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Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Agricultur und Physiologie. Braunschweig, 1840.

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Verwesung.

Bei der Berührung einer alkalischen Lösung von Hämatin
mit Sauerstoff absorbiren 0,2 Grm. in zwei Stunden 28,6
Cubiccentimeter Sauerstoffgas, wobei das Alkali einen Gehalt
von 6 CC. Kohlensäure erhält (in Chevreul); da diese
6 CC. Kohlensäure nur ein gleiches Volumen Sauerstoff ent-
halten, so geht aus dieser Erfahrung mit Gewißheit hervor,
daß 3/4 des aufgenommenen Sauerstoffs nicht an Kohlenstoff
getreten sind. Es ist höchst wahrscheinlich, daß mit der Oxi-
dation ihres Wasserstoffs ein Theil des Kohlenstoffs der
Substanz sich mit ihrem eigenen Sauerstoff in der Form von
Kohlensäure von den übrigen Elementen getrennt hat.

Die Versuche von Saussure über die Verwesung der
Holzfaser lassen über eine solche Trennung kaum einen Zweifel
zu. Feuchte Holzfaser entwickelt nämlich für jedes Volumen
Sauerstoff, was davon aufgenommen wird, ein gleiches Volu-
men Kohlensäure, welche, wie man weiß, das nämliche Volu-
men Sauerstoff enthält. Da nun die Holzfaser Kohlenstoff
und die Elemente des Wassers enthält, so ist der Erfolg der
Einwirkung des Sauerstoffs gerade so, als wenn reine Kohle
sich direct mit Sauerstoff verbunden hätte.

Das ganze Verhalten der Holzfaser zeigt aber, daß die Ele-
mente des Wassers, welche Bestandtheile davon ausmachen,
nicht in der Form von Wasser darin wirklich enthalten sind;
denn in diesem Falle müßte man Stärke, Zucker und Gummi
ebenfalls als Hydrate der Kohle betrachten.

Wenn aber der Wasserstoff nicht in der Form von Wasser
in der Holzfaser vorhanden ist, so kann man die directe Oxi-
dation des Kohlenstoffs neben diesem Wasserstoff nicht anneh-
men, ohne in Widerspruch mit allen Erfahrungen zu gerathen,
die man über Verbrennungsprocesse in niederer Temperatur ge-
macht hat.

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Verweſung.

Bei der Berührung einer alkaliſchen Löſung von Hämatin
mit Sauerſtoff abſorbiren 0,2 Grm. in zwei Stunden 28,6
Cubiccentimeter Sauerſtoffgas, wobei das Alkali einen Gehalt
von 6 CC. Kohlenſäure erhält (in Chevreul); da dieſe
6 CC. Kohlenſäure nur ein gleiches Volumen Sauerſtoff ent-
halten, ſo geht aus dieſer Erfahrung mit Gewißheit hervor,
daß ¾ des aufgenommenen Sauerſtoffs nicht an Kohlenſtoff
getreten ſind. Es iſt höchſt wahrſcheinlich, daß mit der Oxi-
dation ihres Waſſerſtoffs ein Theil des Kohlenſtoffs der
Subſtanz ſich mit ihrem eigenen Sauerſtoff in der Form von
Kohlenſäure von den übrigen Elementen getrennt hat.

Die Verſuche von Sauſſure über die Verweſung der
Holzfaſer laſſen über eine ſolche Trennung kaum einen Zweifel
zu. Feuchte Holzfaſer entwickelt nämlich für jedes Volumen
Sauerſtoff, was davon aufgenommen wird, ein gleiches Volu-
men Kohlenſäure, welche, wie man weiß, das nämliche Volu-
men Sauerſtoff enthält. Da nun die Holzfaſer Kohlenſtoff
und die Elemente des Waſſers enthält, ſo iſt der Erfolg der
Einwirkung des Sauerſtoffs gerade ſo, als wenn reine Kohle
ſich direct mit Sauerſtoff verbunden hätte.

Das ganze Verhalten der Holzfaſer zeigt aber, daß die Ele-
mente des Waſſers, welche Beſtandtheile davon ausmachen,
nicht in der Form von Waſſer darin wirklich enthalten ſind;
denn in dieſem Falle müßte man Stärke, Zucker und Gummi
ebenfalls als Hydrate der Kohle betrachten.

Wenn aber der Waſſerſtoff nicht in der Form von Waſſer
in der Holzfaſer vorhanden iſt, ſo kann man die directe Oxi-
dation des Kohlenſtoffs neben dieſem Waſſerſtoff nicht anneh-
men, ohne in Widerſpruch mit allen Erfahrungen zu gerathen,
die man über Verbrennungsproceſſe in niederer Temperatur ge-
macht hat.

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[243/0261] Verweſung. Bei der Berührung einer alkaliſchen Löſung von Hämatin mit Sauerſtoff abſorbiren 0,2 Grm. in zwei Stunden 28,6 Cubiccentimeter Sauerſtoffgas, wobei das Alkali einen Gehalt von 6 CC. Kohlenſäure erhält (in Chevreul); da dieſe 6 CC. Kohlenſäure nur ein gleiches Volumen Sauerſtoff ent- halten, ſo geht aus dieſer Erfahrung mit Gewißheit hervor, daß ¾ des aufgenommenen Sauerſtoffs nicht an Kohlenſtoff getreten ſind. Es iſt höchſt wahrſcheinlich, daß mit der Oxi- dation ihres Waſſerſtoffs ein Theil des Kohlenſtoffs der Subſtanz ſich mit ihrem eigenen Sauerſtoff in der Form von Kohlenſäure von den übrigen Elementen getrennt hat. Die Verſuche von Sauſſure über die Verweſung der Holzfaſer laſſen über eine ſolche Trennung kaum einen Zweifel zu. Feuchte Holzfaſer entwickelt nämlich für jedes Volumen Sauerſtoff, was davon aufgenommen wird, ein gleiches Volu- men Kohlenſäure, welche, wie man weiß, das nämliche Volu- men Sauerſtoff enthält. Da nun die Holzfaſer Kohlenſtoff und die Elemente des Waſſers enthält, ſo iſt der Erfolg der Einwirkung des Sauerſtoffs gerade ſo, als wenn reine Kohle ſich direct mit Sauerſtoff verbunden hätte. Das ganze Verhalten der Holzfaſer zeigt aber, daß die Ele- mente des Waſſers, welche Beſtandtheile davon ausmachen, nicht in der Form von Waſſer darin wirklich enthalten ſind; denn in dieſem Falle müßte man Stärke, Zucker und Gummi ebenfalls als Hydrate der Kohle betrachten. Wenn aber der Waſſerſtoff nicht in der Form von Waſſer in der Holzfaſer vorhanden iſt, ſo kann man die directe Oxi- dation des Kohlenſtoffs neben dieſem Waſſerſtoff nicht anneh- men, ohne in Widerſpruch mit allen Erfahrungen zu gerathen, die man über Verbrennungsproceſſe in niederer Temperatur ge- macht hat. 16*

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Zitationshilfe: Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Agricultur und Physiologie. Braunschweig, 1840, S. 243. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liebig_agricultur_1840/261>, abgerufen am 24.11.2024.