tauchte einst plötzlich in ihr der Entschluß auf, Reinhard's Zweifeln, die ihrer Meinung nach nur aus dem verschiedenen Glauben entspringen konnten, ein Ende zu machen, und zugleich dem Geliebten einen überzeugenden Beweis ihrer Liebe zu geben, indem sie sich von der Religion ihrer Väter, ihrer Eltern trennte, und zum Christenthume überträte, dessen Lehren ihr durch Reinhard lieb geworden waren. Dieser Vor- satz, einmal gefaßt, kam ihr nicht mehr aus dem Sinn. Therese, der sie ihn zuerst als das tiefste Geheimniß mittheilte, ohne jedoch die wahren Motive anzugeben, zerfloß in Thränen der Freude bei dem Gedanken, daß ihr Jenny künftig auch durch den gleichen Glauben ange- hören wolle. Sie malte mit rührender In- brunst den Segen, der Jenny in dem Besuch der Kirche, in dem Genusse des heiligen Abend- mahls werden müsse; sie schilderte ihr die Ruhe, den Himmelsfrieden, den sie nach demselben em-
tauchte einſt plötzlich in ihr der Entſchluß auf, Reinhard's Zweifeln, die ihrer Meinung nach nur aus dem verſchiedenen Glauben entſpringen konnten, ein Ende zu machen, und zugleich dem Geliebten einen überzeugenden Beweis ihrer Liebe zu geben, indem ſie ſich von der Religion ihrer Väter, ihrer Eltern trennte, und zum Chriſtenthume überträte, deſſen Lehren ihr durch Reinhard lieb geworden waren. Dieſer Vor- ſatz, einmal gefaßt, kam ihr nicht mehr aus dem Sinn. Thereſe, der ſie ihn zuerſt als das tiefſte Geheimniß mittheilte, ohne jedoch die wahren Motive anzugeben, zerfloß in Thränen der Freude bei dem Gedanken, daß ihr Jenny künftig auch durch den gleichen Glauben ange- hören wolle. Sie malte mit rührender In- brunſt den Segen, der Jenny in dem Beſuch der Kirche, in dem Genuſſe des heiligen Abend- mahls werden müſſe; ſie ſchilderte ihr die Ruhe, den Himmelsfrieden, den ſie nach demſelben em-
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0171"n="159"/><lb/>
tauchte einſt plötzlich in ihr der Entſchluß auf,<lb/>
Reinhard's Zweifeln, die ihrer Meinung nach<lb/>
nur aus dem verſchiedenen Glauben entſpringen<lb/>
konnten, ein Ende zu machen, und zugleich dem<lb/>
Geliebten einen überzeugenden Beweis ihrer<lb/>
Liebe zu geben, indem ſie ſich von der Religion<lb/>
ihrer Väter, ihrer Eltern trennte, und zum<lb/>
Chriſtenthume überträte, deſſen Lehren ihr durch<lb/>
Reinhard lieb geworden waren. Dieſer Vor-<lb/>ſatz, einmal gefaßt, kam ihr nicht mehr aus<lb/>
dem Sinn. Thereſe, der ſie ihn zuerſt als das<lb/>
tiefſte Geheimniß mittheilte, ohne jedoch die<lb/>
wahren Motive anzugeben, zerfloß in Thränen<lb/>
der Freude bei dem Gedanken, daß ihr Jenny<lb/>
künftig auch durch den gleichen Glauben ange-<lb/>
hören wolle. Sie malte mit rührender In-<lb/>
brunſt den Segen, der Jenny in dem Beſuch<lb/>
der Kirche, in dem Genuſſe des heiligen Abend-<lb/>
mahls werden müſſe; ſie ſchilderte ihr die Ruhe,<lb/>
den Himmelsfrieden, den ſie nach demſelben em-<lb/></p></div></body></text></TEI>
[159/0171]
tauchte einſt plötzlich in ihr der Entſchluß auf,
Reinhard's Zweifeln, die ihrer Meinung nach
nur aus dem verſchiedenen Glauben entſpringen
konnten, ein Ende zu machen, und zugleich dem
Geliebten einen überzeugenden Beweis ihrer
Liebe zu geben, indem ſie ſich von der Religion
ihrer Väter, ihrer Eltern trennte, und zum
Chriſtenthume überträte, deſſen Lehren ihr durch
Reinhard lieb geworden waren. Dieſer Vor-
ſatz, einmal gefaßt, kam ihr nicht mehr aus
dem Sinn. Thereſe, der ſie ihn zuerſt als das
tiefſte Geheimniß mittheilte, ohne jedoch die
wahren Motive anzugeben, zerfloß in Thränen
der Freude bei dem Gedanken, daß ihr Jenny
künftig auch durch den gleichen Glauben ange-
hören wolle. Sie malte mit rührender In-
brunſt den Segen, der Jenny in dem Beſuch
der Kirche, in dem Genuſſe des heiligen Abend-
mahls werden müſſe; ſie ſchilderte ihr die Ruhe,
den Himmelsfrieden, den ſie nach demſelben em-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 1. Leipzig, 1843, S. 159. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny01_1843/171>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.