keine Ruhe in seinem Zimmer gefunden. Die engen Räume drückten ihn, er öffnete ein Fen- ster, und obgleich der Schnee in großen Flocken hineindrang, wurde ihm wohler und freier, als die Luft seine heiße Stirne berührte. Das Meiersche Haus lag nahe am Hafen, ein Gar- ten führte terrassenartig zum Flusse hinunter, der gerade hier in das Meer mündete. Eine Unruhe, wie er sie nie empfunden, trieb ihn hinaus und, in den Mantel gehüllt, eilte er durch die beschneiten Gänge des Gartens. Hin und wieder fielen noch einzelne, übrig gebliebene Blätter mit den Schneeflocken zur Erde; der Sturm jagte die Wolken vor sich hin und hemmte Eduard im Vorwärtsschreiten. Er war ganz allein auf dem Wege, und nun erst merkte er, daß er das Zimmer verlassen hatte, nicht achtend des Sturmes, der ihn umbrauste, nicht der tiefen Dunkelheit um ihn her, denn stür-
keine Ruhe in ſeinem Zimmer gefunden. Die engen Räume drückten ihn, er öffnete ein Fen- ſter, und obgleich der Schnee in großen Flocken hineindrang, wurde ihm wohler und freier, als die Luft ſeine heiße Stirne berührte. Das Meierſche Haus lag nahe am Hafen, ein Gar- ten führte terraſſenartig zum Fluſſe hinunter, der gerade hier in das Meer mündete. Eine Unruhe, wie er ſie nie empfunden, trieb ihn hinaus und, in den Mantel gehüllt, eilte er durch die beſchneiten Gänge des Gartens. Hin und wieder fielen noch einzelne, übrig gebliebene Blätter mit den Schneeflocken zur Erde; der Sturm jagte die Wolken vor ſich hin und hemmte Eduard im Vorwärtsſchreiten. Er war ganz allein auf dem Wege, und nun erſt merkte er, daß er das Zimmer verlaſſen hatte, nicht achtend des Sturmes, der ihn umbrauſte, nicht der tiefen Dunkelheit um ihn her, denn ſtür-
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0151"n="139"/><lb/>
keine Ruhe in ſeinem Zimmer gefunden. Die<lb/>
engen Räume drückten ihn, er öffnete ein Fen-<lb/>ſter, und obgleich der Schnee in großen Flocken<lb/>
hineindrang, wurde ihm wohler und freier, als<lb/>
die Luft ſeine heiße Stirne berührte. Das<lb/>
Meierſche Haus lag nahe am Hafen, ein Gar-<lb/>
ten führte terraſſenartig zum Fluſſe hinunter,<lb/>
der gerade hier in das Meer mündete. Eine<lb/>
Unruhe, wie er ſie nie empfunden, trieb ihn<lb/>
hinaus und, in den Mantel gehüllt, eilte er<lb/>
durch die beſchneiten Gänge des Gartens. Hin<lb/>
und wieder fielen noch einzelne, übrig gebliebene<lb/>
Blätter mit den Schneeflocken zur Erde; der<lb/>
Sturm jagte die Wolken vor ſich hin und<lb/>
hemmte Eduard im Vorwärtsſchreiten. Er war<lb/>
ganz allein auf dem Wege, und nun erſt merkte<lb/>
er, daß er das Zimmer verlaſſen hatte, nicht<lb/>
achtend des Sturmes, der ihn umbrauſte, nicht<lb/>
der tiefen Dunkelheit um ihn her, denn ſtür-<lb/></p></div></body></text></TEI>
[139/0151]
keine Ruhe in ſeinem Zimmer gefunden. Die
engen Räume drückten ihn, er öffnete ein Fen-
ſter, und obgleich der Schnee in großen Flocken
hineindrang, wurde ihm wohler und freier, als
die Luft ſeine heiße Stirne berührte. Das
Meierſche Haus lag nahe am Hafen, ein Gar-
ten führte terraſſenartig zum Fluſſe hinunter,
der gerade hier in das Meer mündete. Eine
Unruhe, wie er ſie nie empfunden, trieb ihn
hinaus und, in den Mantel gehüllt, eilte er
durch die beſchneiten Gänge des Gartens. Hin
und wieder fielen noch einzelne, übrig gebliebene
Blätter mit den Schneeflocken zur Erde; der
Sturm jagte die Wolken vor ſich hin und
hemmte Eduard im Vorwärtsſchreiten. Er war
ganz allein auf dem Wege, und nun erſt merkte
er, daß er das Zimmer verlaſſen hatte, nicht
achtend des Sturmes, der ihn umbrauſte, nicht
der tiefen Dunkelheit um ihn her, denn ſtür-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 1. Leipzig, 1843, S. 139. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny01_1843/151>, abgerufen am 09.10.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.