hungen waren nicht ohne Wirkung auf sie ge- blieben, nun sollte auch dieser Trost ihr ge- nommen werden. Es war ihr, als ob mit Er- lau der Genius ihrer fröhlichen Jugend von ihr scheide. Sie hatte ihn lieb gehabt, mehr als sie geglaubt, denn ihm hatte sie sich gleich- gefühlt und nie gescheut, sich ihm in aller Er- centricität zu zeigen, zu welcher der Augen- blick sie gerade hingerissen hatte. Er war dem erwachsenen Mädchen ein lieber treuer Spiel- gefährte gewesen, und wehmütig schlug sie die Hände zusammen, und sagte: "Ach! das Le- ben wird immer ernster", als Erlau sie verlas- sen hatte.
Und wirklich schien es, als ob sie niemals zur Ruhe kommen sollte. Kaum war es ihr gelungen, mit sich über den Schritt einig zu werden, den sie jetzt durch die Taufe thun wollte, und schon drang neues Wirrniß auf sie ein. Von Erlau's Abschied, das fühlte sie,
hungen waren nicht ohne Wirkung auf ſie ge- blieben, nun ſollte auch dieſer Troſt ihr ge- nommen werden. Es war ihr, als ob mit Er- lau der Genius ihrer fröhlichen Jugend von ihr ſcheide. Sie hatte ihn lieb gehabt, mehr als ſie geglaubt, denn ihm hatte ſie ſich gleich- gefühlt und nie geſcheut, ſich ihm in aller Er- centricität zu zeigen, zu welcher der Augen- blick ſie gerade hingeriſſen hatte. Er war dem erwachſenen Mädchen ein lieber treuer Spiel- gefährte geweſen, und wehmütig ſchlug ſie die Hände zuſammen, und ſagte: „Ach! das Le- ben wird immer ernſter“, als Erlau ſie verlaſ- ſen hatte.
Und wirklich ſchien es, als ob ſie niemals zur Ruhe kommen ſollte. Kaum war es ihr gelungen, mit ſich über den Schritt einig zu werden, den ſie jetzt durch die Taufe thun wollte, und ſchon drang neues Wirrniß auf ſie ein. Von Erlau's Abſchied, das fühlte ſie,
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hungen waren nicht ohne Wirkung auf ſie ge-
blieben, nun ſollte auch dieſer Troſt ihr ge-
nommen werden. Es war ihr, als ob mit Er-
lau der Genius ihrer fröhlichen Jugend von
ihr ſcheide. Sie hatte ihn lieb gehabt, mehr
als ſie geglaubt, denn ihm hatte ſie ſich gleich-
gefühlt und nie geſcheut, ſich ihm in aller Er-
centricität zu zeigen, zu welcher der Augen-
blick ſie gerade hingeriſſen hatte. Er war dem
erwachſenen Mädchen ein lieber treuer Spiel-
gefährte geweſen, und wehmütig ſchlug ſie die
Hände zuſammen, und ſagte: „Ach! das Le-
ben wird immer ernſter“, als Erlau ſie verlaſ-
ſen hatte.
Und wirklich ſchien es, als ob ſie niemals
zur Ruhe kommen ſollte. Kaum war es ihr
gelungen, mit ſich über den Schritt einig zu
werden, den ſie jetzt durch die Taufe thun
wollte, und ſchon drang neues Wirrniß auf
ſie ein. Von Erlau's Abſchied, das fühlte ſie,
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Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 1. Leipzig, 1843, S. 404. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny01_1843/412>, abgerufen am 16.02.2025.
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