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Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 1. Leipzig, 1843.

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es trat ein Bote herein, der ihm ein gro-
ßes, mit stattlichem Petschaft gesiegeltes Pak-
ket überreichte. Eduard nahm es ab; seine
Hände bebten; mit fliegender Eile erbrach er
es, näherte sich dem Fenster, um bei den letz-
ten Strahlen des Tages die feste, deutliche
Schrift zu lesen -- dann entfiel das Blatt
seinen Händen und lautlos warf er sich in
einen Sessel.

Es war entschieden. Der Jude durfte nicht
auf das Glück hoffen, die Geliebte zu besitzen.
Und was nun beginnen?

Er hörte über seinem Haupte, in den obern
Zimmern, Stühle hin und wieder rücken; er
sah empor, es war Nacht geworden. Man
stand vermuthlich bei seinen Eltern von der
Abendmahlzeit auf. Er hatte also mehrere
Stunden in dumpfem Brüten verbracht und
kein kräftigender Gedanke war erleuchtend in

es trat ein Bote herein, der ihm ein gro-
ßes, mit ſtattlichem Petſchaft geſiegeltes Pak-
ket überreichte. Eduard nahm es ab; ſeine
Hände bebten; mit fliegender Eile erbrach er
es, näherte ſich dem Fenſter, um bei den letz-
ten Strahlen des Tages die feſte, deutliche
Schrift zu leſen — dann entfiel das Blatt
ſeinen Händen und lautlos warf er ſich in
einen Seſſel.

Es war entſchieden. Der Jude durfte nicht
auf das Glück hoffen, die Geliebte zu beſitzen.
Und was nun beginnen?

Er hörte über ſeinem Haupte, in den obern
Zimmern, Stühle hin und wieder rücken; er
ſah empor, es war Nacht geworden. Man
ſtand vermuthlich bei ſeinen Eltern von der
Abendmahlzeit auf. Er hatte alſo mehrere
Stunden in dumpfem Brüten verbracht und
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[357/0365] es trat ein Bote herein, der ihm ein gro- ßes, mit ſtattlichem Petſchaft geſiegeltes Pak- ket überreichte. Eduard nahm es ab; ſeine Hände bebten; mit fliegender Eile erbrach er es, näherte ſich dem Fenſter, um bei den letz- ten Strahlen des Tages die feſte, deutliche Schrift zu leſen — dann entfiel das Blatt ſeinen Händen und lautlos warf er ſich in einen Seſſel. Es war entſchieden. Der Jude durfte nicht auf das Glück hoffen, die Geliebte zu beſitzen. Und was nun beginnen? Er hörte über ſeinem Haupte, in den obern Zimmern, Stühle hin und wieder rücken; er ſah empor, es war Nacht geworden. Man ſtand vermuthlich bei ſeinen Eltern von der Abendmahlzeit auf. Er hatte alſo mehrere Stunden in dumpfem Brüten verbracht und kein kräftigender Gedanke war erleuchtend in

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Zitationshilfe: Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 1. Leipzig, 1843, S. 357. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny01_1843/365>, abgerufen am 24.11.2024.