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[Lettus, Henricus]: Der Liefländischen Chronik Andrer Theil. Halle (Saale), 1753.

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Erzb. Wilhelm. zur Zeit der Regierung Wilhelms v. Fürstenberg.
Beyfal, und es wurde gleich ein besonderer Bote an den römischen Kaiser abge-1557
fertiget, damit durch dessen höchste Vermittelung und Gesandschaft die Ungnade
des Czaars von Liefland abgewendet würde.

Als der Botschafter Kelar Terpigorre nachher aufs Schlos kam und den
versiegelten Zinsbrief empfing, so befahl der Orator den Notarien die Protesta-
tion nieder zu schreiben. Da sich der Botschafter davon durch den Dolmetscher
verständigen lies, sprach er: Was hat mein Herr mit dem römischen Kaiser zu
schaffen? Gebt mir den Brief. Komt die Zinse nicht, so wird sie mein Herr zu
holen wissen. Einige Hofjunker begleiteten ihn so dann nach seinem Quartier,
welchen er nach Gewohnheit den Brantewein vorsetzte. Er selbst sprang auf den
Tisch, und zog die Briefe aus dem Busen, die sein Diener vor seinen Augen in
einen seidenen Schleier wickeln und in eine beschlagene Lade legen muste, zu dem
er noch die Worte sagte: Verwahre und hege mir das Kalb wohl, damit es gros
und fet werde. Der Bischof schickte ihm hierauf ein Geschenk von Fischen, Fleisch,
weissem Brodt, Eyern, Gewürze und allerhand Getränken, weil der Czaar den
liefländischen Gesandten ein gleiches zu thun pflegte. Der Magistrat wartete
ihm ebenfals mit einigen Erfrischungen auf, lies durch den Stadtkoch einige wohl-
bereitete Gerichte auftragen, und dabey zuentbieten, wenn es ihm gefällig sey,
wolte er ihm 2 Personen zur Geselschaft an die Tafel mit geben; welches dem Bot-
schafter recht angenehm war.

Kurz vor seinem Abschiede legte der rußische Botschafter bey dem Magi-
strat noch ein Gewerbe ab, da man ihn denn in der Kämmerey mit Confect tractirte,
hernach in den Reventer auf einen Sessel nieder zu sitzen nöthigte, um seinen Vor-
trag zu thun. Er hatte einen Russen bey sich, dessen Bruder auf dem plesco-
wischen
Wege erschlagen worden, und der deshalb bey dem Bischof um eine Be-
friedigung von etlichen 100 Thalern, aber vergeblich, angehalten. Nun musten
in Ruß- und Liefland, besage der alten Kreuzbriefe, die Nachbaren, in deren
Bezirk Raub oder Mordthaten begangen worden, dem Anverwandten des Erschla-
genen entweder die geraubten Güter erstatten, oder den Thäter liefern; der Bi-
schof hatte aber mit dem Rechte gegen diesen Russen etwas saumselig verfahren.
Man ersuchte also den Botschafter um Geduld, bis die Nachbarn derselben Ge-
gend nach Dörpt verschrieben würden. Der Botschafter muthete der Stadt zu,
das Geld so lange auszulegen, weil sie wol 12 Tonnen von dieser Waare unter
dem Rathhaus liegen habe. Ob nun gleich dieses ein falsches Gerüchte war; so ver-
setzte doch der Bürgermeister Joh. Dorstelmann: Wenn auch so viel Geld da ist,
so haben doch die Städte Riga und Revel den Schlüssel mit dazu. Der Botschaf-
ter erinnerte also noch die baldige Abtragung des Zinses, nahm Abschied von dem
Rath, und zog wieder nach Moscau e).

Jn Liefland übereilte man sich mit nichts weniger als mit Herbeischaffung1558
der Zinse. Dieses bewog den Czaar bey Plescow eine Kriegsmacht von 40000
Man zusammen zu ziehen. Die Oberbefehlshaberstelle über dieses Heer trug er
einem tattarischen Herrn, Namens Czaar Czigaley auf f), einem von Per-

son
e) Jn diesem Jahr lies sich ein seltsamer Mensch, mit Namen Jürgen, sehen, welcher
von der Mosel durch Preussen angekommen war, und im härtesten Winter nackend
und barfus, blos mit einem Sack bekleidet, herum gieng und die im Schwang gehen-
dem Laster mit vielem Hochmuth bestrafte. Er nahm weder Geld noch Brodt noch Klei-
der, als die er sich mit Arbeit verdiente, wovon er auch in einem Tage mehr vor sich
brachte als ein fauler Knecht in vielen Tagen nicht bestellen konte. Er gieng dabey
fleißig zur Kirche, und wenn ihm die Prediger seinen Beruf von GOtt zur Bestrafung
der Sünden zweifelhaft machten, so schalt er sie für Heuchler. Dieser wunderliche Se-
paratist verlor sich auf dem Wege nach Narva, und man glaubt, die Bauren haben
ihn auf die Seite geschaft. Siehe Russov Bl. 39.
f) Bredenbach und seine Abschreiber, Guaguini und Venator, nennen diesen Herrn
Peter Sisegaleider, welches letztere in der rußischen Sprache 7 Galeien oder Ga-
leren
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Erzb. Wilhelm. zur Zeit der Regierung Wilhelms v. Fuͤrſtenberg.
Beyfal, und es wurde gleich ein beſonderer Bote an den roͤmiſchen Kaiſer abge-1557
fertiget, damit durch deſſen hoͤchſte Vermittelung und Geſandſchaft die Ungnade
des Czaars von Liefland abgewendet wuͤrde.

Als der Botſchafter Kelar Terpigorre nachher aufs Schlos kam und den
verſiegelten Zinsbrief empfing, ſo befahl der Orator den Notarien die Proteſta-
tion nieder zu ſchreiben. Da ſich der Botſchafter davon durch den Dolmetſcher
verſtaͤndigen lies, ſprach er: Was hat mein Herr mit dem roͤmiſchen Kaiſer zu
ſchaffen? Gebt mir den Brief. Komt die Zinſe nicht, ſo wird ſie mein Herr zu
holen wiſſen. Einige Hofjunker begleiteten ihn ſo dann nach ſeinem Quartier,
welchen er nach Gewohnheit den Brantewein vorſetzte. Er ſelbſt ſprang auf den
Tiſch, und zog die Briefe aus dem Buſen, die ſein Diener vor ſeinen Augen in
einen ſeidenen Schleier wickeln und in eine beſchlagene Lade legen muſte, zu dem
er noch die Worte ſagte: Verwahre und hege mir das Kalb wohl, damit es gros
und fet werde. Der Biſchof ſchickte ihm hierauf ein Geſchenk von Fiſchen, Fleiſch,
weiſſem Brodt, Eyern, Gewuͤrze und allerhand Getraͤnken, weil der Czaar den
lieflaͤndiſchen Geſandten ein gleiches zu thun pflegte. Der Magiſtrat wartete
ihm ebenfals mit einigen Erfriſchungen auf, lies durch den Stadtkoch einige wohl-
bereitete Gerichte auftragen, und dabey zuentbieten, wenn es ihm gefaͤllig ſey,
wolte er ihm 2 Perſonen zur Geſelſchaft an die Tafel mit geben; welches dem Bot-
ſchafter recht angenehm war.

Kurz vor ſeinem Abſchiede legte der rußiſche Botſchafter bey dem Magi-
ſtrat noch ein Gewerbe ab, da man ihn denn in der Kaͤmmerey mit Confect tractirte,
hernach in den Reventer auf einen Seſſel nieder zu ſitzen noͤthigte, um ſeinen Vor-
trag zu thun. Er hatte einen Ruſſen bey ſich, deſſen Bruder auf dem plesco-
wiſchen
Wege erſchlagen worden, und der deshalb bey dem Biſchof um eine Be-
friedigung von etlichen 100 Thalern, aber vergeblich, angehalten. Nun muſten
in Ruß- und Liefland, beſage der alten Kreuzbriefe, die Nachbaren, in deren
Bezirk Raub oder Mordthaten begangen worden, dem Anverwandten des Erſchla-
genen entweder die geraubten Guͤter erſtatten, oder den Thaͤter liefern; der Bi-
ſchof hatte aber mit dem Rechte gegen dieſen Ruſſen etwas ſaumſelig verfahren.
Man erſuchte alſo den Botſchafter um Geduld, bis die Nachbarn derſelben Ge-
gend nach Doͤrpt verſchrieben wuͤrden. Der Botſchafter muthete der Stadt zu,
das Geld ſo lange auszulegen, weil ſie wol 12 Tonnen von dieſer Waare unter
dem Rathhaus liegen habe. Ob nun gleich dieſes ein falſches Geruͤchte war; ſo ver-
ſetzte doch der Buͤrgermeiſter Joh. Dorſtelmann: Wenn auch ſo viel Geld da iſt,
ſo haben doch die Staͤdte Riga und Revel den Schluͤſſel mit dazu. Der Botſchaf-
ter erinnerte alſo noch die baldige Abtragung des Zinſes, nahm Abſchied von dem
Rath, und zog wieder nach Moſcau e).

Jn Liefland uͤbereilte man ſich mit nichts weniger als mit Herbeiſchaffung1558
der Zinſe. Dieſes bewog den Czaar bey Pleſcow eine Kriegsmacht von 40000
Man zuſammen zu ziehen. Die Oberbefehlshaberſtelle uͤber dieſes Heer trug er
einem tattariſchen Herrn, Namens Czaar Czigaley auf f), einem von Per-

ſon
e) Jn dieſem Jahr lies ſich ein ſeltſamer Menſch, mit Namen Juͤrgen, ſehen, welcher
von der Moſel durch Preuſſen angekommen war, und im haͤrteſten Winter nackend
und barfus, blos mit einem Sack bekleidet, herum gieng und die im Schwang gehen-
dem Laſter mit vielem Hochmuth beſtrafte. Er nahm weder Geld noch Brodt noch Klei-
der, als die er ſich mit Arbeit verdiente, wovon er auch in einem Tage mehr vor ſich
brachte als ein fauler Knecht in vielen Tagen nicht beſtellen konte. Er gieng dabey
fleißig zur Kirche, und wenn ihm die Prediger ſeinen Beruf von GOtt zur Beſtrafung
der Suͤnden zweifelhaft machten, ſo ſchalt er ſie fuͤr Heuchler. Dieſer wunderliche Se-
paratiſt verlor ſich auf dem Wege nach Narva, und man glaubt, die Bauren haben
ihn auf die Seite geſchaft. Siehe Ruſſov Bl. 39.
f) Bredenbach und ſeine Abſchreiber, Guaguini und Venator, nennen dieſen Herrn
Peter Siſegaleider, welches letztere in der rußiſchen Sprache 7 Galeien oder Ga-
leren
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[229/0247] Erzb. Wilhelm. zur Zeit der Regierung Wilhelms v. Fuͤrſtenberg. Beyfal, und es wurde gleich ein beſonderer Bote an den roͤmiſchen Kaiſer abge- fertiget, damit durch deſſen hoͤchſte Vermittelung und Geſandſchaft die Ungnade des Czaars von Liefland abgewendet wuͤrde. 1557 Als der Botſchafter Kelar Terpigorre nachher aufs Schlos kam und den verſiegelten Zinsbrief empfing, ſo befahl der Orator den Notarien die Proteſta- tion nieder zu ſchreiben. Da ſich der Botſchafter davon durch den Dolmetſcher verſtaͤndigen lies, ſprach er: Was hat mein Herr mit dem roͤmiſchen Kaiſer zu ſchaffen? Gebt mir den Brief. Komt die Zinſe nicht, ſo wird ſie mein Herr zu holen wiſſen. Einige Hofjunker begleiteten ihn ſo dann nach ſeinem Quartier, welchen er nach Gewohnheit den Brantewein vorſetzte. Er ſelbſt ſprang auf den Tiſch, und zog die Briefe aus dem Buſen, die ſein Diener vor ſeinen Augen in einen ſeidenen Schleier wickeln und in eine beſchlagene Lade legen muſte, zu dem er noch die Worte ſagte: Verwahre und hege mir das Kalb wohl, damit es gros und fet werde. Der Biſchof ſchickte ihm hierauf ein Geſchenk von Fiſchen, Fleiſch, weiſſem Brodt, Eyern, Gewuͤrze und allerhand Getraͤnken, weil der Czaar den lieflaͤndiſchen Geſandten ein gleiches zu thun pflegte. Der Magiſtrat wartete ihm ebenfals mit einigen Erfriſchungen auf, lies durch den Stadtkoch einige wohl- bereitete Gerichte auftragen, und dabey zuentbieten, wenn es ihm gefaͤllig ſey, wolte er ihm 2 Perſonen zur Geſelſchaft an die Tafel mit geben; welches dem Bot- ſchafter recht angenehm war. Kurz vor ſeinem Abſchiede legte der rußiſche Botſchafter bey dem Magi- ſtrat noch ein Gewerbe ab, da man ihn denn in der Kaͤmmerey mit Confect tractirte, hernach in den Reventer auf einen Seſſel nieder zu ſitzen noͤthigte, um ſeinen Vor- trag zu thun. Er hatte einen Ruſſen bey ſich, deſſen Bruder auf dem plesco- wiſchen Wege erſchlagen worden, und der deshalb bey dem Biſchof um eine Be- friedigung von etlichen 100 Thalern, aber vergeblich, angehalten. Nun muſten in Ruß- und Liefland, beſage der alten Kreuzbriefe, die Nachbaren, in deren Bezirk Raub oder Mordthaten begangen worden, dem Anverwandten des Erſchla- genen entweder die geraubten Guͤter erſtatten, oder den Thaͤter liefern; der Bi- ſchof hatte aber mit dem Rechte gegen dieſen Ruſſen etwas ſaumſelig verfahren. Man erſuchte alſo den Botſchafter um Geduld, bis die Nachbarn derſelben Ge- gend nach Doͤrpt verſchrieben wuͤrden. Der Botſchafter muthete der Stadt zu, das Geld ſo lange auszulegen, weil ſie wol 12 Tonnen von dieſer Waare unter dem Rathhaus liegen habe. Ob nun gleich dieſes ein falſches Geruͤchte war; ſo ver- ſetzte doch der Buͤrgermeiſter Joh. Dorſtelmann: Wenn auch ſo viel Geld da iſt, ſo haben doch die Staͤdte Riga und Revel den Schluͤſſel mit dazu. Der Botſchaf- ter erinnerte alſo noch die baldige Abtragung des Zinſes, nahm Abſchied von dem Rath, und zog wieder nach Moſcau e). Jn Liefland uͤbereilte man ſich mit nichts weniger als mit Herbeiſchaffung der Zinſe. Dieſes bewog den Czaar bey Pleſcow eine Kriegsmacht von 40000 Man zuſammen zu ziehen. Die Oberbefehlshaberſtelle uͤber dieſes Heer trug er einem tattariſchen Herrn, Namens Czaar Czigaley auf f), einem von Per- ſon 1558 e) Jn dieſem Jahr lies ſich ein ſeltſamer Menſch, mit Namen Juͤrgen, ſehen, welcher von der Moſel durch Preuſſen angekommen war, und im haͤrteſten Winter nackend und barfus, blos mit einem Sack bekleidet, herum gieng und die im Schwang gehen- dem Laſter mit vielem Hochmuth beſtrafte. Er nahm weder Geld noch Brodt noch Klei- der, als die er ſich mit Arbeit verdiente, wovon er auch in einem Tage mehr vor ſich brachte als ein fauler Knecht in vielen Tagen nicht beſtellen konte. Er gieng dabey fleißig zur Kirche, und wenn ihm die Prediger ſeinen Beruf von GOtt zur Beſtrafung der Suͤnden zweifelhaft machten, ſo ſchalt er ſie fuͤr Heuchler. Dieſer wunderliche Se- paratiſt verlor ſich auf dem Wege nach Narva, und man glaubt, die Bauren haben ihn auf die Seite geſchaft. Siehe Ruſſov Bl. 39. f) Bredenbach und ſeine Abſchreiber, Guaguini und Venator, nennen dieſen Herrn Peter Siſegaleider, welches letztere in der rußiſchen Sprache 7 Galeien oder Ga- leren M m m

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Zitationshilfe: [Lettus, Henricus]: Der Liefländischen Chronik Andrer Theil. Halle (Saale), 1753, S. 229. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lettus_chronik02_1753/247>, abgerufen am 23.11.2024.