Zwei Gefühle waren es besonders, die Jenny beunruhigten und sie bewogen, sich von Walter zu entfernen. Die Furcht, welche sie Frau von Meining gestand, vor einer Verbindung, die man gerade in den Kreisen eine mesalliance nennen würde, in denen sie als Walter's Frau zu leben bestimmt war, und was sie nur sich selbst bekannte, Scham vor sich selbst, daß sie einer zweiten Neigung fähig sei, die sich ent- schieden zu Walter's Gunsten in ihr geltend machte. Trotz ihres klaren Verstandes besaß Jenny die Schwärmerei eines tieffühlenden Her- zens und hatte mit Treue das Andenken des Geliebten ihrer Jugend in sich gepflegt, bis sich nach Reinhard's Verheirathung der Gedanke in ihr ausgebildet, sie habe nunmehr keinen Anspruch an Liebesglück zu machen, ihr Leben sei in der Beziehung beendet.
So hatte sie sich seit Jahren mit der Idee: "entsagt zu haben" wie mit einem Wittwen-
Zwei Gefühle waren es beſonders, die Jenny beunruhigten und ſie bewogen, ſich von Walter zu entfernen. Die Furcht, welche ſie Frau von Meining geſtand, vor einer Verbindung, die man gerade in den Kreiſen eine mesalliance nennen würde, in denen ſie als Walter's Frau zu leben beſtimmt war, und was ſie nur ſich ſelbſt bekannte, Scham vor ſich ſelbſt, daß ſie einer zweiten Neigung fähig ſei, die ſich ent- ſchieden zu Walter's Gunſten in ihr geltend machte. Trotz ihres klaren Verſtandes beſaß Jenny die Schwärmerei eines tieffühlenden Her- zens und hatte mit Treue das Andenken des Geliebten ihrer Jugend in ſich gepflegt, bis ſich nach Reinhard's Verheirathung der Gedanke in ihr ausgebildet, ſie habe nunmehr keinen Anſpruch an Liebesglück zu machen, ihr Leben ſei in der Beziehung beendet.
So hatte ſie ſich ſeit Jahren mit der Idee: „entſagt zu haben“ wie mit einem Wittwen-
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Zwei Gefühle waren es beſonders, die Jenny
beunruhigten und ſie bewogen, ſich von Walter
zu entfernen. Die Furcht, welche ſie Frau
von Meining geſtand, vor einer Verbindung,
die man gerade in den Kreiſen eine mesalliance
nennen würde, in denen ſie als Walter's Frau
zu leben beſtimmt war, und was ſie nur ſich
ſelbſt bekannte, Scham vor ſich ſelbſt, daß ſie
einer zweiten Neigung fähig ſei, die ſich ent-
ſchieden zu Walter's Gunſten in ihr geltend
machte. Trotz ihres klaren Verſtandes beſaß
Jenny die Schwärmerei eines tieffühlenden Her-
zens und hatte mit Treue das Andenken des
Geliebten ihrer Jugend in ſich gepflegt, bis ſich
nach Reinhard's Verheirathung der Gedanke
in ihr ausgebildet, ſie habe nunmehr keinen
Anſpruch an Liebesglück zu machen, ihr Leben
ſei in der Beziehung beendet.
So hatte ſie ſich ſeit Jahren mit der Idee:
„entſagt zu haben“ wie mit einem Wittwen-
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Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 2. Leipzig, 1843, S. 233. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny02_1843/243>, abgerufen am 26.11.2024.
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