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[Lettus, Henricus]: Der Liefländischen Chronik Andrer Theil. Halle (Saale), 1753.

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Erzbisch. Wilhelm. zur Zeit der Regierung Gotthard Kettlers.
kurzen Stilstand zu treffen, bis er den König von Schweden selbst darum be-1561
sprechen lassen. Estland aber wartete solches nicht ab, sondern leistete den
schwedischen Commissarien den 4ten Junii die Huldigung, die Stadt that ein
gleiches den 6ten Junii. Das darüber errichtete Jnstrument enthält der Gesand-
ten Bekentnis, daß Erich, ihr Oberherr, Estland und die Stadt Revel auf
Ansuchen der Herrn Räthe, Ritterschaft und Adel der Kreise Harrien, Wir-
land
und Jerwen in seinen Schutz nehme; wovon die Commissarien die Bestä-
tigung herbey zu schaffen angeloben. Kettlers Abgeordnete wurden in Revel
nicht einmal recht vorgelassen, und als man den von Dohna allein aufs Rath-
haus beschied, behielt er sein Gewerbe im Busen, protestirte aber gegen das Un-
ternehmen als eine unbefugte Handlung. Also geriet dieses Herzogtum in schwe-
dische
Gewalt, und erhielt dieselben Vortheile von Schweden erfüllet, die
Liefland von Pohlen nur versprochen bekam. Der junge Casper von Ol-
denbockum,
welcher Weissenstein so wohl vertheidiget, war von Kettlern
zum Comtur auf Revel ernennet, und wolte den Schweden das Schlos nicht
übergeben. Allein die königlichen Commissarien beängstigten ihn mit Carthaunen
und Schlangen 6 Wochen lang; und weil kein Entsatz zu hoffen, auch der Vor-
rath zu Ende war, so capitulirte er am Johannistage, und erhielt freien Abzug l).

Un-
l) Die Berichtschreiben, welche die schwedischen Gesandten aus Revel an den König
nach Schweden überschickten, geben uns in der estländischen Unterwerfungs-
angelegenheit verschiedene Erläuterungen. Wir wollen das wichtigste aus denensel-
ben hier anführen. Herman Bruser meldet unterm 30sten Merz: " Rettler hat
"den Deutschen Soldaten für ihre Löhnung das Schlos zu Revel zum Unterpfande
"verschrieben; als aber die Soldaten ihre Neigung gegen die Schweden verriethen,
"suchte Caspar von Oldenbockum und Diedrich von Gahlen mit List selbiges zu
"schützen. Ein verschlagener Doctor, Mattheus Fresner und ein anderer Bruder
"Wilhelm Weiferling practicirten einen Haufen Pohlaken hinauf, die ihre Röh-
"re und Sebel in Kasten und Säcke verstecket, und mit Hülfe der Diener auf dem
"Schlosse die Soldaten im Zügel halten solten. Jndessen kam der Schloshauptman
"mit 2 Briefen vom Herrn Meister zurück, deren erster einen Trost zur Bezahlung,
"der andre eine Abdankung der Soldaten enthielt, mit welchem letzten die Soldaten
"noch weniger zu frieden waren, daher beide Parten die Zugänge zum Schlosse so besetzt
"hielten, daß es darüber am Wasser gebrach. Die Stadt, der Rath und der Adel
"legten den Handel so bey, daß es zu einem 14 tägigen Vergleich kam, bis beide ihre
"Boten von dem Herrn Meister zurück bekämen. Die Boten konten Kettlern nicht
"zu Hause antreffen, weil er auf einen Tag 3 Curiere aus Pohlen erhalten, und sich
"also nach der Wilda in Litthauen begeben hatte. Doch lies Kettler den Solda-
"ten Seidenzeug und Sammet zur Bezahlung ihres rückständigen Soldes anbieten, mit
"welcher Waare er die Soldaten zu Wittenstein und Pernau befriediget hatte: al-
"lein der murrische Soldat pochte, und gab zur Antwort, er wolle sein Pfand, das
"Kloster Padis und den Brief auf das Schlos Revel wieder versetzen, es möchte es
"ein Christenherr lösen, welcher es wolle. Weil die Commissarien nicht wusten,
"den Herrn Meister aufzusuchen, so haben sie Andreas Biörsson mit der königlichen
"Bewerbung an ihn abgesandt, der zugleich von allem Kundschaft einziehen solte."
Ferner berichtet Brusser: "Die Stadt Revel leidet grossen Mangel am Malz. Der
"König möchte von Stockholm oder Abo 3 bis 4 Galeien vor Revel schicken, de-
"nen, die gut pohlnisch wären, eine andre Gesinnung beizubringen. Das pohl-
"nische
Kriegesvolk in Revel sey ein geringer Haufen nackender junger Bursche, die
"nichts zu zehren noch zu verkleiden hätten, und ein Stück Brodt mit Betteln suchten.
"Das Gerücht habe sich verbreitet, als ob der Herr Meister das Schlos Wittenstein
"mit dem ganzen Districte an Casper von Oldenbockum und seine Kinder nach ihn
"erblich zum Lehn geschenket habe, wenn er den Pohlen getreu seyn und 300 Pohlen
"samt 30 bis 40 Deutschen zur Besatzung einnehmen wolle." Unter den 11ten April
berichten die Commissarien ein, "daß die Stadt Revel sich fest entschlossen, mit der
"Ritterschaft zusammen zu halten, auch heute ihre Gesandten nach Mietau abgesertiget, ei-
"ne Protestation in Abwesenheit des Herrn Meisters da zu lassen, darin sie ihm den
"Eid aufkündigten, und nicht länger mit so vielen eiteln Vertröstungen, und blossen
"Hof-
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Erzbiſch. Wilhelm. zur Zeit der Regierung Gotthard Kettlers.
kurzen Stilſtand zu treffen, bis er den Koͤnig von Schweden ſelbſt darum be-1561
ſprechen laſſen. Eſtland aber wartete ſolches nicht ab, ſondern leiſtete den
ſchwediſchen Commiſſarien den 4ten Junii die Huldigung, die Stadt that ein
gleiches den 6ten Junii. Das daruͤber errichtete Jnſtrument enthaͤlt der Geſand-
ten Bekentnis, daß Erich, ihr Oberherr, Eſtland und die Stadt Revel auf
Anſuchen der Herrn Raͤthe, Ritterſchaft und Adel der Kreiſe Harrien, Wir-
land
und Jerwen in ſeinen Schutz nehme; wovon die Commiſſarien die Beſtaͤ-
tigung herbey zu ſchaffen angeloben. Kettlers Abgeordnete wurden in Revel
nicht einmal recht vorgelaſſen, und als man den von Dohna allein aufs Rath-
haus beſchied, behielt er ſein Gewerbe im Buſen, proteſtirte aber gegen das Un-
ternehmen als eine unbefugte Handlung. Alſo geriet dieſes Herzogtum in ſchwe-
diſche
Gewalt, und erhielt dieſelben Vortheile von Schweden erfuͤllet, die
Liefland von Pohlen nur verſprochen bekam. Der junge Caſper von Ol-
denbockum,
welcher Weiſſenſtein ſo wohl vertheidiget, war von Kettlern
zum Comtur auf Revel ernennet, und wolte den Schweden das Schlos nicht
uͤbergeben. Allein die koͤniglichen Commiſſarien beaͤngſtigten ihn mit Carthaunen
und Schlangen 6 Wochen lang; und weil kein Entſatz zu hoffen, auch der Vor-
rath zu Ende war, ſo capitulirte er am Johannistage, und erhielt freien Abzug l).

Un-
l) Die Berichtſchreiben, welche die ſchwediſchen Geſandten aus Revel an den Koͤnig
nach Schweden uͤberſchickten, geben uns in der eſtlaͤndiſchen Unterwerfungs-
angelegenheit verſchiedene Erlaͤuterungen. Wir wollen das wichtigſte aus denenſel-
ben hier anfuͤhren. Herman Bruſer meldet unterm 30ſten Merz: „ Rettler hat
„den Deutſchen Soldaten fuͤr ihre Loͤhnung das Schlos zu Revel zum Unterpfande
„verſchrieben; als aber die Soldaten ihre Neigung gegen die Schweden verriethen,
„ſuchte Caſpar von Oldenbockum und Diedrich von Gahlen mit Liſt ſelbiges zu
„ſchuͤtzen. Ein verſchlagener Doctor, Mattheus Fresner und ein anderer Bruder
Wilhelm Weiferling practicirten einen Haufen Pohlaken hinauf, die ihre Roͤh-
„re und Sebel in Kaſten und Saͤcke verſtecket, und mit Huͤlfe der Diener auf dem
„Schloſſe die Soldaten im Zuͤgel halten ſolten. Jndeſſen kam der Schloshauptman
„mit 2 Briefen vom Herrn Meiſter zuruͤck, deren erſter einen Troſt zur Bezahlung,
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„hielten, daß es daruͤber am Waſſer gebrach. Die Stadt, der Rath und der Adel
„legten den Handel ſo bey, daß es zu einem 14 taͤgigen Vergleich kam, bis beide ihre
„Boten von dem Herrn Meiſter zuruͤck bekaͤmen. Die Boten konten Kettlern nicht
„zu Hauſe antreffen, weil er auf einen Tag 3 Curiere aus Pohlen erhalten, und ſich
„alſo nach der Wilda in Litthauen begeben hatte. Doch lies Kettler den Solda-
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„lein der murriſche Soldat pochte, und gab zur Antwort, er wolle ſein Pfand, das
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„ein Chriſtenherr loͤſen, welcher es wolle. Weil die Commiſſarien nicht wuſten,
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Ferner berichtet Bruſſer: „Die Stadt Revel leidet groſſen Mangel am Malz. Der
„Koͤnig moͤchte von Stockholm oder Abo 3 bis 4 Galeien vor Revel ſchicken, de-
„nen, die gut pohlniſch waͤren, eine andre Geſinnung beizubringen. Das pohl-
„niſche
Kriegesvolk in Revel ſey ein geringer Haufen nackender junger Burſche, die
„nichts zu zehren noch zu verkleiden haͤtten, und ein Stuͤck Brodt mit Betteln ſuchten.
„Das Geruͤcht habe ſich verbreitet, als ob der Herr Meiſter das Schlos Wittenſtein
„mit dem ganzen Diſtricte an Caſper von Oldenbockum und ſeine Kinder nach ihn
„erblich zum Lehn geſchenket habe, wenn er den Pohlen getreu ſeyn und 300 Pohlen
„ſamt 30 bis 40 Deutſchen zur Beſatzung einnehmen wolle.‟ Unter den 11ten April
berichten die Commiſſarien ein, „daß die Stadt Revel ſich feſt entſchloſſen, mit der
„Ritterſchaft zuſammen zu halten, auch heute ihre Geſandten nach Mietau abgeſertiget, ei-
„ne Proteſtation in Abweſenheit des Herrn Meiſters da zu laſſen, darin ſie ihm den
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„Hof-
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[263/0281] Erzbiſch. Wilhelm. zur Zeit der Regierung Gotthard Kettlers. kurzen Stilſtand zu treffen, bis er den Koͤnig von Schweden ſelbſt darum be- ſprechen laſſen. Eſtland aber wartete ſolches nicht ab, ſondern leiſtete den ſchwediſchen Commiſſarien den 4ten Junii die Huldigung, die Stadt that ein gleiches den 6ten Junii. Das daruͤber errichtete Jnſtrument enthaͤlt der Geſand- ten Bekentnis, daß Erich, ihr Oberherr, Eſtland und die Stadt Revel auf Anſuchen der Herrn Raͤthe, Ritterſchaft und Adel der Kreiſe Harrien, Wir- land und Jerwen in ſeinen Schutz nehme; wovon die Commiſſarien die Beſtaͤ- tigung herbey zu ſchaffen angeloben. Kettlers Abgeordnete wurden in Revel nicht einmal recht vorgelaſſen, und als man den von Dohna allein aufs Rath- haus beſchied, behielt er ſein Gewerbe im Buſen, proteſtirte aber gegen das Un- ternehmen als eine unbefugte Handlung. Alſo geriet dieſes Herzogtum in ſchwe- diſche Gewalt, und erhielt dieſelben Vortheile von Schweden erfuͤllet, die Liefland von Pohlen nur verſprochen bekam. Der junge Caſper von Ol- denbockum, welcher Weiſſenſtein ſo wohl vertheidiget, war von Kettlern zum Comtur auf Revel ernennet, und wolte den Schweden das Schlos nicht uͤbergeben. Allein die koͤniglichen Commiſſarien beaͤngſtigten ihn mit Carthaunen und Schlangen 6 Wochen lang; und weil kein Entſatz zu hoffen, auch der Vor- rath zu Ende war, ſo capitulirte er am Johannistage, und erhielt freien Abzug l). 1561 Un- l) Die Berichtſchreiben, welche die ſchwediſchen Geſandten aus Revel an den Koͤnig nach Schweden uͤberſchickten, geben uns in der eſtlaͤndiſchen Unterwerfungs- angelegenheit verſchiedene Erlaͤuterungen. Wir wollen das wichtigſte aus denenſel- ben hier anfuͤhren. Herman Bruſer meldet unterm 30ſten Merz: „ Rettler hat „den Deutſchen Soldaten fuͤr ihre Loͤhnung das Schlos zu Revel zum Unterpfande „verſchrieben; als aber die Soldaten ihre Neigung gegen die Schweden verriethen, „ſuchte Caſpar von Oldenbockum und Diedrich von Gahlen mit Liſt ſelbiges zu „ſchuͤtzen. Ein verſchlagener Doctor, Mattheus Fresner und ein anderer Bruder „Wilhelm Weiferling practicirten einen Haufen Pohlaken hinauf, die ihre Roͤh- „re und Sebel in Kaſten und Saͤcke verſtecket, und mit Huͤlfe der Diener auf dem „Schloſſe die Soldaten im Zuͤgel halten ſolten. Jndeſſen kam der Schloshauptman „mit 2 Briefen vom Herrn Meiſter zuruͤck, deren erſter einen Troſt zur Bezahlung, „der andre eine Abdankung der Soldaten enthielt, mit welchem letzten die Soldaten „noch weniger zu frieden waren, daher beide Parten die Zugaͤnge zum Schloſſe ſo beſetzt „hielten, daß es daruͤber am Waſſer gebrach. Die Stadt, der Rath und der Adel „legten den Handel ſo bey, daß es zu einem 14 taͤgigen Vergleich kam, bis beide ihre „Boten von dem Herrn Meiſter zuruͤck bekaͤmen. Die Boten konten Kettlern nicht „zu Hauſe antreffen, weil er auf einen Tag 3 Curiere aus Pohlen erhalten, und ſich „alſo nach der Wilda in Litthauen begeben hatte. Doch lies Kettler den Solda- „ten Seidenzeug und Sammet zur Bezahlung ihres ruͤckſtaͤndigen Soldes anbieten, mit „welcher Waare er die Soldaten zu Wittenſtein und Pernau befriediget hatte: al- „lein der murriſche Soldat pochte, und gab zur Antwort, er wolle ſein Pfand, das „Kloſter Padis und den Brief auf das Schlos Revel wieder verſetzen, es moͤchte es „ein Chriſtenherr loͤſen, welcher es wolle. Weil die Commiſſarien nicht wuſten, „den Herrn Meiſter aufzuſuchen, ſo haben ſie Andreas Bioͤrſſon mit der koͤniglichen „Bewerbung an ihn abgeſandt, der zugleich von allem Kundſchaft einziehen ſolte.‟ Ferner berichtet Bruſſer: „Die Stadt Revel leidet groſſen Mangel am Malz. Der „Koͤnig moͤchte von Stockholm oder Abo 3 bis 4 Galeien vor Revel ſchicken, de- „nen, die gut pohlniſch waͤren, eine andre Geſinnung beizubringen. Das pohl- „niſche Kriegesvolk in Revel ſey ein geringer Haufen nackender junger Burſche, die „nichts zu zehren noch zu verkleiden haͤtten, und ein Stuͤck Brodt mit Betteln ſuchten. „Das Geruͤcht habe ſich verbreitet, als ob der Herr Meiſter das Schlos Wittenſtein „mit dem ganzen Diſtricte an Caſper von Oldenbockum und ſeine Kinder nach ihn „erblich zum Lehn geſchenket habe, wenn er den Pohlen getreu ſeyn und 300 Pohlen „ſamt 30 bis 40 Deutſchen zur Beſatzung einnehmen wolle.‟ Unter den 11ten April berichten die Commiſſarien ein, „daß die Stadt Revel ſich feſt entſchloſſen, mit der „Ritterſchaft zuſammen zu halten, auch heute ihre Geſandten nach Mietau abgeſertiget, ei- „ne Proteſtation in Abweſenheit des Herrn Meiſters da zu laſſen, darin ſie ihm den „Eid aufkuͤndigten, und nicht laͤnger mit ſo vielen eiteln Vertroͤſtungen, und bloſſen „Hof- U u u 2

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Zitationshilfe: [Lettus, Henricus]: Der Liefländischen Chronik Andrer Theil. Halle (Saale), 1753, S. 263. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lettus_chronik02_1753/281>, abgerufen am 23.11.2024.