musicalische Stein, den der Hr. Mag. Sievers gefunden hatte, gab mir vor- nehmlich Anlaß dazu. Man machte viel Wercks aus diesem Stein, auf welchem man sich musicalische Noten zu entdecken einbildete. Das Gerücht desselben er- schallete weit und breit; ja man hat gar gesaget, der verstorbene König von Poh- len habe ihn nach Dreßden in die Kunst- Kammer verlanget. Er soll auch, nach- dem ihn der Hr. Mag. Sievers vorher, in perpetuam rei memoriam, abmah- len lassen, würcklich dahin geschicket seyn. Jch habe diesen Stein nicht gesehen: A- ber, nach dem Kupfer zu urtheilen, so muß man just eines Cantors Sohn seyn, um Noten darauf zu sehen.
Jndessen war ich nicht gesonnen, ein solches Schreiben an einen Samojeden, als ich versprochen hatte, würcklich zu ver- fertigen. Jch hätte es bey dem Titel be- wenden lassen, wenn man mir nicht in einer Gesellschaft gesaget hätte, die Erfül- lung meines Versprechens sey schlechter- dings unmöglich. Jch hielte mich Ehren halber verbunden, das Gegentheil zu be- haupten, und fieng von der Zeit an, an, auf meine Fenster-Scheibe zu sinnen. Es
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muſicaliſche Stein, den der Hr. Mag. Sievers gefunden hatte, gab mir vor- nehmlich Anlaß dazu. Man machte viel Wercks aus dieſem Stein, auf welchem man ſich muſicaliſche Noten zu entdecken einbildete. Das Geruͤcht deſſelben er- ſchallete weit und breit; ja man hat gar geſaget, der verſtorbene Koͤnig von Poh- len habe ihn nach Dreßden in die Kunſt- Kammer verlanget. Er ſoll auch, nach- dem ihn der Hr. Mag. Sievers vorher, in perpetuam rei memoriam, abmah- len laſſen, wuͤrcklich dahin geſchicket ſeyn. Jch habe dieſen Stein nicht geſehen: A- ber, nach dem Kupfer zu urtheilen, ſo muß man juſt eines Cantors Sohn ſeyn, um Noten darauf zu ſehen.
Jndeſſen war ich nicht geſonnen, ein ſolches Schreiben an einen Samojeden, als ich verſprochen hatte, wuͤrcklich zu ver- fertigen. Jch haͤtte es bey dem Titel be- wenden laſſen, wenn man mir nicht in einer Geſellſchaft geſaget haͤtte, die Erfuͤl- lung meines Verſprechens ſey ſchlechter- dings unmoͤglich. Jch hielte mich Ehren halber verbunden, das Gegentheil zu be- haupten, und fieng von der Zeit an, an, auf meine Fenſter-Scheibe zu ſinnen. Es
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(o)
muſicaliſche Stein, den der Hr. Mag.
Sievers gefunden hatte, gab mir vor-
nehmlich Anlaß dazu. Man machte viel
Wercks aus dieſem Stein, auf welchem
man ſich muſicaliſche Noten zu entdecken
einbildete. Das Geruͤcht deſſelben er-
ſchallete weit und breit; ja man hat gar
geſaget, der verſtorbene Koͤnig von Poh-
len habe ihn nach Dreßden in die Kunſt-
Kammer verlanget. Er ſoll auch, nach-
dem ihn der Hr. Mag. Sievers vorher,
in perpetuam rei memoriam, abmah-
len laſſen, wuͤrcklich dahin geſchicket ſeyn.
Jch habe dieſen Stein nicht geſehen: A-
ber, nach dem Kupfer zu urtheilen, ſo muß
man juſt eines Cantors Sohn ſeyn, um
Noten darauf zu ſehen.
Jndeſſen war ich nicht geſonnen, ein
ſolches Schreiben an einen Samojeden,
als ich verſprochen hatte, wuͤrcklich zu ver-
fertigen. Jch haͤtte es bey dem Titel be-
wenden laſſen, wenn man mir nicht in
einer Geſellſchaft geſaget haͤtte, die Erfuͤl-
lung meines Verſprechens ſey ſchlechter-
dings unmoͤglich. Jch hielte mich Ehren
halber verbunden, das Gegentheil zu be-
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[Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739, S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/17>, abgerufen am 21.11.2024.
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