Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 1. Leipzig, 1843.

Bild:
<< vorherige Seite

den Lehren Jesu. Warum nicht einen Aber-
glauben gegen den andern vertauschen, und mit
der Geliebten vereint zu dem Wesen jenseits
beten und rein vor seinen Augen wandeln? --
rein und glücklich. -- So sprach die Stimme
der Liebe in ihm, und er wurde mild und
weich. Da tönte von einem englischen Schiffe
herüber "Rule Britania", das die Nachtwache
sang, um den Schlaf von den müden Augen
zu verscheuchen. Zerstreut hörte Eduard zu,
bis die Worte "Briton never shall be slaves"
sein Ohr berührten. "Ja", rief er, "sie sind
frei! und wir? -- mein armes, gedrücktes Volk,
ich sollte mich von dir trennen? mich von dir
trennen, weil du unglücklich bist? Tausend
Herzen sind unter barbarischen Vorurtheilen
zerdrückt worden, und ich wäre feig genug, für
mich zu zittern? für mich, dem außer der Liebe,
der ich entsagen muß, noch die theuren Seinen
bleiben, und der große Beruf, so viel ich ver-

I. 7

den Lehren Jeſu. Warum nicht einen Aber-
glauben gegen den andern vertauſchen, und mit
der Geliebten vereint zu dem Weſen jenſeits
beten und rein vor ſeinen Augen wandeln? —
rein und glücklich. — So ſprach die Stimme
der Liebe in ihm, und er wurde mild und
weich. Da tönte von einem engliſchen Schiffe
herüber „Rule Britania“, das die Nachtwache
ſang, um den Schlaf von den müden Augen
zu verſcheuchen. Zerſtreut hörte Eduard zu,
bis die Worte „Briton never shall be slaves“
ſein Ohr berührten. „Ja“, rief er, „ſie ſind
frei! und wir? — mein armes, gedrücktes Volk,
ich ſollte mich von dir trennen? mich von dir
trennen, weil du unglücklich biſt? Tauſend
Herzen ſind unter barbariſchen Vorurtheilen
zerdrückt worden, und ich wäre feig genug, für
mich zu zittern? für mich, dem außer der Liebe,
der ich entſagen muß, noch die theuren Seinen
bleiben, und der große Beruf, ſo viel ich ver-

I. 7
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0157" n="145"/>
den Lehren Je&#x017F;u. Warum nicht einen Aber-<lb/>
glauben gegen den andern vertau&#x017F;chen, und mit<lb/>
der Geliebten vereint zu dem We&#x017F;en jen&#x017F;eits<lb/>
beten und rein vor &#x017F;einen Augen wandeln? &#x2014;<lb/>
rein und glücklich. &#x2014; So &#x017F;prach die Stimme<lb/>
der Liebe in ihm, und er wurde mild und<lb/>
weich. Da tönte von einem engli&#x017F;chen Schiffe<lb/>
herüber <hi rendition="#aq"><hi rendition="#b">&#x201E;Rule Britania&#x201C;,</hi></hi> das die Nachtwache<lb/>
&#x017F;ang, um den Schlaf von den müden Augen<lb/>
zu ver&#x017F;cheuchen. Zer&#x017F;treut hörte Eduard zu,<lb/>
bis die Worte <hi rendition="#aq"><hi rendition="#b">&#x201E;Briton never shall be slaves&#x201C;</hi></hi><lb/>
&#x017F;ein Ohr berührten. &#x201E;Ja&#x201C;, rief er, &#x201E;&#x017F;ie &#x017F;ind<lb/>
frei! und wir? &#x2014; mein armes, gedrücktes Volk,<lb/>
ich &#x017F;ollte mich von dir trennen? mich von dir<lb/>
trennen, weil du unglücklich bi&#x017F;t? Tau&#x017F;end<lb/>
Herzen &#x017F;ind unter barbari&#x017F;chen Vorurtheilen<lb/>
zerdrückt worden, und ich wäre feig genug, für<lb/>
mich zu zittern? für mich, dem außer der Liebe,<lb/>
der ich ent&#x017F;agen muß, noch die theuren Seinen<lb/>
bleiben, und der große Beruf, &#x017F;o viel ich ver-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#b">I.</hi></hi> 7</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[145/0157] den Lehren Jeſu. Warum nicht einen Aber- glauben gegen den andern vertauſchen, und mit der Geliebten vereint zu dem Weſen jenſeits beten und rein vor ſeinen Augen wandeln? — rein und glücklich. — So ſprach die Stimme der Liebe in ihm, und er wurde mild und weich. Da tönte von einem engliſchen Schiffe herüber „Rule Britania“, das die Nachtwache ſang, um den Schlaf von den müden Augen zu verſcheuchen. Zerſtreut hörte Eduard zu, bis die Worte „Briton never shall be slaves“ ſein Ohr berührten. „Ja“, rief er, „ſie ſind frei! und wir? — mein armes, gedrücktes Volk, ich ſollte mich von dir trennen? mich von dir trennen, weil du unglücklich biſt? Tauſend Herzen ſind unter barbariſchen Vorurtheilen zerdrückt worden, und ich wäre feig genug, für mich zu zittern? für mich, dem außer der Liebe, der ich entſagen muß, noch die theuren Seinen bleiben, und der große Beruf, ſo viel ich ver- I. 7

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny01_1843
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny01_1843/157
Zitationshilfe: Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 1. Leipzig, 1843, S. 145. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny01_1843/157>, abgerufen am 15.10.2024.