Herrn Prof. Philippi ein, ja mehrmahl, durchgelesen habe. Jch frage sie demnach auf ihr Gewissen, ob Sie jemahlen etwas gelesen, so mit denselben zu vergleichen ist? An ihren Augen, Meine Herren, sehe ich es Jhnen an, daß Sie mir diese Frage mit nein beantworten werden. Aber ich mögte doch fast wet- ten, daß Sie die verborgene Absicht des Herrn Phi- lippi nicht so tief einsehen, als erfordert wird, um recht zu erkennen, wie sehr unsere Gesellschaft diesem aus- serordentlichen Redner verpflichtet ist.
Sie wissen, Meine Herren, wie schwer es die alten Griechen und Römer gehalten haben, eine geschickte Rede zu verfertigen. Cicero zweiffelt, ob jemahls ein vollkommener Redner gewesen sey, oder seyn wer- de. Wir dürffen uns über dieses Verfahren der Griechen und Römer nicht wundern, wenn wir nur bedencken, daß sie die Redekunst der Vernunftleh- re auf eine schändliche Art unterworffen, und sich ein- gebildet haben, man müsse erst dencken lernen, ehe man sich zu reden unterstünde. Das Licht des Evan- gelii, welches die Finsterniß, in der die Heiden wan- delten, vertrieb, hat auch diesen so bösen und schäd- lichen Wahn verjaget. Die Heil. Kirchenväter, und ihre würdige Nachfolger haben sich ein Gewis- sen gemacht, den Weg der Gottlosen zu wandeln, sondern eine solche Art der Beredsamkeit durch ihre Beyspiele eingeführet, daß es einem Menschen, der nicht stumm ist, und nur Hertz genug hat, das heraus- zusagen, was ihm zu erst ins Maul kömmt, nim- mer fehlen kan, den Ruhm eines guten Redners da- von zu tragen. Jedermann hat sich bestrebet, die-
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Herrn Prof. Philippi ein, ja mehrmahl, durchgeleſen habe. Jch frage ſie demnach auf ihr Gewiſſen, ob Sie jemahlen etwas geleſen, ſo mit denſelben zu vergleichen iſt? An ihren Augen, Meine Herren, ſehe ich es Jhnen an, daß Sie mir dieſe Frage mit nein beantworten werden. Aber ich moͤgte doch faſt wet- ten, daß Sie die verborgene Abſicht des Herrn Phi- lippi nicht ſo tief einſehen, als erfordert wird, um recht zu erkennen, wie ſehr unſere Geſellſchaft dieſem auſ- ſerordentlichen Redner verpflichtet iſt.
Sie wiſſen, Meine Herren, wie ſchwer es die alten Griechen und Roͤmer gehalten haben, eine geſchickte Rede zu verfertigen. Cicero zweiffelt, ob jemahls ein vollkommener Redner geweſen ſey, oder ſeyn wer- de. Wir duͤrffen uns uͤber dieſes Verfahren der Griechen und Roͤmer nicht wundern, wenn wir nur bedencken, daß ſie die Redekunſt der Vernunftleh- re auf eine ſchaͤndliche Art unterworffen, und ſich ein- gebildet haben, man muͤſſe erſt dencken lernen, ehe man ſich zu reden unterſtuͤnde. Das Licht des Evan- gelii, welches die Finſterniß, in der die Heiden wan- delten, vertrieb, hat auch dieſen ſo boͤſen und ſchaͤd- lichen Wahn verjaget. Die Heil. Kirchenvaͤter, und ihre wuͤrdige Nachfolger haben ſich ein Gewiſ- ſen gemacht, den Weg der Gottloſen zu wandeln, ſondern eine ſolche Art der Beredſamkeit durch ihre Beyſpiele eingefuͤhret, daß es einem Menſchen, der nicht ſtumm iſt, und nur Hertz genug hat, das heraus- zuſagen, was ihm zu erſt ins Maul koͤmmt, nim- mer fehlen kan, den Ruhm eines guten Redners da- von zu tragen. Jedermann hat ſich beſtrebet, die-
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Herrn Prof. Philippi ein, ja mehrmahl, durchgeleſen
habe. Jch frage ſie demnach auf ihr Gewiſſen, ob
Sie jemahlen etwas geleſen, ſo mit denſelben zu
vergleichen iſt? An ihren Augen, Meine Herren, ſehe
ich es Jhnen an, daß Sie mir dieſe Frage mit nein
beantworten werden. Aber ich moͤgte doch faſt wet-
ten, daß Sie die verborgene Abſicht des Herrn Phi-
lippi nicht ſo tief einſehen, als erfordert wird, um recht
zu erkennen, wie ſehr unſere Geſellſchaft dieſem auſ-
ſerordentlichen Redner verpflichtet iſt.
Sie wiſſen, Meine Herren, wie ſchwer es die alten
Griechen und Roͤmer gehalten haben, eine geſchickte
Rede zu verfertigen. Cicero zweiffelt, ob jemahls
ein vollkommener Redner geweſen ſey, oder ſeyn wer-
de. Wir duͤrffen uns uͤber dieſes Verfahren der
Griechen und Roͤmer nicht wundern, wenn wir nur
bedencken, daß ſie die Redekunſt der Vernunftleh-
re auf eine ſchaͤndliche Art unterworffen, und ſich ein-
gebildet haben, man muͤſſe erſt dencken lernen, ehe
man ſich zu reden unterſtuͤnde. Das Licht des Evan-
gelii, welches die Finſterniß, in der die Heiden wan-
delten, vertrieb, hat auch dieſen ſo boͤſen und ſchaͤd-
lichen Wahn verjaget. Die Heil. Kirchenvaͤter,
und ihre wuͤrdige Nachfolger haben ſich ein Gewiſ-
ſen gemacht, den Weg der Gottloſen zu wandeln,
ſondern eine ſolche Art der Beredſamkeit durch ihre
Beyſpiele eingefuͤhret, daß es einem Menſchen, der
nicht ſtumm iſt, und nur Hertz genug hat, das heraus-
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[Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739, S. 150. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/242>, abgerufen am 21.11.2024.
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