Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 1. Leipzig, 1843.

Bild:
<< vorherige Seite

ich heute das Bild und diese Personen zu dem
Bilde; und ich wollte, Bendemann selbst hätte
es gesehen. Da er sich hoffentlich nicht schämt,
ein Jude zu sein, hätte er an dieser Darstel-
lung vielleicht den Muth gewonnen, Juden zu
malen; denn, unter uns gesagt, feig sind die
Juden doch!" --

"Mombray Du lügst!" rief Steinheim's
Stimme dazwischen, der, mit Edurard eintre-
tend, die letzten Worte hörte.

"Leider lügt er nicht", sagte Eduard ernst-
haft, "wenn er von moralischem Muthe spricht.
Denn jene sogenannte Courage, die jeder Rauf-
bold in sich erzwingt, um während eines
Duells oder sonst einer Viertelstunde Parade
zu machen, die schlage ich sehr gering an. Der
Feigste, wenn er nur eitel genug ist, sich zu
schämen, bringt das zu Stande. Aber der
moralische Muth, der fehlt uns. Jahrhunderte
lang hat die Sklaverei auf uns gelegen und

ich heute das Bild und dieſe Perſonen zu dem
Bilde; und ich wollte, Bendemann ſelbſt hätte
es geſehen. Da er ſich hoffentlich nicht ſchämt,
ein Jude zu ſein, hätte er an dieſer Darſtel-
lung vielleicht den Muth gewonnen, Juden zu
malen; denn, unter uns geſagt, feig ſind die
Juden doch!“ —

„Mombray Du lügſt!“ rief Steinheim's
Stimme dazwiſchen, der, mit Edurard eintre-
tend, die letzten Worte hörte.

„Leider lügt er nicht“, ſagte Eduard ernſt-
haft, „wenn er von moraliſchem Muthe ſpricht.
Denn jene ſogenannte Courage, die jeder Rauf-
bold in ſich erzwingt, um während eines
Duells oder ſonſt einer Viertelſtunde Parade
zu machen, die ſchlage ich ſehr gering an. Der
Feigſte, wenn er nur eitel genug iſt, ſich zu
ſchämen, bringt das zu Stande. Aber der
moraliſche Muth, der fehlt uns. Jahrhunderte
lang hat die Sklaverei auf uns gelegen und

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0273" n="261"/>
ich heute das Bild und die&#x017F;e Per&#x017F;onen zu dem<lb/>
Bilde; und ich wollte, Bendemann &#x017F;elb&#x017F;t hätte<lb/>
es ge&#x017F;ehen. Da er &#x017F;ich hoffentlich nicht &#x017F;chämt,<lb/>
ein Jude zu &#x017F;ein, hätte er an die&#x017F;er Dar&#x017F;tel-<lb/>
lung vielleicht den Muth gewonnen, Juden zu<lb/>
malen; denn, unter uns ge&#x017F;agt, feig &#x017F;ind die<lb/>
Juden doch!&#x201C; &#x2014;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Mombray Du lüg&#x017F;t!&#x201C; rief Steinheim's<lb/>
Stimme dazwi&#x017F;chen, der, mit Edurard eintre-<lb/>
tend, die letzten Worte hörte.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Leider lügt er nicht&#x201C;, &#x017F;agte Eduard ern&#x017F;t-<lb/>
haft, &#x201E;wenn er von morali&#x017F;chem Muthe &#x017F;pricht.<lb/>
Denn jene &#x017F;ogenannte Courage, die jeder Rauf-<lb/>
bold in &#x017F;ich erzwingt, um während eines<lb/>
Duells oder &#x017F;on&#x017F;t einer Viertel&#x017F;tunde Parade<lb/>
zu machen, die &#x017F;chlage ich &#x017F;ehr gering an. Der<lb/>
Feig&#x017F;te, wenn er nur eitel genug i&#x017F;t, &#x017F;ich zu<lb/>
&#x017F;chämen, bringt das zu Stande. Aber der<lb/>
morali&#x017F;che Muth, der fehlt uns. Jahrhunderte<lb/>
lang hat die Sklaverei auf uns gelegen und<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[261/0273] ich heute das Bild und dieſe Perſonen zu dem Bilde; und ich wollte, Bendemann ſelbſt hätte es geſehen. Da er ſich hoffentlich nicht ſchämt, ein Jude zu ſein, hätte er an dieſer Darſtel- lung vielleicht den Muth gewonnen, Juden zu malen; denn, unter uns geſagt, feig ſind die Juden doch!“ — „Mombray Du lügſt!“ rief Steinheim's Stimme dazwiſchen, der, mit Edurard eintre- tend, die letzten Worte hörte. „Leider lügt er nicht“, ſagte Eduard ernſt- haft, „wenn er von moraliſchem Muthe ſpricht. Denn jene ſogenannte Courage, die jeder Rauf- bold in ſich erzwingt, um während eines Duells oder ſonſt einer Viertelſtunde Parade zu machen, die ſchlage ich ſehr gering an. Der Feigſte, wenn er nur eitel genug iſt, ſich zu ſchämen, bringt das zu Stande. Aber der moraliſche Muth, der fehlt uns. Jahrhunderte lang hat die Sklaverei auf uns gelegen und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny01_1843
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny01_1843/273
Zitationshilfe: Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 1. Leipzig, 1843, S. 261. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny01_1843/273>, abgerufen am 13.05.2024.