der Uhr, der sich ruhig und langsam von Se- kunde zu Sekunde fortbewegte, während ihr Ohr ebenso ängstlich auf jeden Ton lauschte, der von der Straße heraufschallte.
"Ich begreife nicht, wo Clara bleibt", sagte nach einer Weile peinlicher Erwartung die Commerzienräthin.
"Die Zeit vergeht, die Zeit vergeht, und mein Vater stirbt!" fiel William, der nur den Einen Gedanken hatte, ihr tonlos ins Wort. "Denken Sie, Tante, jede Minute Aufschub kann mir die Möglichkeit rauben, den Vater zu sehen, den ich mehr als Alles liebe, und trennt mich von Clara, ohne daß ich sie gesprochen, ohne daß sie weiß, wie ich sie anbete!" --
Ermüdet von innerer Erregung warf sich der junge Mann in einen Stuhl. Da athmete die Commerzienräthin tief auf, ein siegreiches
der Uhr, der ſich ruhig und langſam von Se- kunde zu Sekunde fortbewegte, während ihr Ohr ebenſo ängſtlich auf jeden Ton lauſchte, der von der Straße heraufſchallte.
„Ich begreife nicht, wo Clara bleibt“, ſagte nach einer Weile peinlicher Erwartung die Commerzienräthin.
„Die Zeit vergeht, die Zeit vergeht, und mein Vater ſtirbt!“ fiel William, der nur den Einen Gedanken hatte, ihr tonlos ins Wort. „Denken Sie, Tante, jede Minute Aufſchub kann mir die Möglichkeit rauben, den Vater zu ſehen, den ich mehr als Alles liebe, und trennt mich von Clara, ohne daß ich ſie geſprochen, ohne daß ſie weiß, wie ich ſie anbete!“ —
Ermüdet von innerer Erregung warf ſich der junge Mann in einen Stuhl. Da athmete die Commerzienräthin tief auf, ein ſiegreiches
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0302"n="290"/>
der Uhr, der ſich ruhig und langſam von Se-<lb/>
kunde zu Sekunde fortbewegte, während ihr<lb/>
Ohr ebenſo ängſtlich auf jeden Ton lauſchte,<lb/>
der von der Straße heraufſchallte.</p><lb/><p>„Ich begreife nicht, wo Clara bleibt“, ſagte<lb/>
nach einer Weile peinlicher Erwartung die<lb/>
Commerzienräthin.</p><lb/><p>„Die Zeit vergeht, die Zeit vergeht, und<lb/>
mein Vater ſtirbt!“ fiel William, der nur den<lb/>
Einen Gedanken hatte, ihr tonlos ins Wort.<lb/>„Denken Sie, Tante, jede Minute Aufſchub<lb/>
kann mir die Möglichkeit rauben, den Vater<lb/>
zu ſehen, den ich mehr als Alles liebe, und<lb/>
trennt mich von Clara, ohne daß ich ſie<lb/>
geſprochen, ohne daß ſie weiß, wie ich ſie<lb/>
anbete!“—</p><lb/><p>Ermüdet von innerer Erregung warf ſich<lb/>
der junge Mann in einen Stuhl. Da athmete<lb/>
die Commerzienräthin tief auf, ein ſiegreiches<lb/></p></div></body></text></TEI>
[290/0302]
der Uhr, der ſich ruhig und langſam von Se-
kunde zu Sekunde fortbewegte, während ihr
Ohr ebenſo ängſtlich auf jeden Ton lauſchte,
der von der Straße heraufſchallte.
„Ich begreife nicht, wo Clara bleibt“, ſagte
nach einer Weile peinlicher Erwartung die
Commerzienräthin.
„Die Zeit vergeht, die Zeit vergeht, und
mein Vater ſtirbt!“ fiel William, der nur den
Einen Gedanken hatte, ihr tonlos ins Wort.
„Denken Sie, Tante, jede Minute Aufſchub
kann mir die Möglichkeit rauben, den Vater
zu ſehen, den ich mehr als Alles liebe, und
trennt mich von Clara, ohne daß ich ſie
geſprochen, ohne daß ſie weiß, wie ich ſie
anbete!“ —
Ermüdet von innerer Erregung warf ſich
der junge Mann in einen Stuhl. Da athmete
die Commerzienräthin tief auf, ein ſiegreiches
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 1. Leipzig, 1843, S. 290. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny01_1843/302>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.