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Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 2. Leipzig, 1843.

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konnte sie sich nicht länger überwinden, und mit
aller ihr eigenthümlichen Lebhaftigkeit kniete
sie vor Clara nieder, und bat, indem sie sie mit
beiden Armen umschlang: "Sage mir, Clara,
was ist geschehen? Warum hast Du so viel ge-
litten, daß Du bleich und traurig aussiehst?
Was fehlt Eduard? Sage es mir, wenn ich
nicht das Aergste fürchten soll, wenn Du mich
genug liebst, mich mit Dir leiden zu lassen."

"Du weißt es", antwortete Clara, "aber
gerade darum laß mich davon schweigen. Helfen
kannst Du mir nicht, Niemand kann es, und
das Einzige, was Du für mich thun sollst, ist,
mich mit Eduard ein paar Minuten allein zu
lassen, wenn er heute herauskommt. Willst
Du das?"

Jenny versprach es, und traurig saßen sie
lange beisammen, bis der Hufschlag eines Pfer-
des die Ankunft eines Reiters verkündete und
nach einer Pause banger Erwartung Herr Meier

konnte ſie ſich nicht länger überwinden, und mit
aller ihr eigenthümlichen Lebhaftigkeit kniete
ſie vor Clara nieder, und bat, indem ſie ſie mit
beiden Armen umſchlang: „Sage mir, Clara,
was iſt geſchehen? Warum haſt Du ſo viel ge-
litten, daß Du bleich und traurig ausſiehſt?
Was fehlt Eduard? Sage es mir, wenn ich
nicht das Aergſte fürchten ſoll, wenn Du mich
genug liebſt, mich mit Dir leiden zu laſſen.“

„Du weißt es“, antwortete Clara, „aber
gerade darum laß mich davon ſchweigen. Helfen
kannſt Du mir nicht, Niemand kann es, und
das Einzige, was Du für mich thun ſollſt, iſt,
mich mit Eduard ein paar Minuten allein zu
laſſen, wenn er heute herauskommt. Willſt
Du das?“

Jenny verſprach es, und traurig ſaßen ſie
lange beiſammen, bis der Hufſchlag eines Pfer-
des die Ankunft eines Reiters verkündete und
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[4/0014] konnte ſie ſich nicht länger überwinden, und mit aller ihr eigenthümlichen Lebhaftigkeit kniete ſie vor Clara nieder, und bat, indem ſie ſie mit beiden Armen umſchlang: „Sage mir, Clara, was iſt geſchehen? Warum haſt Du ſo viel ge- litten, daß Du bleich und traurig ausſiehſt? Was fehlt Eduard? Sage es mir, wenn ich nicht das Aergſte fürchten ſoll, wenn Du mich genug liebſt, mich mit Dir leiden zu laſſen.“ „Du weißt es“, antwortete Clara, „aber gerade darum laß mich davon ſchweigen. Helfen kannſt Du mir nicht, Niemand kann es, und das Einzige, was Du für mich thun ſollſt, iſt, mich mit Eduard ein paar Minuten allein zu laſſen, wenn er heute herauskommt. Willſt Du das?“ Jenny verſprach es, und traurig ſaßen ſie lange beiſammen, bis der Hufſchlag eines Pfer- des die Ankunft eines Reiters verkündete und nach einer Pauſe banger Erwartung Herr Meier

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Zitationshilfe: Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 2. Leipzig, 1843, S. 4. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny02_1843/14>, abgerufen am 29.03.2024.