beschämt über das Geständniß, welches sie dem- selben in ihrer Schwäche gemacht, als sie Ruhe suchend, sich an ihn, wie an ihren anerkannten Beschützer lehnte. Jetzt stieg der Gedanke an die Trennung von dem Grafen wie ein düsterer Schatten vor ihrem Geiste auf, sie wendete sich ab von dem Geliebten und barg mit einem tiefen Seufzer das Gesicht in ihren Händen. Aber Walter's Stimme, die Freude und Liebe, die aus seinen Worten klang, machte ihr inner- stes Herz erbeben, und als er zärtlich sagte: "Du wendest Dich fort, Jenny?" vermochte sie nicht zu widerstehen, reichte ihm beide Hände hin und sagte: "Ich habe es gewollt, ich wollte Dich meiden, weil mir Dein Glück theurer ist, als meines! Gott will es anders -- wir leben noch! so will ich auch nur in Dir leben, Walter!"
Jenny's Hand in der seinen, Richard auf seinen Knien haltend, so langte Walter vor
beſchämt über das Geſtändniß, welches ſie dem- ſelben in ihrer Schwäche gemacht, als ſie Ruhe ſuchend, ſich an ihn, wie an ihren anerkannten Beſchützer lehnte. Jetzt ſtieg der Gedanke an die Trennung von dem Grafen wie ein düſterer Schatten vor ihrem Geiſte auf, ſie wendete ſich ab von dem Geliebten und barg mit einem tiefen Seufzer das Geſicht in ihren Händen. Aber Walter's Stimme, die Freude und Liebe, die aus ſeinen Worten klang, machte ihr inner- ſtes Herz erbeben, und als er zärtlich ſagte: „Du wendeſt Dich fort, Jenny?“ vermochte ſie nicht zu widerſtehen, reichte ihm beide Hände hin und ſagte: „Ich habe es gewollt, ich wollte Dich meiden, weil mir Dein Glück theurer iſt, als meines! Gott will es anders — wir leben noch! ſo will ich auch nur in Dir leben, Walter!“
Jenny's Hand in der ſeinen, Richard auf ſeinen Knien haltend, ſo langte Walter vor
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beſchämt über das Geſtändniß, welches ſie dem-
ſelben in ihrer Schwäche gemacht, als ſie Ruhe
ſuchend, ſich an ihn, wie an ihren anerkannten
Beſchützer lehnte. Jetzt ſtieg der Gedanke an
die Trennung von dem Grafen wie ein düſterer
Schatten vor ihrem Geiſte auf, ſie wendete ſich
ab von dem Geliebten und barg mit einem
tiefen Seufzer das Geſicht in ihren Händen.
Aber Walter's Stimme, die Freude und Liebe,
die aus ſeinen Worten klang, machte ihr inner-
ſtes Herz erbeben, und als er zärtlich ſagte:
„Du wendeſt Dich fort, Jenny?“ vermochte
ſie nicht zu widerſtehen, reichte ihm beide Hände
hin und ſagte: „Ich habe es gewollt, ich wollte
Dich meiden, weil mir Dein Glück theurer
iſt, als meines! Gott will es anders — wir
leben noch! ſo will ich auch nur in Dir leben,
Walter!“
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Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 2. Leipzig, 1843, S. 279. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny02_1843/289>, abgerufen am 10.05.2024.
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