Aus dieser gewohnten Denkart hatte ihr Ver- hältniß zu Reinhard sie gerissen, und so sehr sie Reinhard's Charakter ehrte, so erschreckte sie doch oft der strenge Ernst, den er selbst auf die unbedeutendsten Verhältnisse angewendet wissen wollte. Jetzt besonders, als sie angst- voll mit den Zweifeln gerungen, die der Ueber- tritt zum Christenthum in ihr hervorgerufen, hatte Erlau, ihre trübe Stimmung bemerkend, mit unermüdlicher Gefälligkeit täglich auf ir- gend eine kleine Zerstreuung für sie gedacht. Er sah sie leiden; er bemerkte, daß seine Ge- sellschaft ihr willkommen sei, und ohne die Quelle ihres Kummers entdecken zu wollen, war er glücklich, ihr Alles zu gewähren, was sie zu bedürfen schien. Je ernster er sie sah, um so mehr strebte er, sie mit sich auf die heitere Höhe des Daseins zu führen, auf der ihn seine poetische Seele und die Freiheit des wahren Künstlerlebens stellten. Seine Bemü-
Aus dieſer gewohnten Denkart hatte ihr Ver- hältniß zu Reinhard ſie geriſſen, und ſo ſehr ſie Reinhard's Charakter ehrte, ſo erſchreckte ſie doch oft der ſtrenge Ernſt, den er ſelbſt auf die unbedeutendſten Verhältniſſe angewendet wiſſen wollte. Jetzt beſonders, als ſie angſt- voll mit den Zweifeln gerungen, die der Ueber- tritt zum Chriſtenthum in ihr hervorgerufen, hatte Erlau, ihre trübe Stimmung bemerkend, mit unermüdlicher Gefälligkeit täglich auf ir- gend eine kleine Zerſtreuung für ſie gedacht. Er ſah ſie leiden; er bemerkte, daß ſeine Ge- ſellſchaft ihr willkommen ſei, und ohne die Quelle ihres Kummers entdecken zu wollen, war er glücklich, ihr Alles zu gewähren, was ſie zu bedürfen ſchien. Je ernſter er ſie ſah, um ſo mehr ſtrebte er, ſie mit ſich auf die heitere Höhe des Daſeins zu führen, auf der ihn ſeine poetiſche Seele und die Freiheit des wahren Künſtlerlebens ſtellten. Seine Bemü-
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Aus dieſer gewohnten Denkart hatte ihr Ver-
hältniß zu Reinhard ſie geriſſen, und ſo ſehr
ſie Reinhard's Charakter ehrte, ſo erſchreckte
ſie doch oft der ſtrenge Ernſt, den er ſelbſt auf
die unbedeutendſten Verhältniſſe angewendet
wiſſen wollte. Jetzt beſonders, als ſie angſt-
voll mit den Zweifeln gerungen, die der Ueber-
tritt zum Chriſtenthum in ihr hervorgerufen,
hatte Erlau, ihre trübe Stimmung bemerkend,
mit unermüdlicher Gefälligkeit täglich auf ir-
gend eine kleine Zerſtreuung für ſie gedacht.
Er ſah ſie leiden; er bemerkte, daß ſeine Ge-
ſellſchaft ihr willkommen ſei, und ohne die
Quelle ihres Kummers entdecken zu wollen,
war er glücklich, ihr Alles zu gewähren, was
ſie zu bedürfen ſchien. Je ernſter er ſie ſah,
um ſo mehr ſtrebte er, ſie mit ſich auf die
heitere Höhe des Daſeins zu führen, auf der
ihn ſeine poetiſche Seele und die Freiheit des
wahren Künſtlerlebens ſtellten. Seine Bemü-
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Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 1. Leipzig, 1843, S. 403. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny01_1843/411>, abgerufen am 25.11.2024.
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