ehen hat, und al-<lb/>
lenfalls das, was er &#x017F;aget, nicht nur durch das Zeug-<lb/>
niß einer gantzen Stadt; &#x017F;ondern auch durch einen<lb/>
Auszug aus dem Kirchen-Buche, auf die allerbu&#x0364;n-<lb/>
dig&#x017F;te Art, zu erwei&#x017F;en im Stande i&#x017F;t: Oder, einer<lb/>
elenden Rotte unbekannter Per&#x017F;onen, die zwar grob<lb/>
genug wider&#x017F;prechen; aber nicht den gering&#x017F;ten<lb/>
Grund ihres Wider&#x017F;pruchs geben ko&#x0364;nnen: Dabey<lb/>
ihre Einfalt &#x017F;o mercklich verrathen, daß man Urfa-<lb/>
che hat, zu zweifeln, ob &#x017F;ie die Sache, woru&#x0364;ber &#x017F;ie<lb/>
zu &#x017F;treiten angefangen haben gru&#x0364;ndlich ver&#x017F;tehen,<lb/>
und &#x017F;o viel Boßheit bezeigen, daß man mit Ha&#x0364;nden<lb/>
greifen kan, daß nicht die Liebe zur Wahrheit; &#x017F;on-<lb/>
dern ein blo&#x017F;&#x017F;er Frevel, und die boßhafte Ab&#x017F;icht, ih-<lb/>
rem Na&#x0364;ch&#x017F;ten wehe zu thun, &#x017F;ie angetrieben hat, eine<lb/>
Sache zu be&#x017F;treiten, von deren Wahrheit &#x017F;ie &#x017F;elb&#x017F;t &#x017F;o<lb/>
gut u&#x0364;berfu&#x0364;hret &#x017F;ind, als jemand in der Welt.</p><lb/>
        <p>Solche Leute mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en einen wunderlichen Begrif<lb/>
von dem men&#x017F;chlichen Ge&#x017F;chlecht haben, wofern &#x017F;ie<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">glauben,</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[459/0551] (o) ſeinem eigenen Seyn uͤberfuͤhret iſt: So iſt es kein Wunder, daß ſie es auf eine laͤcherliche Art ausge- fuͤhret haben, Sie begnuͤgen ſich, mir mit den aus- erleſenſten Schelt-Worten zu ſagen, daß ich gelogen habe. Jch bekenne, dieſe Art zu wiederlegen iſt kurtz und gemaͤchlich: Aber ich glaube, ihr fehlt der Nach- druck. Mein Ja muß allezeit zum wenigſten ſo viel gelten, als ihr Nein; und es bleibt alſo, ihres Wi- derſpruchs ungeachtet, noch immer die Frage uͤbrig, ob ſie Recht haben, oder ich? Jch will dieſe Frage nicht entſcheiden, weil ich par- theyiſch bin. Esmag bey meinen Leſern ſtehen, ob ſie lieber einem unbeſcholtenen Manne glauben wol- len, der zeuget von dem, das er geſehen hat, und al- lenfalls das, was er ſaget, nicht nur durch das Zeug- niß einer gantzen Stadt; ſondern auch durch einen Auszug aus dem Kirchen-Buche, auf die allerbuͤn- digſte Art, zu erweiſen im Stande iſt: Oder, einer elenden Rotte unbekannter Perſonen, die zwar grob genug widerſprechen; aber nicht den geringſten Grund ihres Widerſpruchs geben koͤnnen: Dabey ihre Einfalt ſo mercklich verrathen, daß man Urfa- che hat, zu zweifeln, ob ſie die Sache, woruͤber ſie zu ſtreiten angefangen haben gruͤndlich verſtehen, und ſo viel Boßheit bezeigen, daß man mit Haͤnden greifen kan, daß nicht die Liebe zur Wahrheit; ſon- dern ein bloſſer Frevel, und die boßhafte Abſicht, ih- rem Naͤchſten wehe zu thun, ſie angetrieben hat, eine Sache zu beſtreiten, von deren Wahrheit ſie ſelbſt ſo gut uͤberfuͤhret ſind, als jemand in der Welt. Solche Leute muͤſſen einen wunderlichen Begrif von dem menſchlichen Geſchlecht haben, wofern ſie glauben,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Die Verlagsangabe wurde ermittelt (vgl. http://op… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/551
Zitationshilfe: [Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739, S. 459. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/551>, abgerufen am 18.05.2024.