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[Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739.

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(o)
Schwäche eines Beweises zu urtheilen, nothwendig
vor bündig und unumstößlich erkennen muß.

Unsere Gedancken sind Bilder der Dinge, so ausser
uns sind: Die Worte, die wir sprechen, sind Bilder
unserer Gedancken. Sprechen ist nichts anders, als
den Athem auf eine gewisse Art von sich lassen. Der
Athem bestehet in gewissen Ausdünstungen. Folg-
lich sind die Worte, die wir sprechen, nichts als Aus-
dünstungen unsers Cörpers. Da nun aber die Wor-
te Bilder unserer Gedancken, und die Gedancken Bil-
der der Dinge, die ausser uns sind; so sind auch die
Ausdünstungen unsers Mundes, wann wir sprechen,
Bilder der Dinge, die ausser uns sind. Wann nun
diese Ausdünstungen, durch die Kälte zusammrn ge-
drücket, sichtbar werden; so werden auch die Gedan-
cken, deren Bildniß diese Ausdünstungen vorstellen,
sichtbar. Werden die Gedancken sichtbar; so müssen
wir auch noth wendig die Bilder der Dinge, die aus-
ser uns sind, und von welchen wir reden, in diesen sicht-
bar gewordenen Ausdünstungen erblicken. Q. E. D.

Nach dieser tieffinnigen Betrachtung war mir al-
les auf meiner Fenster-Scheibe klar und deutlich.
Jch erinnerte mich der geführten Reden, und war al-
so im Stande, fast von einer jeden Figur meiner ge-
frornen Fenster-Scheibe eine gründliche Ursache zu
geben.

Wir hatten von der Mathematic, Astronomie,
Chymie, und Mythologie, von der hebräischen, ara-
bischen, chinesischen und malabarischen Sprache,
vom Festungs-Bau, von Cometen, von Donner und
Blitz, und, ich weiß nicht, von wie viel andern Dingen
geredet. Der D. Bromley, der in den Figuren

meiner

(o)
Schwaͤche eines Beweiſes zu urtheilen, nothwendig
vor buͤndig und unumſtoͤßlich erkennen muß.

Unſere Gedancken ſind Bilder der Dinge, ſo auſſer
uns ſind: Die Worte, die wir ſprechen, ſind Bilder
unſerer Gedancken. Sprechen iſt nichts anders, als
den Athem auf eine gewiſſe Art von ſich laſſen. Der
Athem beſtehet in gewiſſen Ausduͤnſtungen. Folg-
lich ſind die Worte, die wir ſprechen, nichts als Aus-
duͤnſtungen unſers Coͤrpers. Da nun aber die Wor-
te Bilder unſerer Gedancken, und die Gedancken Bil-
der der Dinge, die auſſer uns ſind; ſo ſind auch die
Ausduͤnſtungen unſers Mundes, wann wir ſprechen,
Bilder der Dinge, die auſſer uns ſind. Wann nun
dieſe Ausduͤnſtungen, durch die Kaͤlte zuſammrn ge-
druͤcket, ſichtbar werden; ſo werden auch die Gedan-
cken, deren Bildniß dieſe Ausduͤnſtungen vorſtellen,
ſichtbar. Werden die Gedancken ſichtbar; ſo muͤſſen
wir auch noth wendig die Bilder der Dinge, die auſ-
ſer uns ſind, und von welchen wir reden, in dieſen ſicht-
bar gewordenen Ausduͤnſtungen erblicken. Q. E. D.

Nach dieſer tieffinnigen Betrachtung war mir al-
les auf meiner Fenſter-Scheibe klar und deutlich.
Jch erinnerte mich der gefuͤhrten Reden, und war al-
ſo im Stande, faſt von einer jeden Figur meiner ge-
frornen Fenſter-Scheibe eine gruͤndliche Urſache zu
geben.

Wir hatten von der Mathematic, Aſtronomie,
Chymie, und Mythologie, von der hebraͤiſchen, ara-
biſchen, chineſiſchen und malabariſchen Sprache,
vom Feſtungs-Bau, von Cometen, von Donner und
Blitz, und, ich weiß nicht, von wie viel andern Dingen
geredet. Der D. Bromley, der in den Figuren

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[68/0160] (o) Schwaͤche eines Beweiſes zu urtheilen, nothwendig vor buͤndig und unumſtoͤßlich erkennen muß. Unſere Gedancken ſind Bilder der Dinge, ſo auſſer uns ſind: Die Worte, die wir ſprechen, ſind Bilder unſerer Gedancken. Sprechen iſt nichts anders, als den Athem auf eine gewiſſe Art von ſich laſſen. Der Athem beſtehet in gewiſſen Ausduͤnſtungen. Folg- lich ſind die Worte, die wir ſprechen, nichts als Aus- duͤnſtungen unſers Coͤrpers. Da nun aber die Wor- te Bilder unſerer Gedancken, und die Gedancken Bil- der der Dinge, die auſſer uns ſind; ſo ſind auch die Ausduͤnſtungen unſers Mundes, wann wir ſprechen, Bilder der Dinge, die auſſer uns ſind. Wann nun dieſe Ausduͤnſtungen, durch die Kaͤlte zuſammrn ge- druͤcket, ſichtbar werden; ſo werden auch die Gedan- cken, deren Bildniß dieſe Ausduͤnſtungen vorſtellen, ſichtbar. Werden die Gedancken ſichtbar; ſo muͤſſen wir auch noth wendig die Bilder der Dinge, die auſ- ſer uns ſind, und von welchen wir reden, in dieſen ſicht- bar gewordenen Ausduͤnſtungen erblicken. Q. E. D. Nach dieſer tieffinnigen Betrachtung war mir al- les auf meiner Fenſter-Scheibe klar und deutlich. Jch erinnerte mich der gefuͤhrten Reden, und war al- ſo im Stande, faſt von einer jeden Figur meiner ge- frornen Fenſter-Scheibe eine gruͤndliche Urſache zu geben. Wir hatten von der Mathematic, Aſtronomie, Chymie, und Mythologie, von der hebraͤiſchen, ara- biſchen, chineſiſchen und malabariſchen Sprache, vom Feſtungs-Bau, von Cometen, von Donner und Blitz, und, ich weiß nicht, von wie viel andern Dingen geredet. Der D. Bromley, der in den Figuren meiner

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Zitationshilfe: [Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739, S. 68. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/160>, abgerufen am 28.03.2024.