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Leupold, Jacob: Theatrum Machinarvm Generale. Schau-Platz Des Grundes Mechanischer Wissenschafften. Leipzig, 1724.

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Vorrede.
daß die Mathematischen, Mechanischen und Physicalischen Wissen-
schafften, wo nicht das vornehmste, dennoch eines der wichtigsten Mit-
tel ist, ein Land in Wohlstand und Aufnehmen zu bringen. Die mei-
sten, ja fast alle Commercien entstehen von Manufacturen, Berg-
wercken und guter Oeconomie, aber alle diese sind wieder auf Me-
chani
sche und Physicalische Gründe gebauet, ohne welche sie nicht be-
stehen, oder bey dem alten Schlendrian bleiben müssen, aber durch diese
Künste und Wissenschafften kan täglich ja stündlich was neues erfun-
den, das alte verbessert und in glücklichern Stand gebracht werden.

Es solte billig gleich mit der Jugend, so bald sie nur etwas schrei-
ben und lesen könte, ein Anfang gemachet, und solche also zur Arith-
metic, Geometrie,
und Gebrauch des Circkels und Linials angefüh-
ret werden, damit hernach, wenn sie auch nicht weiter studieren wol-
ten, bey ihrer Profeßion sich dessen bedienen, und alsdenn die Mecha-
ni
schen Schrifften mit bessern Nutzen erlernen könten.

Aber es ist billig zu verwundern, daß man sich die Aufnahme die-
ser Wissenschafft, darauf doch ein so grosses Stück der Wohlfahrt des
Landes, und Interesse des Landes-Fürsten beruhet, so gar sehr wenig
angelegen seyn lässet, denn ohne diese Wissenschafft können weder
Bergwercke, Manufacturen noch Oeconomie in besseres Aufneh-
men gerathen; ohne diese Wissenschafft können Beamte und Com-
missari
en, die bey Mühlen-Wasser- und andern Kunst-Wercken und
Handwerckern sollen Nachricht einziehen, Recht sprechen, oder die
Partheyen entscheiden, nichts Grund-mäßiges berichten, weil sie
die Sache selbst nicht verstehen, sondern glauben müssen, was ihnen
von andern vorgeschwatzet wird; ohne diese Fundamente muß sich
einer, der neue Künste und Machinen anlegen oder bauen will, von
jeden, auch öffters von Ignoranten, betriegen und verleiten lassen, ja
ohne diese Fundamente muß man bey Hofe, in der Cammer und
Bergamt viel vergebliche Zeit zubringen, und sich öffters güldne Ber-
ge von solchen selbst gewachsenen Meistern der Künste vorschwatzen
und vorlügen lassen, und weil man es selbst nicht verstehet, entweder
glauben oder betrogen werden, ja nicht glauben, und doch auch sich
betrügen, weil man öffters was Gutes und Nützliches ausschlagen,
und sich und dem Lande eines grossen Nutzens berauben wird.

Ja alle Machinen und Kunstwercke sehen wir ohne fundamen-
tale
Erkäntnis dieser Kunst, zwar mit Verwunderung, aber ohne Er-
käntnis und Nutzen an, wir bewundern und erheben auch wohl öffters
aus solcher Unwissenheit, was gar nicht zu bewundern noch lobens

werth

Vorrede.
daß die Mathematiſchen, Mechaniſchen und Phyſicaliſchen Wiſſen-
ſchafften, wo nicht das vornehmſte, dennoch eines der wichtigſten Mit-
tel iſt, ein Land in Wohlſtand und Aufnehmen zu bringen. Die mei-
ſten, ja faſt alle Commercien entſtehen von Manufacturen, Berg-
wercken und guter Oeconomie, aber alle dieſe ſind wieder auf Me-
chani
ſche und Phyſicaliſche Gruͤnde gebauet, ohne welche ſie nicht be-
ſtehen, oder bey dem alten Schlendrian bleiben muͤſſen, aber durch dieſe
Kuͤnſte und Wiſſenſchafften kan taͤglich ja ſtuͤndlich was neues erfun-
den, das alte verbeſſert und in gluͤcklichern Stand gebracht werden.

Es ſolte billig gleich mit der Jugend, ſo bald ſie nur etwas ſchrei-
ben und leſen koͤnte, ein Anfang gemachet, und ſolche alſo zur Arith-
metic, Geometrie,
und Gebrauch des Circkels und Linials angefuͤh-
ret werden, damit hernach, wenn ſie auch nicht weiter ſtudieren wol-
ten, bey ihrer Profeßion ſich deſſen bedienen, und alsdenn die Mecha-
ni
ſchen Schrifften mit beſſern Nutzen erlernen koͤnten.

Aber es iſt billig zu verwundern, daß man ſich die Aufnahme die-
ſer Wiſſenſchafft, darauf doch ein ſo groſſes Stuͤck der Wohlfahrt des
Landes, und Intereſſe des Landes-Fuͤrſten beruhet, ſo gar ſehr wenig
angelegen ſeyn laͤſſet, denn ohne dieſe Wiſſenſchafft koͤnnen weder
Bergwercke, Manufacturen noch Oeconomie in beſſeres Aufneh-
men gerathen; ohne dieſe Wiſſenſchafft koͤnnen Beamte und Com-
miſſari
en, die bey Muͤhlen-Waſſer- und andern Kunſt-Wercken und
Handwerckern ſollen Nachricht einziehen, Recht ſprechen, oder die
Partheyen entſcheiden, nichts Grund-maͤßiges berichten, weil ſie
die Sache ſelbſt nicht verſtehen, ſondern glauben muͤſſen, was ihnen
von andern vorgeſchwatzet wird; ohne dieſe Fundamente muß ſich
einer, der neue Kuͤnſte und Machinen anlegen oder bauen will, von
jeden, auch oͤffters von Ignoranten, betriegen und verleiten laſſen, ja
ohne dieſe Fundamente muß man bey Hofe, in der Cammer und
Bergamt viel vergebliche Zeit zubringen, und ſich oͤffters guͤldne Ber-
ge von ſolchen ſelbſt gewachſenen Meiſtern der Kuͤnſte vorſchwatzen
und vorluͤgen laſſen, und weil man es ſelbſt nicht verſtehet, entweder
glauben oder betrogen werden, ja nicht glauben, und doch auch ſich
betruͤgen, weil man oͤffters was Gutes und Nuͤtzliches ausſchlagen,
und ſich und dem Lande eines groſſen Nutzens berauben wird.

Ja alle Machinen und Kunſtwercke ſehen wir ohne fundamen-
tale
Erkaͤntnis dieſer Kunſt, zwar mit Verwunderung, aber ohne Er-
kaͤntnis und Nutzen an, wir bewundern und erheben auch wohl oͤffters
aus ſolcher Unwiſſenheit, was gar nicht zu bewundern noch lobens

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[0016] Vorrede. daß die Mathematiſchen, Mechaniſchen und Phyſicaliſchen Wiſſen- ſchafften, wo nicht das vornehmſte, dennoch eines der wichtigſten Mit- tel iſt, ein Land in Wohlſtand und Aufnehmen zu bringen. Die mei- ſten, ja faſt alle Commercien entſtehen von Manufacturen, Berg- wercken und guter Oeconomie, aber alle dieſe ſind wieder auf Me- chaniſche und Phyſicaliſche Gruͤnde gebauet, ohne welche ſie nicht be- ſtehen, oder bey dem alten Schlendrian bleiben muͤſſen, aber durch dieſe Kuͤnſte und Wiſſenſchafften kan taͤglich ja ſtuͤndlich was neues erfun- den, das alte verbeſſert und in gluͤcklichern Stand gebracht werden. Es ſolte billig gleich mit der Jugend, ſo bald ſie nur etwas ſchrei- ben und leſen koͤnte, ein Anfang gemachet, und ſolche alſo zur Arith- metic, Geometrie, und Gebrauch des Circkels und Linials angefuͤh- ret werden, damit hernach, wenn ſie auch nicht weiter ſtudieren wol- ten, bey ihrer Profeßion ſich deſſen bedienen, und alsdenn die Mecha- niſchen Schrifften mit beſſern Nutzen erlernen koͤnten. Aber es iſt billig zu verwundern, daß man ſich die Aufnahme die- ſer Wiſſenſchafft, darauf doch ein ſo groſſes Stuͤck der Wohlfahrt des Landes, und Intereſſe des Landes-Fuͤrſten beruhet, ſo gar ſehr wenig angelegen ſeyn laͤſſet, denn ohne dieſe Wiſſenſchafft koͤnnen weder Bergwercke, Manufacturen noch Oeconomie in beſſeres Aufneh- men gerathen; ohne dieſe Wiſſenſchafft koͤnnen Beamte und Com- miſſarien, die bey Muͤhlen-Waſſer- und andern Kunſt-Wercken und Handwerckern ſollen Nachricht einziehen, Recht ſprechen, oder die Partheyen entſcheiden, nichts Grund-maͤßiges berichten, weil ſie die Sache ſelbſt nicht verſtehen, ſondern glauben muͤſſen, was ihnen von andern vorgeſchwatzet wird; ohne dieſe Fundamente muß ſich einer, der neue Kuͤnſte und Machinen anlegen oder bauen will, von jeden, auch oͤffters von Ignoranten, betriegen und verleiten laſſen, ja ohne dieſe Fundamente muß man bey Hofe, in der Cammer und Bergamt viel vergebliche Zeit zubringen, und ſich oͤffters guͤldne Ber- ge von ſolchen ſelbſt gewachſenen Meiſtern der Kuͤnſte vorſchwatzen und vorluͤgen laſſen, und weil man es ſelbſt nicht verſtehet, entweder glauben oder betrogen werden, ja nicht glauben, und doch auch ſich betruͤgen, weil man oͤffters was Gutes und Nuͤtzliches ausſchlagen, und ſich und dem Lande eines groſſen Nutzens berauben wird. Ja alle Machinen und Kunſtwercke ſehen wir ohne fundamen- tale Erkaͤntnis dieſer Kunſt, zwar mit Verwunderung, aber ohne Er- kaͤntnis und Nutzen an, wir bewundern und erheben auch wohl oͤffters aus ſolcher Unwiſſenheit, was gar nicht zu bewundern noch lobens werth

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Zitationshilfe: Leupold, Jacob: Theatrum Machinarvm Generale. Schau-Platz Des Grundes Mechanischer Wissenschafften. Leipzig, 1724, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/leupold_theatrum_1724/16>, abgerufen am 03.05.2024.