Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739.

Bild:
<< vorherige Seite

(o)
sem Exempel so ehrwürdiger Personen zu folgen, und
die Welt ist von einer entsetzlichen Menge grosser
Redner überschwemmet worden. Es hat zwar im-
mer einige eckele und naseweise Gemüther gegeben,
die da mit der gemeinen Beredsamkeit nicht zu frieden
gewesen sind, und es vor besser gehalten haben, wenn
man sich nach dem Geschmack der Griechen und Rö-
mer richtete: Aber es sind ihrer allzeit so wenige gewe-
sen, daß sie gegen die grosse Menge ihrer Gegner
nicht aufkommen können. Dieses schreckt diese
verwegene nicht ab: Und viele von Jhnen, deren
Namen ich nicht einmal nennen mag, haben sich un-
terstanden, ihre Grillen in Regeln zu bringen, und
aller Welt die Nachahmung der Alten, als den
eintzigen Weg zur wahren Beredsamkeit, anzu-
rathen.

Jch irre sehr, oder der Herr Prof. Philippi hat
zu keinem andern Ende seine sechs deutschen Reden
herausgegeben, als dem Unheil, das solche Schrif-
ten anrichten können, vorzubeugen. Man hat Ur-
sache zu hoffen, daß er seinen Zweck erreichen werde.
Denn da diese naseweise Herren durch ihre Regeln
allen Lehrbegierigen eine Last auflegen, die auch
unsere Väter nicht zu tragen vermogt, und von ei-
nem Redner so viel Vernunft, Scharfsinnigkeit
und Wissenschaft erfordern, daß viele gute Gemüh-
ter, denen es sonst weder an Worten, noch Drei-
stigkeit, fehlet, nothwendig in Verzweiflung gerah-
ten müssen; auch über dem sich nicht schämen, bey
so hellem Lichte des Evangelii, die blinden Heiden

als
K 4

(o)
ſem Exempel ſo ehrwuͤrdiger Perſonen zu folgen, und
die Welt iſt von einer entſetzlichen Menge groſſer
Redner uͤberſchwemmet worden. Es hat zwar im-
mer einige eckele und naſeweiſe Gemuͤther gegeben,
die da mit der gemeinen Beredſamkeit nicht zu frieden
geweſen ſind, und es vor beſſer gehalten haben, wenn
man ſich nach dem Geſchmack der Griechen und Roͤ-
mer richtete: Aber es ſind ihrer allzeit ſo wenige gewe-
ſen, daß ſie gegen die groſſe Menge ihrer Gegner
nicht aufkommen koͤnnen. Dieſes ſchreckt dieſe
verwegene nicht ab: Und viele von Jhnen, deren
Namen ich nicht einmal nennen mag, haben ſich un-
terſtanden, ihre Grillen in Regeln zu bringen, und
aller Welt die Nachahmung der Alten, als den
eintzigen Weg zur wahren Beredſamkeit, anzu-
rathen.

Jch irre ſehr, oder der Herr Prof. Philippi hat
zu keinem andern Ende ſeine ſechs deutſchen Reden
herausgegeben, als dem Unheil, das ſolche Schrif-
ten anrichten koͤnnen, vorzubeugen. Man hat Ur-
ſache zu hoffen, daß er ſeinen Zweck erreichen werde.
Denn da dieſe naſeweiſe Herren durch ihre Regeln
allen Lehrbegierigen eine Laſt auflegen, die auch
unſere Vaͤter nicht zu tragen vermogt, und von ei-
nem Redner ſo viel Vernunft, Scharfſinnigkeit
und Wiſſenſchaft erfordern, daß viele gute Gemuͤh-
ter, denen es ſonſt weder an Worten, noch Drei-
ſtigkeit, fehlet, nothwendig in Verzweiflung gerah-
ten muͤſſen; auch uͤber dem ſich nicht ſchaͤmen, bey
ſo hellem Lichte des Evangelii, die blinden Heiden

als
K 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0243" n="151"/><fw place="top" type="header">(<hi rendition="#aq">o</hi>)</fw><lb/>
&#x017F;em Exempel &#x017F;o ehrwu&#x0364;rdiger Per&#x017F;onen zu folgen, und<lb/>
die Welt i&#x017F;t von einer ent&#x017F;etzlichen Menge gro&#x017F;&#x017F;er<lb/>
Redner u&#x0364;ber&#x017F;chwemmet worden. Es hat zwar im-<lb/>
mer einige eckele und na&#x017F;ewei&#x017F;e Gemu&#x0364;ther gegeben,<lb/>
die da mit der gemeinen Bered&#x017F;amkeit nicht zu frieden<lb/>
gewe&#x017F;en &#x017F;ind, und es vor be&#x017F;&#x017F;er gehalten haben, wenn<lb/>
man &#x017F;ich nach dem Ge&#x017F;chmack der Griechen und Ro&#x0364;-<lb/>
mer richtete: Aber es &#x017F;ind ihrer allzeit &#x017F;o wenige gewe-<lb/>
&#x017F;en, daß &#x017F;ie gegen die gro&#x017F;&#x017F;e Menge ihrer Gegner<lb/>
nicht aufkommen ko&#x0364;nnen. Die&#x017F;es &#x017F;chreckt die&#x017F;e<lb/>
verwegene nicht ab: Und viele von Jhnen, deren<lb/>
Namen ich nicht einmal nennen mag, haben &#x017F;ich un-<lb/>
ter&#x017F;tanden, ihre Grillen in Regeln zu bringen, und<lb/>
aller Welt die Nachahmung der Alten, als den<lb/>
eintzigen Weg zur wahren Bered&#x017F;amkeit, anzu-<lb/>
rathen.</p><lb/>
            <p>Jch irre &#x017F;ehr, oder der Herr Prof. Philippi hat<lb/>
zu keinem andern Ende &#x017F;eine &#x017F;echs deut&#x017F;chen Reden<lb/>
herausgegeben, als dem Unheil, das &#x017F;olche Schrif-<lb/>
ten anrichten ko&#x0364;nnen, vorzubeugen. Man hat Ur-<lb/>
&#x017F;ache zu hoffen, daß er &#x017F;einen Zweck erreichen werde.<lb/>
Denn da die&#x017F;e na&#x017F;ewei&#x017F;e Herren durch ihre Regeln<lb/>
allen Lehrbegierigen eine La&#x017F;t auflegen, die auch<lb/>
un&#x017F;ere Va&#x0364;ter nicht zu tragen vermogt, und von ei-<lb/>
nem Redner &#x017F;o viel Vernunft, Scharf&#x017F;innigkeit<lb/>
und Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft erfordern, daß viele gute Gemu&#x0364;h-<lb/>
ter, denen es &#x017F;on&#x017F;t weder an Worten, noch Drei-<lb/>
&#x017F;tigkeit, fehlet, nothwendig in Verzweiflung gerah-<lb/>
ten mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en; auch u&#x0364;ber dem &#x017F;ich nicht &#x017F;cha&#x0364;men, bey<lb/>
&#x017F;o hellem Lichte des Evangelii, die blinden Heiden<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">K 4</fw><fw place="bottom" type="catch">als</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[151/0243] (o) ſem Exempel ſo ehrwuͤrdiger Perſonen zu folgen, und die Welt iſt von einer entſetzlichen Menge groſſer Redner uͤberſchwemmet worden. Es hat zwar im- mer einige eckele und naſeweiſe Gemuͤther gegeben, die da mit der gemeinen Beredſamkeit nicht zu frieden geweſen ſind, und es vor beſſer gehalten haben, wenn man ſich nach dem Geſchmack der Griechen und Roͤ- mer richtete: Aber es ſind ihrer allzeit ſo wenige gewe- ſen, daß ſie gegen die groſſe Menge ihrer Gegner nicht aufkommen koͤnnen. Dieſes ſchreckt dieſe verwegene nicht ab: Und viele von Jhnen, deren Namen ich nicht einmal nennen mag, haben ſich un- terſtanden, ihre Grillen in Regeln zu bringen, und aller Welt die Nachahmung der Alten, als den eintzigen Weg zur wahren Beredſamkeit, anzu- rathen. Jch irre ſehr, oder der Herr Prof. Philippi hat zu keinem andern Ende ſeine ſechs deutſchen Reden herausgegeben, als dem Unheil, das ſolche Schrif- ten anrichten koͤnnen, vorzubeugen. Man hat Ur- ſache zu hoffen, daß er ſeinen Zweck erreichen werde. Denn da dieſe naſeweiſe Herren durch ihre Regeln allen Lehrbegierigen eine Laſt auflegen, die auch unſere Vaͤter nicht zu tragen vermogt, und von ei- nem Redner ſo viel Vernunft, Scharfſinnigkeit und Wiſſenſchaft erfordern, daß viele gute Gemuͤh- ter, denen es ſonſt weder an Worten, noch Drei- ſtigkeit, fehlet, nothwendig in Verzweiflung gerah- ten muͤſſen; auch uͤber dem ſich nicht ſchaͤmen, bey ſo hellem Lichte des Evangelii, die blinden Heiden als K 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Die Verlagsangabe wurde ermittelt (vgl. http://op… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/243
Zitationshilfe: [Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739, S. 151. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/243>, abgerufen am 29.03.2024.