"Von Dir spreche ich gar nicht", sagte der Vater ruhig, "Du bist ein Mann!"
"Aber Clara! meine arme Clara! an sie denke, Vater! an ihr Leiden! was soll aus ihr werden?" fragte Eduard im Tone des tief- sten Schmerzes.
"William's Frau! wenn es irgend mit ihrer Neigung zu vermitteln ist", antwortete der Vater, und fuhr, ohne auf Eduard's Entsetzen bei dem Ausspruch zu achten, in seiner gewohn- ten Art fort. "Ich gehöre zu den Leuten, welche glauben, der herbe Kelch, den uns das Leben bisweilen kredenzt, muß ganz und schnell geleert werden, wenn wir es uns nicht schwe- rer machen wollen, als es leider ohnehin ist. Darum stehe ich keinen Augenblick an, Dir zu sagen, Clara ist für Dich verloren, sie ist un- glücklich, wie Du -- vielleicht noch mehr -- aber damit ist Euer Leben nicht beendet. Gerade Clara gehört zu den Frauen, die ihr Glück in
„Von Dir ſpreche ich gar nicht“, ſagte der Vater ruhig, „Du biſt ein Mann!“
„Aber Clara! meine arme Clara! an ſie denke, Vater! an ihr Leiden! was ſoll aus ihr werden?“ fragte Eduard im Tone des tief- ſten Schmerzes.
„William's Frau! wenn es irgend mit ihrer Neigung zu vermitteln iſt“, antwortete der Vater, und fuhr, ohne auf Eduard's Entſetzen bei dem Ausſpruch zu achten, in ſeiner gewohn- ten Art fort. „Ich gehöre zu den Leuten, welche glauben, der herbe Kelch, den uns das Leben bisweilen kredenzt, muß ganz und ſchnell geleert werden, wenn wir es uns nicht ſchwe- rer machen wollen, als es leider ohnehin iſt. Darum ſtehe ich keinen Augenblick an, Dir zu ſagen, Clara iſt für Dich verloren, ſie iſt un- glücklich, wie Du — vielleicht noch mehr — aber damit iſt Euer Leben nicht beendet. Gerade Clara gehört zu den Frauen, die ihr Glück in
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„Von Dir ſpreche ich gar nicht“, ſagte der
Vater ruhig, „Du biſt ein Mann!“
„Aber Clara! meine arme Clara! an ſie
denke, Vater! an ihr Leiden! was ſoll aus
ihr werden?“ fragte Eduard im Tone des tief-
ſten Schmerzes.
„William's Frau! wenn es irgend mit ihrer
Neigung zu vermitteln iſt“, antwortete der
Vater, und fuhr, ohne auf Eduard's Entſetzen
bei dem Ausſpruch zu achten, in ſeiner gewohn-
ten Art fort. „Ich gehöre zu den Leuten,
welche glauben, der herbe Kelch, den uns das
Leben bisweilen kredenzt, muß ganz und ſchnell
geleert werden, wenn wir es uns nicht ſchwe-
rer machen wollen, als es leider ohnehin iſt.
Darum ſtehe ich keinen Augenblick an, Dir zu
ſagen, Clara iſt für Dich verloren, ſie iſt un-
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Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 1. Leipzig, 1843, S. 386. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny01_1843/394>, abgerufen am 23.11.2024.
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