Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 2. Leipzig, 1843.

Bild:
<< vorherige Seite

gend vor ihr saß, und dann still weinend wieder
an Walter's Brust sank. Seiner selbst nicht
mächtig drückte er sie an sein Herz und er-
wärmte mit glühenden Küssen ihre noch kalten
Lippen.

"Warum weinst Du noch? Warum küßt
Dich Graf Walter, Jenny?" fragte der
Knabe, ungeduldig das ihm peinliche Schwei-
gen brechend.

"Weil Jenny meine Braut ist, weil wir
uns freuen, daß wir dem Tode entgangen
sind", antwortete ihm Walter, strahlend vor
Liebe und Wonne, "weil nun ein glückliches,
seliges Leben vor uns liegt! Komm, Richard,
komm! Du mußt unsere Freude theilen, denn
auch über Dir, geliebtes Kind! hat die Hand
des Todes geschwebt; komm, küsse auch Deine
Jenny, meine schöne, süße Braut!"

Und Jenny? Bei des Knaben erster Frage
hatte sie sich von Walter's Brust emporgerichtet,

gend vor ihr ſaß, und dann ſtill weinend wieder
an Walter's Bruſt ſank. Seiner ſelbſt nicht
mächtig drückte er ſie an ſein Herz und er-
wärmte mit glühenden Küſſen ihre noch kalten
Lippen.

„Warum weinſt Du noch? Warum küßt
Dich Graf Walter, Jenny?“ fragte der
Knabe, ungeduldig das ihm peinliche Schwei-
gen brechend.

„Weil Jenny meine Braut iſt, weil wir
uns freuen, daß wir dem Tode entgangen
ſind“, antwortete ihm Walter, ſtrahlend vor
Liebe und Wonne, „weil nun ein glückliches,
ſeliges Leben vor uns liegt! Komm, Richard,
komm! Du mußt unſere Freude theilen, denn
auch über Dir, geliebtes Kind! hat die Hand
des Todes geſchwebt; komm, küſſe auch Deine
Jenny, meine ſchöne, ſüße Braut!“

Und Jenny? Bei des Knaben erſter Frage
hatte ſie ſich von Walter's Bruſt emporgerichtet,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0288" n="278"/>
gend vor ihr &#x017F;aß, und dann &#x017F;till weinend wieder<lb/>
an Walter's Bru&#x017F;t &#x017F;ank. Seiner &#x017F;elb&#x017F;t nicht<lb/>
mächtig drückte er &#x017F;ie an &#x017F;ein Herz und er-<lb/>
wärmte mit glühenden Kü&#x017F;&#x017F;en ihre noch kalten<lb/>
Lippen.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Warum wein&#x017F;t Du noch? Warum küßt<lb/>
Dich Graf Walter, Jenny?&#x201C; fragte der<lb/>
Knabe, ungeduldig das ihm peinliche Schwei-<lb/>
gen brechend.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Weil Jenny meine Braut i&#x017F;t, weil wir<lb/>
uns freuen, daß wir dem Tode entgangen<lb/>
&#x017F;ind&#x201C;, antwortete ihm Walter, &#x017F;trahlend vor<lb/>
Liebe und Wonne, &#x201E;weil nun ein glückliches,<lb/>
&#x017F;eliges Leben vor uns liegt! Komm, Richard,<lb/>
komm! Du mußt un&#x017F;ere Freude theilen, denn<lb/>
auch über Dir, geliebtes Kind! hat die Hand<lb/>
des Todes ge&#x017F;chwebt; komm, kü&#x017F;&#x017F;e auch Deine<lb/>
Jenny, meine &#x017F;chöne, &#x017F;üße Braut!&#x201C;</p><lb/>
        <p>Und Jenny? Bei des Knaben er&#x017F;ter Frage<lb/>
hatte &#x017F;ie &#x017F;ich von Walter's Bru&#x017F;t emporgerichtet,<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[278/0288] gend vor ihr ſaß, und dann ſtill weinend wieder an Walter's Bruſt ſank. Seiner ſelbſt nicht mächtig drückte er ſie an ſein Herz und er- wärmte mit glühenden Küſſen ihre noch kalten Lippen. „Warum weinſt Du noch? Warum küßt Dich Graf Walter, Jenny?“ fragte der Knabe, ungeduldig das ihm peinliche Schwei- gen brechend. „Weil Jenny meine Braut iſt, weil wir uns freuen, daß wir dem Tode entgangen ſind“, antwortete ihm Walter, ſtrahlend vor Liebe und Wonne, „weil nun ein glückliches, ſeliges Leben vor uns liegt! Komm, Richard, komm! Du mußt unſere Freude theilen, denn auch über Dir, geliebtes Kind! hat die Hand des Todes geſchwebt; komm, küſſe auch Deine Jenny, meine ſchöne, ſüße Braut!“ Und Jenny? Bei des Knaben erſter Frage hatte ſie ſich von Walter's Bruſt emporgerichtet,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny02_1843
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny02_1843/288
Zitationshilfe: Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 2. Leipzig, 1843, S. 278. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny02_1843/288>, abgerufen am 10.05.2024.