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Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 1. Leipzig, 1843.

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machen auf Jenny's Charakter, über die Scheu,
ihm augenblicklich wehe zu thun.

"Ich habe Jenny sehr lieb", sagte sie, "und
die kindliche Freundlichkeit, die Hingebung, die
sie mir immer zeigt, verdienen meinen wärmsten
Dank. Sie, so klug, so schön und gut, muß
der Stolz jeder Mutter sein." -- Reinhard's
Gesicht leuchtete vor Freude und ein feuriger
Händedruck lohnte seiner Mutter diese Anerken-
nung. "Doch", fuhr die Pfarrerin fort, "täusche
Dich nicht, Gustav! Jenny hat Fehler, für die
sie nicht verantwortlich ist, weil sie gewisser-
maßen nationell sind, und die die Mehrzahl der
sogenannten gebildeten jüdischen Frauen, mehr
oder weniger alle, mit ihr theilen. Die Leb-
haftigkeit, das südliche Feuer der Juden fällt
bei der Hefe der Nation als eine unerträgliche
Manier auf. Ihr Sprechen, ihre Geberden sind
carrikirt. Davon ist der Gebildete frei, die un-
ruhige Lebhaftigkeit indessen bleibt ein hervor-

machen auf Jenny's Charakter, über die Scheu,
ihm augenblicklich wehe zu thun.

„Ich habe Jenny ſehr lieb“, ſagte ſie, „und
die kindliche Freundlichkeit, die Hingebung, die
ſie mir immer zeigt, verdienen meinen wärmſten
Dank. Sie, ſo klug, ſo ſchön und gut, muß
der Stolz jeder Mutter ſein.“ — Reinhard's
Geſicht leuchtete vor Freude und ein feuriger
Händedruck lohnte ſeiner Mutter dieſe Anerken-
nung. „Doch“, fuhr die Pfarrerin fort, „täuſche
Dich nicht, Guſtav! Jenny hat Fehler, für die
ſie nicht verantwortlich iſt, weil ſie gewiſſer-
maßen nationell ſind, und die die Mehrzahl der
ſogenannten gebildeten jüdiſchen Frauen, mehr
oder weniger alle, mit ihr theilen. Die Leb-
haftigkeit, das ſüdliche Feuer der Juden fällt
bei der Hefe der Nation als eine unerträgliche
Manier auf. Ihr Sprechen, ihre Geberden ſind
carrikirt. Davon iſt der Gebildete frei, die un-
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[181/0193] machen auf Jenny's Charakter, über die Scheu, ihm augenblicklich wehe zu thun. „Ich habe Jenny ſehr lieb“, ſagte ſie, „und die kindliche Freundlichkeit, die Hingebung, die ſie mir immer zeigt, verdienen meinen wärmſten Dank. Sie, ſo klug, ſo ſchön und gut, muß der Stolz jeder Mutter ſein.“ — Reinhard's Geſicht leuchtete vor Freude und ein feuriger Händedruck lohnte ſeiner Mutter dieſe Anerken- nung. „Doch“, fuhr die Pfarrerin fort, „täuſche Dich nicht, Guſtav! Jenny hat Fehler, für die ſie nicht verantwortlich iſt, weil ſie gewiſſer- maßen nationell ſind, und die die Mehrzahl der ſogenannten gebildeten jüdiſchen Frauen, mehr oder weniger alle, mit ihr theilen. Die Leb- haftigkeit, das ſüdliche Feuer der Juden fällt bei der Hefe der Nation als eine unerträgliche Manier auf. Ihr Sprechen, ihre Geberden ſind carrikirt. Davon iſt der Gebildete frei, die un- ruhige Lebhaftigkeit indeſſen bleibt ein hervor-

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Zitationshilfe: Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 1. Leipzig, 1843, S. 181. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny01_1843/193>, abgerufen am 28.04.2024.