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[Lettus, Henricus]: Der Liefländischen Chronik Andrer Theil. Halle (Saale), 1753.

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Leben und Thaten der liefländischen Ordensmeister,
1561Vorschus der Gelder ward gleich Rath geschaft, so bald die Pohlen Düne-
münde, Wollmer
und Wenden zur Hypothek einräumten.

Jn Harrien fielen den Schweden immer mehr Plätze zu. Fegefeuer
und Borgholm wurden eingenommen. So muste sich auch im Herbst das
ziemlich befestigte Kloster Padis in welchem der Ordenscomtur Engelbrecht
von der Lippe bisher zur Vertheidigung gelegen hatte, an den königlich schwe-
dischen
Obercommissarius Clas Christerson Horn ergeben.

Am 2ten August unterzeichnete der König Erich zu Norkiöping den
Schutzbrief für die Provinzen Harrien, Wirland, Jerwen und die Stadt
Revel, welchen die Commissarien vorher versichert hatten, nebst den angeheng-
ten Bedingungen des Vergleichs, vermöge dessen alle Einwohner bey der Lehre
des Evangelii geschützet werden solten. Die Land- und Stadtsuperintendenten
haben Macht Pfarrherrn zu verordnen und einzusetzen, die untüchtigen Lehrer
aber abzuschaffen. Alle alte Privilegien bleiben in ihrem Gange. Die 2 Jung-
frauenklöster in und ausser der Stadt werden nach Abschaffung der Abgötterey in
ihrem Wesen gelassen, und der Ritterschaft die Vergeltung ihrer treuen Dienste
zugesaget, wie sie solche in herrmeisterlichen Zeiten belohnet bekommen n). Den

Frei-
sen Händeln ins Gedränge, zumal da die Russen diese Vestungen auch forderten, und
er sich nicht im Stande der Gegenwehr sahe. Sein Ansuchen bey den Pohlen um
Hülfe wurde mit kurzen Vertröstungen ohne Nachdruck abgewiesen. Der Graf, um
seines Herrn Pfandhäuser nicht ganz zu verspielen, hielt es fürs rathsamste mit dem rußi-
schen
Befelshaber in Dörpt, Knesen Andrei Kürpsche, einem leutseligen und klu-
gen Herrn, die Abrede zu nehmen, er wolle dem Knesen Helmet so lange zum Pfande
geben, bis sein Herr aus dem Gefängnis los käme, und weitere Verabredung treffen
könte. Er beftelte auch den Knesen zu einem Besuch nach Helmet, wo die Ueberga-
be in der Stille geschehen solte, versahe es aber darin, daß er den Handel etlichen sei-
ner Leute vertrauete. Diese waren der Absichten des Grafen ganz unkundig, und rede-
ten unter sich einen Hinterhalt ab. Denn da sie mit dem Grafen zu Tische sassen, er-
wischten sie ihn am Halse bey der güldenen Kette, steckten ihn in ein finster Loch, und
gaben auf den Knesen und dessen Leute Feuer, welches diesen redlichen Man zwar zum
Rückzuge, aber auch zur grösten Verbitterung brachte. Sie lieferten den Grafen an
den Herzog von Curland aus, welcher ihn Mittwochs vor Weihnachten 1563 mit glü-
enden Zangen zerreissen, viertheilen und auf 4 Räder legen, seinen Secretair aber mit
dem Schwerdt hinrichten lies. Da Henning S. 78 und 79 diese Begebenheit gar
partheiisch erzehlet; so bezeuget hingegen Neustädt, daß fast jederman von der Un-
schuld des Grafen und seinen billigen Absichten überzeuget gewesen. Die Umstände
von seiner Hinrichtung sind allerdings bedenklich. Der Rathsherr Vincentz Klan-
dorf,
den die schmälige Marter des Grafen jammerte, gieng nach Hause, zog sich
ab, und blieb gleich tod. Eine Frau, die vom Boden herunter ihn mit glühenden
Zangen zwicken sahe, fiel herab und brach den Hals. Ein Bauer, welcher dabey
stand, sties sich das Messer durch die Brust. Der Büttel, welcher die Kohlen blies,
stieg vom Wagen, legte den Kopf auf dem Blasebalg und blieb auf der Stelle todt
liegen. Von seinen Verräthern sind die meisten blind geworden. Der Knese der der
Ungnade seines Czaars halber nach Pohlen flüchtete, hat die Unschuld dieses Mannes
mit vielen Seufzern beklaget. Sonst war der Graf von Arce ein verständiger Herr,
und in Anlegung guter Festungen, ja in der ganzen Kriegeskunst wohl erfahren, wie
denn auf seinen Rath die Stadt und Schlos Revel mit Graben, Wällen und Streich-
wehren wohl befestiget worden. Henning berichtet, daß er aus Liebe zu seinem Le-
ben sich erboten seine übrige Lebenszeit hindurch vor einem Stalle an einer eisernen Ket-
te wie ein Hund zu liegen, und nur Wasser und Brod zu essen.
n) Die Tractaten der Schweden mit den Estländern befinden sich lateinisch im Fasc.
III Liuonicorum
S. 131, und derselben Bestätigung S. 134. Volständiger aber ist
Erichs Privilegium auf deutsch in dem rothen Buche zu Revel, worin überdem
der Ritterschaft erlaubet wird, des schwedischen Reichs Farbe, Feldzeichen und
Wapen, wenn es ihr beliebet, in ihren Fahnen zu führen. Weil auch der König der
Ritterschaft Geld, Pferde, Büchsen und Harnisch vorgestrecket, so ist selbige verbun-
den in Nothfal ihre Güter zu verdiensten. Solte jemand bey dem König angegeben
wer-

Leben und Thaten der lieflaͤndiſchen Ordensmeiſter,
1561Vorſchus der Gelder ward gleich Rath geſchaft, ſo bald die Pohlen Duͤne-
muͤnde, Wollmer
und Wenden zur Hypothek einraͤumten.

Jn Harrien fielen den Schweden immer mehr Plaͤtze zu. Fegefeuer
und Borgholm wurden eingenommen. So muſte ſich auch im Herbſt das
ziemlich befeſtigte Kloſter Padis in welchem der Ordenscomtur Engelbrecht
von der Lippe bisher zur Vertheidigung gelegen hatte, an den koͤniglich ſchwe-
diſchen
Obercommiſſarius Clas Chriſterſon Horn ergeben.

Am 2ten Auguſt unterzeichnete der Koͤnig Erich zu Norkioͤping den
Schutzbrief fuͤr die Provinzen Harrien, Wirland, Jerwen und die Stadt
Revel, welchen die Commiſſarien vorher verſichert hatten, nebſt den angeheng-
ten Bedingungen des Vergleichs, vermoͤge deſſen alle Einwohner bey der Lehre
des Evangelii geſchuͤtzet werden ſolten. Die Land- und Stadtſuperintendenten
haben Macht Pfarrherrn zu verordnen und einzuſetzen, die untuͤchtigen Lehrer
aber abzuſchaffen. Alle alte Privilegien bleiben in ihrem Gange. Die 2 Jung-
frauenkloͤſter in und auſſer der Stadt werden nach Abſchaffung der Abgoͤtterey in
ihrem Weſen gelaſſen, und der Ritterſchaft die Vergeltung ihrer treuen Dienſte
zugeſaget, wie ſie ſolche in herrmeiſterlichen Zeiten belohnet bekommen n). Den

Frei-
ſen Haͤndeln ins Gedraͤnge, zumal da die Ruſſen dieſe Veſtungen auch forderten, und
er ſich nicht im Stande der Gegenwehr ſahe. Sein Anſuchen bey den Pohlen um
Huͤlfe wurde mit kurzen Vertroͤſtungen ohne Nachdruck abgewieſen. Der Graf, um
ſeines Herrn Pfandhaͤuſer nicht ganz zu verſpielen, hielt es fuͤrs rathſamſte mit dem rußi-
ſchen
Befelshaber in Doͤrpt, Kneſen Andrei Kuͤrpſche, einem leutſeligen und klu-
gen Herrn, die Abrede zu nehmen, er wolle dem Kneſen Helmet ſo lange zum Pfande
geben, bis ſein Herr aus dem Gefaͤngnis los kaͤme, und weitere Verabredung treffen
koͤnte. Er beftelte auch den Kneſen zu einem Beſuch nach Helmet, wo die Ueberga-
be in der Stille geſchehen ſolte, verſahe es aber darin, daß er den Handel etlichen ſei-
ner Leute vertrauete. Dieſe waren der Abſichten des Grafen ganz unkundig, und rede-
ten unter ſich einen Hinterhalt ab. Denn da ſie mit dem Grafen zu Tiſche ſaſſen, er-
wiſchten ſie ihn am Halſe bey der guͤldenen Kette, ſteckten ihn in ein finſter Loch, und
gaben auf den Kneſen und deſſen Leute Feuer, welches dieſen redlichen Man zwar zum
Ruͤckzuge, aber auch zur groͤſten Verbitterung brachte. Sie lieferten den Grafen an
den Herzog von Curland aus, welcher ihn Mittwochs vor Weihnachten 1563 mit gluͤ-
enden Zangen zerreiſſen, viertheilen und auf 4 Raͤder legen, ſeinen Secretair aber mit
dem Schwerdt hinrichten lies. Da Henning S. 78 und 79 dieſe Begebenheit gar
partheiiſch erzehlet; ſo bezeuget hingegen Neuſtaͤdt, daß faſt jederman von der Un-
ſchuld des Grafen und ſeinen billigen Abſichten uͤberzeuget geweſen. Die Umſtaͤnde
von ſeiner Hinrichtung ſind allerdings bedenklich. Der Rathsherr Vincentz Klan-
dorf,
den die ſchmaͤlige Marter des Grafen jammerte, gieng nach Hauſe, zog ſich
ab, und blieb gleich tod. Eine Frau, die vom Boden herunter ihn mit gluͤhenden
Zangen zwicken ſahe, fiel herab und brach den Hals. Ein Bauer, welcher dabey
ſtand, ſties ſich das Meſſer durch die Bruſt. Der Buͤttel, welcher die Kohlen blies,
ſtieg vom Wagen, legte den Kopf auf dem Blaſebalg und blieb auf der Stelle todt
liegen. Von ſeinen Verraͤthern ſind die meiſten blind geworden. Der Kneſe der der
Ungnade ſeines Czaars halber nach Pohlen fluͤchtete, hat die Unſchuld dieſes Mannes
mit vielen Seufzern beklaget. Sonſt war der Graf von Arce ein verſtaͤndiger Herr,
und in Anlegung guter Feſtungen, ja in der ganzen Kriegeskunſt wohl erfahren, wie
denn auf ſeinen Rath die Stadt und Schlos Revel mit Graben, Waͤllen und Streich-
wehren wohl befeſtiget worden. Henning berichtet, daß er aus Liebe zu ſeinem Le-
ben ſich erboten ſeine uͤbrige Lebenszeit hindurch vor einem Stalle an einer eiſernen Ket-
te wie ein Hund zu liegen, und nur Waſſer und Brod zu eſſen.
n) Die Tractaten der Schweden mit den Eſtlaͤndern befinden ſich lateiniſch im Faſc.
III Liuonicorum
S. 131, und derſelben Beſtaͤtigung S. 134. Volſtaͤndiger aber iſt
Erichs Privilegium auf deutſch in dem rothen Buche zu Revel, worin uͤberdem
der Ritterſchaft erlaubet wird, des ſchwediſchen Reichs Farbe, Feldzeichen und
Wapen, wenn es ihr beliebet, in ihren Fahnen zu fuͤhren. Weil auch der Koͤnig der
Ritterſchaft Geld, Pferde, Buͤchſen und Harniſch vorgeſtrecket, ſo iſt ſelbige verbun-
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[268/0286] Leben und Thaten der lieflaͤndiſchen Ordensmeiſter, Vorſchus der Gelder ward gleich Rath geſchaft, ſo bald die Pohlen Duͤne- muͤnde, Wollmer und Wenden zur Hypothek einraͤumten. 1561 Jn Harrien fielen den Schweden immer mehr Plaͤtze zu. Fegefeuer und Borgholm wurden eingenommen. So muſte ſich auch im Herbſt das ziemlich befeſtigte Kloſter Padis in welchem der Ordenscomtur Engelbrecht von der Lippe bisher zur Vertheidigung gelegen hatte, an den koͤniglich ſchwe- diſchen Obercommiſſarius Clas Chriſterſon Horn ergeben. Am 2ten Auguſt unterzeichnete der Koͤnig Erich zu Norkioͤping den Schutzbrief fuͤr die Provinzen Harrien, Wirland, Jerwen und die Stadt Revel, welchen die Commiſſarien vorher verſichert hatten, nebſt den angeheng- ten Bedingungen des Vergleichs, vermoͤge deſſen alle Einwohner bey der Lehre des Evangelii geſchuͤtzet werden ſolten. Die Land- und Stadtſuperintendenten haben Macht Pfarrherrn zu verordnen und einzuſetzen, die untuͤchtigen Lehrer aber abzuſchaffen. Alle alte Privilegien bleiben in ihrem Gange. Die 2 Jung- frauenkloͤſter in und auſſer der Stadt werden nach Abſchaffung der Abgoͤtterey in ihrem Weſen gelaſſen, und der Ritterſchaft die Vergeltung ihrer treuen Dienſte zugeſaget, wie ſie ſolche in herrmeiſterlichen Zeiten belohnet bekommen n). Den Frei- m) n) Die Tractaten der Schweden mit den Eſtlaͤndern befinden ſich lateiniſch im Faſc. III Liuonicorum S. 131, und derſelben Beſtaͤtigung S. 134. Volſtaͤndiger aber iſt Erichs Privilegium auf deutſch in dem rothen Buche zu Revel, worin uͤberdem der Ritterſchaft erlaubet wird, des ſchwediſchen Reichs Farbe, Feldzeichen und Wapen, wenn es ihr beliebet, in ihren Fahnen zu fuͤhren. Weil auch der Koͤnig der Ritterſchaft Geld, Pferde, Buͤchſen und Harniſch vorgeſtrecket, ſo iſt ſelbige verbun- den in Nothfal ihre Guͤter zu verdienſten. Solte jemand bey dem Koͤnig angegeben wer- m) ſen Haͤndeln ins Gedraͤnge, zumal da die Ruſſen dieſe Veſtungen auch forderten, und er ſich nicht im Stande der Gegenwehr ſahe. Sein Anſuchen bey den Pohlen um Huͤlfe wurde mit kurzen Vertroͤſtungen ohne Nachdruck abgewieſen. Der Graf, um ſeines Herrn Pfandhaͤuſer nicht ganz zu verſpielen, hielt es fuͤrs rathſamſte mit dem rußi- ſchen Befelshaber in Doͤrpt, Kneſen Andrei Kuͤrpſche, einem leutſeligen und klu- gen Herrn, die Abrede zu nehmen, er wolle dem Kneſen Helmet ſo lange zum Pfande geben, bis ſein Herr aus dem Gefaͤngnis los kaͤme, und weitere Verabredung treffen koͤnte. Er beftelte auch den Kneſen zu einem Beſuch nach Helmet, wo die Ueberga- be in der Stille geſchehen ſolte, verſahe es aber darin, daß er den Handel etlichen ſei- ner Leute vertrauete. Dieſe waren der Abſichten des Grafen ganz unkundig, und rede- ten unter ſich einen Hinterhalt ab. Denn da ſie mit dem Grafen zu Tiſche ſaſſen, er- wiſchten ſie ihn am Halſe bey der guͤldenen Kette, ſteckten ihn in ein finſter Loch, und gaben auf den Kneſen und deſſen Leute Feuer, welches dieſen redlichen Man zwar zum Ruͤckzuge, aber auch zur groͤſten Verbitterung brachte. Sie lieferten den Grafen an den Herzog von Curland aus, welcher ihn Mittwochs vor Weihnachten 1563 mit gluͤ- enden Zangen zerreiſſen, viertheilen und auf 4 Raͤder legen, ſeinen Secretair aber mit dem Schwerdt hinrichten lies. Da Henning S. 78 und 79 dieſe Begebenheit gar partheiiſch erzehlet; ſo bezeuget hingegen Neuſtaͤdt, daß faſt jederman von der Un- ſchuld des Grafen und ſeinen billigen Abſichten uͤberzeuget geweſen. Die Umſtaͤnde von ſeiner Hinrichtung ſind allerdings bedenklich. Der Rathsherr Vincentz Klan- dorf, den die ſchmaͤlige Marter des Grafen jammerte, gieng nach Hauſe, zog ſich ab, und blieb gleich tod. Eine Frau, die vom Boden herunter ihn mit gluͤhenden Zangen zwicken ſahe, fiel herab und brach den Hals. Ein Bauer, welcher dabey ſtand, ſties ſich das Meſſer durch die Bruſt. Der Buͤttel, welcher die Kohlen blies, ſtieg vom Wagen, legte den Kopf auf dem Blaſebalg und blieb auf der Stelle todt liegen. Von ſeinen Verraͤthern ſind die meiſten blind geworden. Der Kneſe der der Ungnade ſeines Czaars halber nach Pohlen fluͤchtete, hat die Unſchuld dieſes Mannes mit vielen Seufzern beklaget. Sonſt war der Graf von Arce ein verſtaͤndiger Herr, und in Anlegung guter Feſtungen, ja in der ganzen Kriegeskunſt wohl erfahren, wie denn auf ſeinen Rath die Stadt und Schlos Revel mit Graben, Waͤllen und Streich- wehren wohl befeſtiget worden. Henning berichtet, daß er aus Liebe zu ſeinem Le- ben ſich erboten ſeine uͤbrige Lebenszeit hindurch vor einem Stalle an einer eiſernen Ket- te wie ein Hund zu liegen, und nur Waſſer und Brod zu eſſen.

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Zitationshilfe: [Lettus, Henricus]: Der Liefländischen Chronik Andrer Theil. Halle (Saale), 1753, S. 268. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lettus_chronik02_1753/286>, abgerufen am 23.11.2024.