todtenbleich geworden war und unwillkürlich ausrief: "Auch das noch und schon jetzt!"
"Mein Onkel ist hergestellt", fuhr Clara fort, "und ich wußte schon, als wir uns zuletzt sahen, daß William zurückkehren werde. Ich wollte es Ihnen sagen, als ich herkam, aber es war mir später wieder entfallen."
Und wieder entstand eine lange, drückende Pause, in der Niemand sprach, weil Jeder sich scheute, von dem Gegenstande zu reden, der ihn allein beschäftigte. Eduard wollte irgend einen bestimmten Entschluß fassen; er wollte Clara beschwören, diese stumme Resignation aufzuge- ben, oder lieber ein Beisammensein zu vermei- den, das für ihn bitterer, als jede Trennung sein mußte. Dazustehen vor der Geliebten, der man entsagen soll, und sein Herz zu bezwingen, das in einen Schrei des Schmerzes, in die glü- hendsten Worte der Leidenschaft ausbrechen wollte, das fand Eduard unerträglich. So süß es sei-
todtenbleich geworden war und unwillkürlich ausrief: „Auch das noch und ſchon jetzt!“
„Mein Onkel iſt hergeſtellt“, fuhr Clara fort, „und ich wußte ſchon, als wir uns zuletzt ſahen, daß William zurückkehren werde. Ich wollte es Ihnen ſagen, als ich herkam, aber es war mir ſpäter wieder entfallen.“
Und wieder entſtand eine lange, drückende Pauſe, in der Niemand ſprach, weil Jeder ſich ſcheute, von dem Gegenſtande zu reden, der ihn allein beſchäftigte. Eduard wollte irgend einen beſtimmten Entſchluß faſſen; er wollte Clara beſchwören, dieſe ſtumme Reſignation aufzuge- ben, oder lieber ein Beiſammenſein zu vermei- den, das für ihn bitterer, als jede Trennung ſein mußte. Dazuſtehen vor der Geliebten, der man entſagen ſoll, und ſein Herz zu bezwingen, das in einen Schrei des Schmerzes, in die glü- hendſten Worte der Leidenſchaft ausbrechen wollte, das fand Eduard unerträglich. So ſüß es ſei-
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todtenbleich geworden war und unwillkürlich
ausrief: „Auch das noch und ſchon jetzt!“
„Mein Onkel iſt hergeſtellt“, fuhr Clara
fort, „und ich wußte ſchon, als wir uns zuletzt
ſahen, daß William zurückkehren werde. Ich
wollte es Ihnen ſagen, als ich herkam, aber es
war mir ſpäter wieder entfallen.“
Und wieder entſtand eine lange, drückende
Pauſe, in der Niemand ſprach, weil Jeder ſich
ſcheute, von dem Gegenſtande zu reden, der ihn
allein beſchäftigte. Eduard wollte irgend einen
beſtimmten Entſchluß faſſen; er wollte Clara
beſchwören, dieſe ſtumme Reſignation aufzuge-
ben, oder lieber ein Beiſammenſein zu vermei-
den, das für ihn bitterer, als jede Trennung
ſein mußte. Dazuſtehen vor der Geliebten, der
man entſagen ſoll, und ſein Herz zu bezwingen,
das in einen Schrei des Schmerzes, in die glü-
hendſten Worte der Leidenſchaft ausbrechen wollte,
das fand Eduard unerträglich. So ſüß es ſei-
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Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 2. Leipzig, 1843, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny02_1843/22>, abgerufen am 30.01.2025.
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