von der Beide gleichviel zu leiden schienen, bis es Frau von Meining gelang, Walter's Ver- trauen zu gewinnen. Sie bat ihn, Geduld zu haben, Jenny Zeit zu lassen, bis sie sich selbst klar geworden sei: "Glauben Sie, lieber Graf!" sagte sie, "je deutlicher in uns Frauen das Be- wußtsein von der Heiligkeit der Ehe wird, je langsamer entschließt man sich, den Schritt zu thun. Jenny steht jetzt bang und zögernd auf der Schwelle des Tempels, die sie vor zehn Jahren hüpfend und sorglos überschritten hätte. Lassen Sie sich dadurch nicht irren! Ich bin wirklich nicht intrigant und halte es für un- recht, Leute zu einem Entschlusse zu überreden, zu dem sie keine Neigung haben oder dem ihre Eigenthümlichkeit widerstrebt. Wenn aber, wie bei Jenny, nur ein mißverstandenes Gefühl sie davon abhält, ihr Glück und das Glück eines Mannes zu gründen, den sie lieb hat, wie Sie, lieber Walter! da muß man aus Freundschaft
von der Beide gleichviel zu leiden ſchienen, bis es Frau von Meining gelang, Walter's Ver- trauen zu gewinnen. Sie bat ihn, Geduld zu haben, Jenny Zeit zu laſſen, bis ſie ſich ſelbſt klar geworden ſei: „Glauben Sie, lieber Graf!“ ſagte ſie, „je deutlicher in uns Frauen das Be- wußtſein von der Heiligkeit der Ehe wird, je langſamer entſchließt man ſich, den Schritt zu thun. Jenny ſteht jetzt bang und zögernd auf der Schwelle des Tempels, die ſie vor zehn Jahren hüpfend und ſorglos überſchritten hätte. Laſſen Sie ſich dadurch nicht irren! Ich bin wirklich nicht intrigant und halte es für un- recht, Leute zu einem Entſchluſſe zu überreden, zu dem ſie keine Neigung haben oder dem ihre Eigenthümlichkeit widerſtrebt. Wenn aber, wie bei Jenny, nur ein mißverſtandenes Gefühl ſie davon abhält, ihr Glück und das Glück eines Mannes zu gründen, den ſie lieb hat, wie Sie, lieber Walter! da muß man aus Freundſchaft
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von der Beide gleichviel zu leiden ſchienen, bis
es Frau von Meining gelang, Walter's Ver-
trauen zu gewinnen. Sie bat ihn, Geduld zu
haben, Jenny Zeit zu laſſen, bis ſie ſich ſelbſt
klar geworden ſei: „Glauben Sie, lieber Graf!“
ſagte ſie, „je deutlicher in uns Frauen das Be-
wußtſein von der Heiligkeit der Ehe wird, je
langſamer entſchließt man ſich, den Schritt zu
thun. Jenny ſteht jetzt bang und zögernd auf
der Schwelle des Tempels, die ſie vor zehn
Jahren hüpfend und ſorglos überſchritten hätte.
Laſſen Sie ſich dadurch nicht irren! Ich bin
wirklich nicht intrigant und halte es für un-
recht, Leute zu einem Entſchluſſe zu überreden,
zu dem ſie keine Neigung haben oder dem ihre
Eigenthümlichkeit widerſtrebt. Wenn aber, wie
bei Jenny, nur ein mißverſtandenes Gefühl ſie
davon abhält, ihr Glück und das Glück eines
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Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 2. Leipzig, 1843, S. 235. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny02_1843/245>, abgerufen am 26.11.2024.
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