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Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 2. Leipzig, 1843.

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schleier geschmückt, den sie jetzt abzulegen sich
nicht entschließen konnte. Sie fühlte ihre wach-
sende Neigung für den Grafen, aber sie kämpfte
dagegen, wie gegen ein Unrecht, weil sie sich
scheute, den Ihrigen zu sagen: "Ich liebe wie-
der!" und doch zu wahrhaft war, um eine
Verbindung mit Walter, die sie trotz aller Be-
denken wünschte, für eine bloße Convenienz
auszugeben, was außerdem kränkend für ihn
gewesen wäre.

Nach Jahren innern Friedens mit sich selbst
machte dieser Zwiespalt ihrer Seele ihr doppelte
Unruhe und gab ihr einen Anstrich von Kälte,
die Walter irre an ihr zu machen drohte; da
ohnehin die Sorge für Clara's ihr anvertraute
Kinder und für die kranke Frau, welche sie am
Wege gefunden, ihr einen Grund gab, den
Grafen weniger zu sehen, als es früher der
Fall gewesen war. Dadurch trat eine Art von
Spannung zwischen Walter und Jenny ein,

ſchleier geſchmückt, den ſie jetzt abzulegen ſich
nicht entſchließen konnte. Sie fühlte ihre wach-
ſende Neigung für den Grafen, aber ſie kämpfte
dagegen, wie gegen ein Unrecht, weil ſie ſich
ſcheute, den Ihrigen zu ſagen: „Ich liebe wie-
der!“ und doch zu wahrhaft war, um eine
Verbindung mit Walter, die ſie trotz aller Be-
denken wünſchte, für eine bloße Convenienz
auszugeben, was außerdem kränkend für ihn
geweſen wäre.

Nach Jahren innern Friedens mit ſich ſelbſt
machte dieſer Zwieſpalt ihrer Seele ihr doppelte
Unruhe und gab ihr einen Anſtrich von Kälte,
die Walter irre an ihr zu machen drohte; da
ohnehin die Sorge für Clara's ihr anvertraute
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[234/0244] ſchleier geſchmückt, den ſie jetzt abzulegen ſich nicht entſchließen konnte. Sie fühlte ihre wach- ſende Neigung für den Grafen, aber ſie kämpfte dagegen, wie gegen ein Unrecht, weil ſie ſich ſcheute, den Ihrigen zu ſagen: „Ich liebe wie- der!“ und doch zu wahrhaft war, um eine Verbindung mit Walter, die ſie trotz aller Be- denken wünſchte, für eine bloße Convenienz auszugeben, was außerdem kränkend für ihn geweſen wäre. Nach Jahren innern Friedens mit ſich ſelbſt machte dieſer Zwieſpalt ihrer Seele ihr doppelte Unruhe und gab ihr einen Anſtrich von Kälte, die Walter irre an ihr zu machen drohte; da ohnehin die Sorge für Clara's ihr anvertraute Kinder und für die kranke Frau, welche ſie am Wege gefunden, ihr einen Grund gab, den Grafen weniger zu ſehen, als es früher der Fall geweſen war. Dadurch trat eine Art von Spannung zwiſchen Walter und Jenny ein,

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Zitationshilfe: Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 2. Leipzig, 1843, S. 234. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny02_1843/244>, abgerufen am 28.04.2024.