Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 1. Leipzig, 1843.

Bild:
<< vorherige Seite

den Stunden, welche ihm seine Praxis frei
ließ, ganz in seine Wohnung zurück und kam
auch nur des Mittags zu den Seinen, weil in
dieser Stimmung ihm selbst der Umgang mit
seiner Familie zur Beschwerde wurde.

So mochten etwa acht Tage vergangen
sein. Er saß Abends an den geöffneten Fen-
stern seines Zimmers und sah, in tiefe Ge-
danken versunken, nichts von der Pracht des
Frühlings, dessen lieblichste Blumen in dem
Garten, der das Haus nach dem Hafen hin
begrenzte, sich zu entfalten anfingen. Lebhaft
erinnerte er sich jener Winternacht, in der die-
selbe hoffnungslose Liebe ihn in Sturm und
Wetter hinausgetrieben hatte, und der leiden-
schaftlich erregte Zustand jener Stunde schien
ihm beneidenswerth gegen die Muthlosigkeit,
welche er jetzt empfand, und aus der ihn, wie
er wähnte, nichts empor zu rütteln ver-
mochte. Da pochte es an seine Thüre, und

den Stunden, welche ihm ſeine Praxis frei
ließ, ganz in ſeine Wohnung zurück und kam
auch nur des Mittags zu den Seinen, weil in
dieſer Stimmung ihm ſelbſt der Umgang mit
ſeiner Familie zur Beſchwerde wurde.

So mochten etwa acht Tage vergangen
ſein. Er ſaß Abends an den geöffneten Fen-
ſtern ſeines Zimmers und ſah, in tiefe Ge-
danken verſunken, nichts von der Pracht des
Frühlings, deſſen lieblichſte Blumen in dem
Garten, der das Haus nach dem Hafen hin
begrenzte, ſich zu entfalten anfingen. Lebhaft
erinnerte er ſich jener Winternacht, in der die-
ſelbe hoffnungsloſe Liebe ihn in Sturm und
Wetter hinausgetrieben hatte, und der leiden-
ſchaftlich erregte Zuſtand jener Stunde ſchien
ihm beneidenswerth gegen die Muthloſigkeit,
welche er jetzt empfand, und aus der ihn, wie
er wähnte, nichts empor zu rütteln ver-
mochte. Da pochte es an ſeine Thüre, und

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0364" n="356"/>
den Stunden, welche ihm &#x017F;eine Praxis frei<lb/>
ließ, ganz in &#x017F;eine Wohnung zurück und kam<lb/>
auch nur des Mittags zu den Seinen, weil in<lb/>
die&#x017F;er Stimmung ihm &#x017F;elb&#x017F;t der Umgang mit<lb/>
&#x017F;einer Familie zur Be&#x017F;chwerde wurde.</p><lb/>
        <p>So mochten etwa acht Tage vergangen<lb/>
&#x017F;ein. Er &#x017F;aß Abends an den geöffneten Fen-<lb/>
&#x017F;tern &#x017F;eines Zimmers und &#x017F;ah, in tiefe Ge-<lb/>
danken ver&#x017F;unken, nichts von der Pracht des<lb/>
Frühlings, de&#x017F;&#x017F;en lieblich&#x017F;te Blumen in dem<lb/>
Garten, der das Haus nach dem Hafen hin<lb/>
begrenzte, &#x017F;ich zu entfalten anfingen. Lebhaft<lb/>
erinnerte er &#x017F;ich jener Winternacht, in der die-<lb/>
&#x017F;elbe hoffnungslo&#x017F;e Liebe ihn in Sturm und<lb/>
Wetter hinausgetrieben hatte, und der leiden-<lb/>
&#x017F;chaftlich erregte Zu&#x017F;tand jener Stunde &#x017F;chien<lb/>
ihm beneidenswerth gegen die Muthlo&#x017F;igkeit,<lb/>
welche er jetzt empfand, und aus der ihn, wie<lb/>
er wähnte, nichts empor zu rütteln ver-<lb/>
mochte. Da pochte es an &#x017F;eine Thüre, und<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[356/0364] den Stunden, welche ihm ſeine Praxis frei ließ, ganz in ſeine Wohnung zurück und kam auch nur des Mittags zu den Seinen, weil in dieſer Stimmung ihm ſelbſt der Umgang mit ſeiner Familie zur Beſchwerde wurde. So mochten etwa acht Tage vergangen ſein. Er ſaß Abends an den geöffneten Fen- ſtern ſeines Zimmers und ſah, in tiefe Ge- danken verſunken, nichts von der Pracht des Frühlings, deſſen lieblichſte Blumen in dem Garten, der das Haus nach dem Hafen hin begrenzte, ſich zu entfalten anfingen. Lebhaft erinnerte er ſich jener Winternacht, in der die- ſelbe hoffnungsloſe Liebe ihn in Sturm und Wetter hinausgetrieben hatte, und der leiden- ſchaftlich erregte Zuſtand jener Stunde ſchien ihm beneidenswerth gegen die Muthloſigkeit, welche er jetzt empfand, und aus der ihn, wie er wähnte, nichts empor zu rütteln ver- mochte. Da pochte es an ſeine Thüre, und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny01_1843
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny01_1843/364
Zitationshilfe: Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 1. Leipzig, 1843, S. 356. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny01_1843/364>, abgerufen am 14.05.2024.