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[Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739.

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(o)
gen von unsern spätesten Nachkommen vor wahr ge-
halten werden.

Wie klüglich ist es demnach von dir gehandelt, gros-
ser Philippi, daß du die gemeine und plumpe Art,
den jüngsten Tag vorher zu verkündigen, verlassen, und
durch eine prophetische Zweydeutigkeit deine
Ehre in Sicherheit gesetzet hast. Das heisse ich nach
der Kunst weissagen. Wer wolte dich daher nicht be-
wundern, theurer Philippi? Wer muß nicht über die
Bescheidenheit erstaunen, mit welcher du die
wichtige Nachricht von der Zeit des jüngsten
Gerichts, die du unstreitig von guter Hand hast, vor-
bringest? Du sprichst nicht trotziglich: So spricht
der HErr.
Sondern du sagest mit einer Sittsam-
keit,
die man nicht leicht bey einem andern Prophe-
ten finden wird: Du wollest deine Meinung nie-
manden aufdringen.
Diese Bescheidenheit, grosser
Mann, muß nothwendig deine Weissagungen bey
edlen Gemüthern, die sich nicht leicht mit Gewalt
zu einer Meinung zwingen lassen, höchst beliebt ma-
chen, und kan dir auch, wenn allenfals die Erfüllung
deiner Prophezeihung nicht zur bestimmten Zeit erfol-
gen solte, eben so grosse Dienste thun, als die Zweydeu-
tigkeit, der du dich beflissen.

Es kan zwar wohl seyn, daß einige daher, daß du
deine Meinung nur vor höchst wahrscheinlich
ausgiebst, Anlaß nehmen zu glauben, du seyest kein
Prophet: Allein kluge Leute sehen wohl, daß dieses
übel geschlossen, und daß du ohne Ofenbahrung
die hohe Wahrscheinlichkeit deiner Meinung
nicht einsehen können; Weil es unmöglich ist, zu be-
greifen, wie ein sich selbst gelassener Mensch,

ohne

(o)
gen von unſern ſpaͤteſten Nachkommen vor wahr ge-
halten werden.

Wie kluͤglich iſt es demnach von dir gehandelt, groſ-
ſer Philippi, daß du die gemeine und plumpe Art,
den juͤngſten Tag vorher zu verkuͤndigen, verlaſſen, uñ
durch eine prophetiſche Zweydeutigkeit deine
Ehre in Sicherheit geſetzet haſt. Das heiſſe ich nach
der Kunſt weiſſagen. Wer wolte dich daher nicht be-
wundern, theurer Philippi? Wer muß nicht uͤber die
Beſcheidenheit erſtaunen, mit welcher du die
wichtige Nachricht von der Zeit des juͤngſten
Gerichts, die du unſtreitig von guter Hand haſt, vor-
bringeſt? Du ſprichſt nicht trotziglich: So ſpricht
der HErr.
Sondern du ſageſt mit einer Sittſam-
keit,
die man nicht leicht bey einem andern Prophe-
ten finden wird: Du wolleſt deine Meinung nie-
manden aufdringen.
Dieſe Beſcheidenheit, groſſeꝛ
Mann, muß nothwendig deine Weiſſagungen bey
edlen Gemuͤthern, die ſich nicht leicht mit Gewalt
zu einer Meinung zwingen laſſen, hoͤchſt beliebt ma-
chen, und kan dir auch, wenn allenfals die Erfuͤllung
deiner Prophezeihung nicht zur beſtimmten Zeit erfol-
gen ſolte, eben ſo groſſe Dienſte thun, als die Zweydeu-
tigkeit, der du dich befliſſen.

Es kan zwar wohl ſeyn, daß einige daher, daß du
deine Meinung nur vor hoͤchſt wahrſcheinlich
ausgiebſt, Anlaß nehmen zu glauben, du ſeyeſt kein
Prophet: Allein kluge Leute ſehen wohl, daß dieſes
uͤbel geſchloſſen, und daß du ohne Ofenbahrung
die hohe Wahrſcheinlichkeit deiner Meinung
nicht einſehen koͤnnen; Weil es unmoͤglich iſt, zu be-
greifen, wie ein ſich ſelbſt gelaſſener Menſch,

ohne
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[395/0487] (o) gen von unſern ſpaͤteſten Nachkommen vor wahr ge- halten werden. Wie kluͤglich iſt es demnach von dir gehandelt, groſ- ſer Philippi, daß du die gemeine und plumpe Art, den juͤngſten Tag vorher zu verkuͤndigen, verlaſſen, uñ durch eine prophetiſche Zweydeutigkeit deine Ehre in Sicherheit geſetzet haſt. Das heiſſe ich nach der Kunſt weiſſagen. Wer wolte dich daher nicht be- wundern, theurer Philippi? Wer muß nicht uͤber die Beſcheidenheit erſtaunen, mit welcher du die wichtige Nachricht von der Zeit des juͤngſten Gerichts, die du unſtreitig von guter Hand haſt, vor- bringeſt? Du ſprichſt nicht trotziglich: So ſpricht der HErr. Sondern du ſageſt mit einer Sittſam- keit, die man nicht leicht bey einem andern Prophe- ten finden wird: Du wolleſt deine Meinung nie- manden aufdringen. Dieſe Beſcheidenheit, groſſeꝛ Mann, muß nothwendig deine Weiſſagungen bey edlen Gemuͤthern, die ſich nicht leicht mit Gewalt zu einer Meinung zwingen laſſen, hoͤchſt beliebt ma- chen, und kan dir auch, wenn allenfals die Erfuͤllung deiner Prophezeihung nicht zur beſtimmten Zeit erfol- gen ſolte, eben ſo groſſe Dienſte thun, als die Zweydeu- tigkeit, der du dich befliſſen. Es kan zwar wohl ſeyn, daß einige daher, daß du deine Meinung nur vor hoͤchſt wahrſcheinlich ausgiebſt, Anlaß nehmen zu glauben, du ſeyeſt kein Prophet: Allein kluge Leute ſehen wohl, daß dieſes uͤbel geſchloſſen, und daß du ohne Ofenbahrung die hohe Wahrſcheinlichkeit deiner Meinung nicht einſehen koͤnnen; Weil es unmoͤglich iſt, zu be- greifen, wie ein ſich ſelbſt gelaſſener Menſch, ohne

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Zitationshilfe: [Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739, S. 395. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/487>, abgerufen am 22.11.2024.