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Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Agricultur und Physiologie. Braunschweig, 1840.

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Der Ursprung und die Assimilation des Stickstoffs.

Das Thränenwasser der Weinrebe hinterläßt, mit einigen
Tropfen Salzsäure abgedampft, eine farblose gummiähnliche
zerfließliche Masse, welche durch Zusatz von Kalk reichlich Am-
moniak entwickelt.

In den Rübenzuckerfabriken werden Tausende von Cubik-
fußen Saft, täglich mit Kalk geklärt, von allem Kleber und ve-
getabilischem Eiweiß befreit, zur Krystallisation abgedampft.
Jedermann, welcher in eine solche Fabrik eintritt, wird von der
außerordentlich großen Menge Ammoniak überrascht, was sich
mit den Wasserdämpfen verflüchtigt und in der Luft verbreitet. Auch
dieses Ammoniak ist darin in der Form eines Ammoniaksalzes zu-
gegen, denn der neutrale Saft verhält sich wie ihre Auflösungen
im Wasser; er nimmt wie diese beim Verdampfen eine saure Reac-
tion an, indem sich das neutrale Salz durch Ammoniakverlust in
saures verwandelt. Die freie Säure, die hierbei entsteht, ist wie
man weiß eine Quelle von Verlust an Rohrzucker für die Rüben-
zuckerfabrikanten, da durch sie ein Theil des Rohrzuckers in
nicht krystallisirbaren Traubenzucker und Syrup übergeht. Die
in den Apotheken durch Destillation über Blüthen, Kräutern
und Wurzeln erhaltenen Wasser, alle Extracte von Pflanzen
enthalten Ammoniak. Der unreife, einer durchsichtigen Gallerte
ähnliche, Kern der Mandeln und Pfirsiche entwickelt beim Zu-
satz von Alkalien reichlich Ammoniak. (Robiquet). Der
Saft frischer Tabacksblätter enthält Ammoniaksalze. Wurzeln
(Runkelrüben), Stämme (Ahorn), alle Blüthen, die Früchte
im unreifen Zustande, überall findet sich Ammoniak.

In dem Ahornsaft, dem Birkensafte ist neben Zucker der
stickstoffreichste unter allen Körpern das Ammoniak, es sind
darin alle Bedingungen der Bildung der stickstoffhaltigen und
stickstofffreien Bestandtheile der Triebe, Sprossen und Blätter
enthalten. Mit ihrer Entwickelung vermindert sich die Menge

Der Urſprung und die Aſſimilation des Stickſtoffs.

Das Thränenwaſſer der Weinrebe hinterläßt, mit einigen
Tropfen Salzſäure abgedampft, eine farbloſe gummiähnliche
zerfließliche Maſſe, welche durch Zuſatz von Kalk reichlich Am-
moniak entwickelt.

In den Rübenzuckerfabriken werden Tauſende von Cubik-
fußen Saft, täglich mit Kalk geklärt, von allem Kleber und ve-
getabiliſchem Eiweiß befreit, zur Kryſtalliſation abgedampft.
Jedermann, welcher in eine ſolche Fabrik eintritt, wird von der
außerordentlich großen Menge Ammoniak überraſcht, was ſich
mit den Waſſerdämpfen verflüchtigt und in der Luft verbreitet. Auch
dieſes Ammoniak iſt darin in der Form eines Ammoniakſalzes zu-
gegen, denn der neutrale Saft verhält ſich wie ihre Auflöſungen
im Waſſer; er nimmt wie dieſe beim Verdampfen eine ſaure Reac-
tion an, indem ſich das neutrale Salz durch Ammoniakverluſt in
ſaures verwandelt. Die freie Säure, die hierbei entſteht, iſt wie
man weiß eine Quelle von Verluſt an Rohrzucker für die Rüben-
zuckerfabrikanten, da durch ſie ein Theil des Rohrzuckers in
nicht kryſtalliſirbaren Traubenzucker und Syrup übergeht. Die
in den Apotheken durch Deſtillation über Blüthen, Kräutern
und Wurzeln erhaltenen Waſſer, alle Extracte von Pflanzen
enthalten Ammoniak. Der unreife, einer durchſichtigen Gallerte
ähnliche, Kern der Mandeln und Pfirſiche entwickelt beim Zu-
ſatz von Alkalien reichlich Ammoniak. (Robiquet). Der
Saft friſcher Tabacksblätter enthält Ammoniakſalze. Wurzeln
(Runkelrüben), Stämme (Ahorn), alle Blüthen, die Früchte
im unreifen Zuſtande, überall findet ſich Ammoniak.

In dem Ahornſaft, dem Birkenſafte iſt neben Zucker der
ſtickſtoffreichſte unter allen Körpern das Ammoniak, es ſind
darin alle Bedingungen der Bildung der ſtickſtoffhaltigen und
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[73/0091] Der Urſprung und die Aſſimilation des Stickſtoffs. Das Thränenwaſſer der Weinrebe hinterläßt, mit einigen Tropfen Salzſäure abgedampft, eine farbloſe gummiähnliche zerfließliche Maſſe, welche durch Zuſatz von Kalk reichlich Am- moniak entwickelt. In den Rübenzuckerfabriken werden Tauſende von Cubik- fußen Saft, täglich mit Kalk geklärt, von allem Kleber und ve- getabiliſchem Eiweiß befreit, zur Kryſtalliſation abgedampft. Jedermann, welcher in eine ſolche Fabrik eintritt, wird von der außerordentlich großen Menge Ammoniak überraſcht, was ſich mit den Waſſerdämpfen verflüchtigt und in der Luft verbreitet. Auch dieſes Ammoniak iſt darin in der Form eines Ammoniakſalzes zu- gegen, denn der neutrale Saft verhält ſich wie ihre Auflöſungen im Waſſer; er nimmt wie dieſe beim Verdampfen eine ſaure Reac- tion an, indem ſich das neutrale Salz durch Ammoniakverluſt in ſaures verwandelt. Die freie Säure, die hierbei entſteht, iſt wie man weiß eine Quelle von Verluſt an Rohrzucker für die Rüben- zuckerfabrikanten, da durch ſie ein Theil des Rohrzuckers in nicht kryſtalliſirbaren Traubenzucker und Syrup übergeht. Die in den Apotheken durch Deſtillation über Blüthen, Kräutern und Wurzeln erhaltenen Waſſer, alle Extracte von Pflanzen enthalten Ammoniak. Der unreife, einer durchſichtigen Gallerte ähnliche, Kern der Mandeln und Pfirſiche entwickelt beim Zu- ſatz von Alkalien reichlich Ammoniak. (Robiquet). Der Saft friſcher Tabacksblätter enthält Ammoniakſalze. Wurzeln (Runkelrüben), Stämme (Ahorn), alle Blüthen, die Früchte im unreifen Zuſtande, überall findet ſich Ammoniak. In dem Ahornſaft, dem Birkenſafte iſt neben Zucker der ſtickſtoffreichſte unter allen Körpern das Ammoniak, es ſind darin alle Bedingungen der Bildung der ſtickſtoffhaltigen und ſtickſtofffreien Beſtandtheile der Triebe, Sproſſen und Blätter enthalten. Mit ihrer Entwickelung vermindert ſich die Menge

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Zitationshilfe: Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Agricultur und Physiologie. Braunschweig, 1840, S. 73. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liebig_agricultur_1840/91>, abgerufen am 24.11.2024.