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[Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739.

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(o)
gel vor-
werffen die
nicht Wil-
kührlich.
darüber zu spotten, so wird es noch vielmehr
vergönnet seyn, sich über noch geringere Feh-
ler lustig zu machen. Unsere wahre Ehre
kömmt auf die Beschafenheit unsers Willens
an. Kan ich nun, ohne ein Pasquillant und
Lästerer zu werden, meinen Mit-Bürger eines
verdorbenen Willens beschuldigen, und ihm
auf eine beissende Art gewisse Fehler vorrücken,
die zwar nicht strafbar sind, aber doch die Hoch-
achtung, die man sonst vor ihn gehabt hat, ver-
ringern, so kan ich um so viel weniger so böse Ti-
tel verdienen, wenn ich nur über solche Mängel
spotte, die eben darum, weil sie nicht willkühr-
lich sind, demjenigen, der damit behaftet ist,
nicht schimpflich seyn können.

Was die-
ses vor
Mängel
sind.

Jch rechne zu solchen Mängeln die Leibes-
Gebrechen, den Mangel zeitlicher Güter, die
Schwachheit des Verstandes und den Man-
gel der Wissenschaft. Jch weiß wohl, die
Vollkommenheit des Cörpers, der Reichthum,
ein scharffer und durchdringender Verstand,
und eine grosse Gelehrsamkeit sind Eigenschaf-
ten, die demjenigen, der damit begabet ist, oft
mehr Ansehen zu wege bringen, als die tugend-
hafteste Auführung: Aber es ist doch gewiß,
daß die wahre Ehre eines Menschen auf diese
Eigenschaften nicht beruhet. Es ist so aus-
gemacht, daß einer ohne dieselbe ein ehrlicher
Mann seyn kan, als es ofenbahr ist, daß oft
die ärgsten Bösewichter dieselbe besitzen. Es
giebt auch schöne, reiche, verschmitzte und ge-
lehrte Buben, die dem ungeachtet, doch nicht

werth

(o)
gel vor-
werffen die
nicht Wil-
kuͤhrlich.
daruͤber zu ſpotten, ſo wird es noch vielmehr
vergoͤnnet ſeyn, ſich uͤber noch geringere Feh-
ler luſtig zu machen. Unſere wahre Ehre
koͤmmt auf die Beſchafenheit unſers Willens
an. Kan ich nun, ohne ein Pasquillant und
Laͤſterer zu werden, meinen Mit-Buͤrger eines
verdorbenen Willens beſchuldigen, und ihm
auf eine beiſſende Art gewiſſe Fehler vorruͤcken,
die zwar nicht ſtrafbar ſind, aber doch die Hoch-
achtung, die man ſonſt vor ihn gehabt hat, ver-
ringern, ſo kan ich um ſo viel weniger ſo boͤſe Ti-
tel verdienen, wenn ich nur uͤber ſolche Maͤngel
ſpotte, die eben darum, weil ſie nicht willkuͤhr-
lich ſind, demjenigen, der damit behaftet iſt,
nicht ſchimpflich ſeyn koͤnnen.

Was die-
ſes vor
Maͤngel
ſind.

Jch rechne zu ſolchen Maͤngeln die Leibes-
Gebrechen, den Mangel zeitlicher Guͤter, die
Schwachheit des Verſtandes und den Man-
gel der Wiſſenſchaft. Jch weiß wohl, die
Vollkommenheit des Coͤrpers, der Reichthum,
ein ſcharffer und durchdringender Verſtand,
und eine groſſe Gelehrſamkeit ſind Eigenſchaf-
ten, die demjenigen, der damit begabet iſt, oft
mehr Anſehen zu wege bringen, als die tugend-
hafteſte Aufuͤhrung: Aber es iſt doch gewiß,
daß die wahre Ehre eines Menſchen auf dieſe
Eigenſchaften nicht beruhet. Es iſt ſo aus-
gemacht, daß einer ohne dieſelbe ein ehrlicher
Mann ſeyn kan, als es ofenbahr iſt, daß oft
die aͤrgſten Boͤſewichter dieſelbe beſitzen. Es
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lehrte Buben, die dem ungeachtet, doch nicht

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[252/0344] (o) daruͤber zu ſpotten, ſo wird es noch vielmehr vergoͤnnet ſeyn, ſich uͤber noch geringere Feh- ler luſtig zu machen. Unſere wahre Ehre koͤmmt auf die Beſchafenheit unſers Willens an. Kan ich nun, ohne ein Pasquillant und Laͤſterer zu werden, meinen Mit-Buͤrger eines verdorbenen Willens beſchuldigen, und ihm auf eine beiſſende Art gewiſſe Fehler vorruͤcken, die zwar nicht ſtrafbar ſind, aber doch die Hoch- achtung, die man ſonſt vor ihn gehabt hat, ver- ringern, ſo kan ich um ſo viel weniger ſo boͤſe Ti- tel verdienen, wenn ich nur uͤber ſolche Maͤngel ſpotte, die eben darum, weil ſie nicht willkuͤhr- lich ſind, demjenigen, der damit behaftet iſt, nicht ſchimpflich ſeyn koͤnnen. gel vor- werffen die nicht Wil- kuͤhrlich. Jch rechne zu ſolchen Maͤngeln die Leibes- Gebrechen, den Mangel zeitlicher Guͤter, die Schwachheit des Verſtandes und den Man- gel der Wiſſenſchaft. Jch weiß wohl, die Vollkommenheit des Coͤrpers, der Reichthum, ein ſcharffer und durchdringender Verſtand, und eine groſſe Gelehrſamkeit ſind Eigenſchaf- ten, die demjenigen, der damit begabet iſt, oft mehr Anſehen zu wege bringen, als die tugend- hafteſte Aufuͤhrung: Aber es iſt doch gewiß, daß die wahre Ehre eines Menſchen auf dieſe Eigenſchaften nicht beruhet. Es iſt ſo aus- gemacht, daß einer ohne dieſelbe ein ehrlicher Mann ſeyn kan, als es ofenbahr iſt, daß oft die aͤrgſten Boͤſewichter dieſelbe beſitzen. Es giebt auch ſchoͤne, reiche, verſchmitzte und ge- lehrte Buben, die dem ungeachtet, doch nicht werth

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Zitationshilfe: [Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739, S. 252. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/344>, abgerufen am 23.11.2024.