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Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 2. Leipzig, 1843.

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offen und frei aus, selbst jenes Gespräch der
Stiftsdame theilte sie ihm mit, das sie so tief
verletzt hatte, und fragte:

"Walter! wird es Dich nie schmerzen, wenn
Du Aehnliches hören müßtest?"

"Niemals!" sagte Walter entschieden.
"Glaube mir! Habe ich es je als ein Glück
empfunden, auf der Höhe des Lebens geboren
zu sein, so war es, weil von dieser Höhe aus,
mir jene Vorurtheile, die den Sinn der Menge
verwirren, stets so gar klein und thöricht er-
schienen; weil dieser Standpunkt unser Thun
und Handeln sichtbar zur Richtschnur für viele
Andere macht. Ich bin stolz darauf, Dich, Du
Geliebte, mit der Grafenkrone zu schmücken, zu
zeigen, daß mir Dein Besitz mehr gilt als alle
Würden der Welt und kein Tadel kann mich
verletzen, da ich weiß, daß nie ein herrlicheres
Weib unsern alten Namen getragen, als Du!"

offen und frei aus, ſelbſt jenes Geſpräch der
Stiftsdame theilte ſie ihm mit, das ſie ſo tief
verletzt hatte, und fragte:

„Walter! wird es Dich nie ſchmerzen, wenn
Du Aehnliches hören müßteſt?“

„Niemals!“ ſagte Walter entſchieden.
„Glaube mir! Habe ich es je als ein Glück
empfunden, auf der Höhe des Lebens geboren
zu ſein, ſo war es, weil von dieſer Höhe aus,
mir jene Vorurtheile, die den Sinn der Menge
verwirren, ſtets ſo gar klein und thöricht er-
ſchienen; weil dieſer Standpunkt unſer Thun
und Handeln ſichtbar zur Richtſchnur für viele
Andere macht. Ich bin ſtolz darauf, Dich, Du
Geliebte, mit der Grafenkrone zu ſchmücken, zu
zeigen, daß mir Dein Beſitz mehr gilt als alle
Würden der Welt und kein Tadel kann mich
verletzen, da ich weiß, daß nie ein herrlicheres
Weib unſern alten Namen getragen, als Du!“

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[282/0292] offen und frei aus, ſelbſt jenes Geſpräch der Stiftsdame theilte ſie ihm mit, das ſie ſo tief verletzt hatte, und fragte: „Walter! wird es Dich nie ſchmerzen, wenn Du Aehnliches hören müßteſt?“ „Niemals!“ ſagte Walter entſchieden. „Glaube mir! Habe ich es je als ein Glück empfunden, auf der Höhe des Lebens geboren zu ſein, ſo war es, weil von dieſer Höhe aus, mir jene Vorurtheile, die den Sinn der Menge verwirren, ſtets ſo gar klein und thöricht er- ſchienen; weil dieſer Standpunkt unſer Thun und Handeln ſichtbar zur Richtſchnur für viele Andere macht. Ich bin ſtolz darauf, Dich, Du Geliebte, mit der Grafenkrone zu ſchmücken, zu zeigen, daß mir Dein Beſitz mehr gilt als alle Würden der Welt und kein Tadel kann mich verletzen, da ich weiß, daß nie ein herrlicheres Weib unſern alten Namen getragen, als Du!“

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Zitationshilfe: Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 2. Leipzig, 1843, S. 282. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny02_1843/292>, abgerufen am 10.05.2024.