Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 1. Leipzig, 1843.

Bild:
<< vorherige Seite

Zeiger der Uhr sah, und die Straße betrachtete,
um endlich Clara und Hughes zu entdecken. Da
rollte eine leichte Gigue über das Pflaster, hielt
vor dem Meierschen Hause, die Thorflügel öff-
neten sich, der Portier zog die Glocke, und
Eduard flog die Treppe hinunter, um die Ge-
liebte selbst zu seiner Familie zu geleiten. Jenny
kam ihr bis in das Vorzimmer entgegen, die
Mädchen umarmten sich auf Mädchenart mit
zärtlichen Küssen, das alte, trauliche "Du"
der längst verflossenen Schulzeit wurde hervor-
gesucht, und es vergingen mehrere Minuten,
ehe Clara in das Wohnzimmer zu Madame
Meier kam. Clara war wunderschön an dem
Tage. Sie trug ein hohes Kleid von seegrüner
Seide, das eng anliegend die hohe, volle Ge-
stalt markirte, ohne die feine Taille zu verber-
gen; ein kleiner schwarzer Sammethut hob die
frische Röthe, den zarten Teint des Gesichtes
nur mehr hervor, und stach schön gegen die

Zeiger der Uhr ſah, und die Straße betrachtete,
um endlich Clara und Hughes zu entdecken. Da
rollte eine leichte Gigue über das Pflaſter, hielt
vor dem Meierſchen Hauſe, die Thorflügel öff-
neten ſich, der Portier zog die Glocke, und
Eduard flog die Treppe hinunter, um die Ge-
liebte ſelbſt zu ſeiner Familie zu geleiten. Jenny
kam ihr bis in das Vorzimmer entgegen, die
Mädchen umarmten ſich auf Mädchenart mit
zärtlichen Küſſen, das alte, trauliche „Du“
der längſt verfloſſenen Schulzeit wurde hervor-
geſucht, und es vergingen mehrere Minuten,
ehe Clara in das Wohnzimmer zu Madame
Meier kam. Clara war wunderſchön an dem
Tage. Sie trug ein hohes Kleid von ſeegrüner
Seide, das eng anliegend die hohe, volle Ge-
ſtalt markirte, ohne die feine Taille zu verber-
gen; ein kleiner ſchwarzer Sammethut hob die
friſche Röthe, den zarten Teint des Geſichtes
nur mehr hervor, und ſtach ſchön gegen die

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0203" n="191"/>
Zeiger der Uhr &#x017F;ah, und die Straße betrachtete,<lb/>
um endlich Clara und Hughes zu entdecken. Da<lb/>
rollte eine leichte Gigue über das Pfla&#x017F;ter, hielt<lb/>
vor dem Meier&#x017F;chen Hau&#x017F;e, die Thorflügel öff-<lb/>
neten &#x017F;ich, der Portier zog die Glocke, und<lb/>
Eduard flog die Treppe hinunter, um die Ge-<lb/>
liebte &#x017F;elb&#x017F;t zu &#x017F;einer Familie zu geleiten. Jenny<lb/>
kam ihr bis in das Vorzimmer entgegen, die<lb/>
Mädchen umarmten &#x017F;ich auf Mädchenart mit<lb/>
zärtlichen Kü&#x017F;&#x017F;en, das alte, trauliche &#x201E;Du&#x201C;<lb/>
der läng&#x017F;t verflo&#x017F;&#x017F;enen Schulzeit wurde hervor-<lb/>
ge&#x017F;ucht, und es vergingen mehrere Minuten,<lb/>
ehe Clara in das Wohnzimmer zu Madame<lb/>
Meier kam. Clara war wunder&#x017F;chön an dem<lb/>
Tage. Sie trug ein hohes Kleid von &#x017F;eegrüner<lb/>
Seide, das eng anliegend die hohe, volle Ge-<lb/>
&#x017F;talt markirte, ohne die feine Taille zu verber-<lb/>
gen; ein kleiner &#x017F;chwarzer Sammethut hob die<lb/>
fri&#x017F;che Röthe, den zarten Teint des Ge&#x017F;ichtes<lb/>
nur mehr hervor, und &#x017F;tach &#x017F;chön gegen die<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[191/0203] Zeiger der Uhr ſah, und die Straße betrachtete, um endlich Clara und Hughes zu entdecken. Da rollte eine leichte Gigue über das Pflaſter, hielt vor dem Meierſchen Hauſe, die Thorflügel öff- neten ſich, der Portier zog die Glocke, und Eduard flog die Treppe hinunter, um die Ge- liebte ſelbſt zu ſeiner Familie zu geleiten. Jenny kam ihr bis in das Vorzimmer entgegen, die Mädchen umarmten ſich auf Mädchenart mit zärtlichen Küſſen, das alte, trauliche „Du“ der längſt verfloſſenen Schulzeit wurde hervor- geſucht, und es vergingen mehrere Minuten, ehe Clara in das Wohnzimmer zu Madame Meier kam. Clara war wunderſchön an dem Tage. Sie trug ein hohes Kleid von ſeegrüner Seide, das eng anliegend die hohe, volle Ge- ſtalt markirte, ohne die feine Taille zu verber- gen; ein kleiner ſchwarzer Sammethut hob die friſche Röthe, den zarten Teint des Geſichtes nur mehr hervor, und ſtach ſchön gegen die

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny01_1843
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny01_1843/203
Zitationshilfe: Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 1. Leipzig, 1843, S. 191. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny01_1843/203>, abgerufen am 25.11.2024.