Lewald, Fanny: Die Tante. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 14. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 69–193. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.ich weiß es jetzt! -- daß mir das innerste Herz erquickt ward, und -- seit dem Tage lebe, hoffe, liebe ich wieder! Sie warf sich mir bei den Worten um den Hals. Vergieb mir, vergieb mir! rief sie, daß ich dir mein Glück, mein schmerzliches Glück auszusprechen wage, wo du ohne Hoffnung, wo du voll Entsagung sein mußt; aber ich habe ja auch so lange und so schwer geduldet. Mir war, als verwirre mich ein wüster Traum. Bald hörte ich die schärfste Wahrheit, wenn Caroline mir erzählte, wie sich in dem und jenem Zuge meine wachsende Liebe ihr verrathen, bald wieder glaubte ich meiner Sinne nicht mächtig zu sein, wenn sie die Versuche, die ich früher gemacht, sie und Klemenz einander näher zu bringen, als Begegnungen ansah, welche er mit seiner Berechnung herbeigeführt. Einzelne Aeußerungen, die er gethan, über das Bedenkliche, welches eine reiche Heirath für den Mittellosen habe, hatte sie ebenfalls auf sich bezogen, und daß er sich mir oft ausschließlich zugewendet, war ihr ein Beweis gewesen, daß er, ihrer Liebe sich nicht sicher fühlend, sie nicht habe beunruhigen oder einer ihr nicht erwünschten Beobachtung aussetzen mögen. Sie erzählte nur das Alles in der höchsten Aufregung, ich hörte ihr sprachlos zu. Den ganzen Tag über, sagte sie, hatte ich es überlegt, wie ich es machen sollte, ihn nur einen Augenblick allein zu sprechen, denn wo ich liebe, schwin- ich weiß es jetzt! — daß mir das innerste Herz erquickt ward, und — seit dem Tage lebe, hoffe, liebe ich wieder! Sie warf sich mir bei den Worten um den Hals. Vergieb mir, vergieb mir! rief sie, daß ich dir mein Glück, mein schmerzliches Glück auszusprechen wage, wo du ohne Hoffnung, wo du voll Entsagung sein mußt; aber ich habe ja auch so lange und so schwer geduldet. Mir war, als verwirre mich ein wüster Traum. Bald hörte ich die schärfste Wahrheit, wenn Caroline mir erzählte, wie sich in dem und jenem Zuge meine wachsende Liebe ihr verrathen, bald wieder glaubte ich meiner Sinne nicht mächtig zu sein, wenn sie die Versuche, die ich früher gemacht, sie und Klemenz einander näher zu bringen, als Begegnungen ansah, welche er mit seiner Berechnung herbeigeführt. Einzelne Aeußerungen, die er gethan, über das Bedenkliche, welches eine reiche Heirath für den Mittellosen habe, hatte sie ebenfalls auf sich bezogen, und daß er sich mir oft ausschließlich zugewendet, war ihr ein Beweis gewesen, daß er, ihrer Liebe sich nicht sicher fühlend, sie nicht habe beunruhigen oder einer ihr nicht erwünschten Beobachtung aussetzen mögen. Sie erzählte nur das Alles in der höchsten Aufregung, ich hörte ihr sprachlos zu. Den ganzen Tag über, sagte sie, hatte ich es überlegt, wie ich es machen sollte, ihn nur einen Augenblick allein zu sprechen, denn wo ich liebe, schwin- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div type="diaryEntry" n="2"> <p><pb facs="#f0108"/> ich weiß es jetzt! — daß mir das innerste Herz erquickt ward, und — seit dem Tage lebe, hoffe, liebe ich wieder! Sie warf sich mir bei den Worten um den Hals. Vergieb mir, vergieb mir! rief sie, daß ich dir mein Glück, mein schmerzliches Glück auszusprechen wage, wo du ohne Hoffnung, wo du voll Entsagung sein mußt; aber ich habe ja auch so lange und so schwer geduldet.</p><lb/> <p>Mir war, als verwirre mich ein wüster Traum. Bald hörte ich die schärfste Wahrheit, wenn Caroline mir erzählte, wie sich in dem und jenem Zuge meine wachsende Liebe ihr verrathen, bald wieder glaubte ich meiner Sinne nicht mächtig zu sein, wenn sie die Versuche, die ich früher gemacht, sie und Klemenz einander näher zu bringen, als Begegnungen ansah, welche er mit seiner Berechnung herbeigeführt. Einzelne Aeußerungen, die er gethan, über das Bedenkliche, welches eine reiche Heirath für den Mittellosen habe, hatte sie ebenfalls auf sich bezogen, und daß er sich mir oft ausschließlich zugewendet, war ihr ein Beweis gewesen, daß er, ihrer Liebe sich nicht sicher fühlend, sie nicht habe beunruhigen oder einer ihr nicht erwünschten Beobachtung aussetzen mögen. Sie erzählte nur das Alles in der höchsten Aufregung, ich hörte ihr sprachlos zu.</p><lb/> <p>Den ganzen Tag über, sagte sie, hatte ich es überlegt, wie ich es machen sollte, ihn nur einen Augenblick allein zu sprechen, denn wo ich liebe, schwin-<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0108]
ich weiß es jetzt! — daß mir das innerste Herz erquickt ward, und — seit dem Tage lebe, hoffe, liebe ich wieder! Sie warf sich mir bei den Worten um den Hals. Vergieb mir, vergieb mir! rief sie, daß ich dir mein Glück, mein schmerzliches Glück auszusprechen wage, wo du ohne Hoffnung, wo du voll Entsagung sein mußt; aber ich habe ja auch so lange und so schwer geduldet.
Mir war, als verwirre mich ein wüster Traum. Bald hörte ich die schärfste Wahrheit, wenn Caroline mir erzählte, wie sich in dem und jenem Zuge meine wachsende Liebe ihr verrathen, bald wieder glaubte ich meiner Sinne nicht mächtig zu sein, wenn sie die Versuche, die ich früher gemacht, sie und Klemenz einander näher zu bringen, als Begegnungen ansah, welche er mit seiner Berechnung herbeigeführt. Einzelne Aeußerungen, die er gethan, über das Bedenkliche, welches eine reiche Heirath für den Mittellosen habe, hatte sie ebenfalls auf sich bezogen, und daß er sich mir oft ausschließlich zugewendet, war ihr ein Beweis gewesen, daß er, ihrer Liebe sich nicht sicher fühlend, sie nicht habe beunruhigen oder einer ihr nicht erwünschten Beobachtung aussetzen mögen. Sie erzählte nur das Alles in der höchsten Aufregung, ich hörte ihr sprachlos zu.
Den ganzen Tag über, sagte sie, hatte ich es überlegt, wie ich es machen sollte, ihn nur einen Augenblick allein zu sprechen, denn wo ich liebe, schwin-
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Zitationshilfe: | Lewald, Fanny: Die Tante. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 14. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 69–193. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_tante_1910/108>, abgerufen am 26.07.2024. |