in meiner Nähe suchen! Glauben Sie mir das, und dringen Sie nicht in mich!" Sie reichte ihm bewegt die Hand zum Abschied und ging am Arme ihres Vaters davon.
Jenny's Gesang und ihre ganze Persönlichkeit waren, während dies in einem der Nebenzim- mer geschah, im Saale der Gegenstand der Unterhaltung geworden. Einige priesen ihre Schönheit und Anmuth, andere fanden ihr Auftreten abstoßend und stolz, zu ernsthaft und selbstbewußt für ein Frauenzimmer; und ebenso große Meinungsverschiedenheit herrschte über ih- ren Gesang.
"Die Stimme ist vortrefflich", bemerkte die Stiftsdame, "aber es zeigt immer von wenig Erziehung, sich und seine Gefühle so preiszu- geben. Ich will gestehen, es mag unangenehm genug sein, dem jüdischen Volke anzugehören, indeß ist es doch nicht unsere Schuld, daß Fräu-
in meiner Nähe ſuchen! Glauben Sie mir das, und dringen Sie nicht in mich!“ Sie reichte ihm bewegt die Hand zum Abſchied und ging am Arme ihres Vaters davon.
Jenny's Geſang und ihre ganze Perſönlichkeit waren, während dies in einem der Nebenzim- mer geſchah, im Saale der Gegenſtand der Unterhaltung geworden. Einige prieſen ihre Schönheit und Anmuth, andere fanden ihr Auftreten abſtoßend und ſtolz, zu ernſthaft und ſelbſtbewußt für ein Frauenzimmer; und ebenſo große Meinungsverſchiedenheit herrſchte über ih- ren Geſang.
„Die Stimme iſt vortrefflich“, bemerkte die Stiftsdame, „aber es zeigt immer von wenig Erziehung, ſich und ſeine Gefühle ſo preiszu- geben. Ich will geſtehen, es mag unangenehm genug ſein, dem jüdiſchen Volke anzugehören, indeß iſt es doch nicht unſere Schuld, daß Fräu-
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in meiner Nähe ſuchen! Glauben Sie mir das,
und dringen Sie nicht in mich!“ Sie reichte
ihm bewegt die Hand zum Abſchied und ging
am Arme ihres Vaters davon.
Jenny's Geſang und ihre ganze Perſönlichkeit
waren, während dies in einem der Nebenzim-
mer geſchah, im Saale der Gegenſtand der
Unterhaltung geworden. Einige prieſen ihre
Schönheit und Anmuth, andere fanden ihr
Auftreten abſtoßend und ſtolz, zu ernſthaft und
ſelbſtbewußt für ein Frauenzimmer; und ebenſo
große Meinungsverſchiedenheit herrſchte über ih-
ren Geſang.
„Die Stimme iſt vortrefflich“, bemerkte die
Stiftsdame, „aber es zeigt immer von wenig
Erziehung, ſich und ſeine Gefühle ſo preiszu-
geben. Ich will geſtehen, es mag unangenehm
genug ſein, dem jüdiſchen Volke anzugehören,
indeß iſt es doch nicht unſere Schuld, daß Fräu-
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Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 2. Leipzig, 1843, S. 261. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny02_1843/271>, abgerufen am 10.05.2024.
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