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[Lettus, Henricus]: Der Liefländischen Chronik Andrer Theil. Halle (Saale), 1753.

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Leben und Thaten der liefländischen Ordensmeister,
1525ter welcher Demuth aber 7 Teufel steckten. Er gab sich für Luthers Schüler aus,
hielt in Dörpt am Frohnleichnamstage Winkelpredigten, brachte einige junge
Kaufgesellen auf seine Seite und lies sich durch diese neu gesamlete Gemeine in der
Schloskapelle zu U. L. Fr. auf die Kanzel setzen. Gleich den nächsten Sontag
darauf jagten diese verführten Neulinge die Priester und Sänger aus der Kapelle,
rissen die Bilder herunter, und verbranten sie auf dem Markt. Hierauf wandte
sich der Schwarm nach der Johanniskirche, brach die Orgel in Stücken, und
schlepten die Bilder mit zum Scheiterhaufen. Von hier ranten diese Störer zum
Dominicanerkloster, gaben den Mönchen den Laufzettel und liessen ihnen weiter
nichts als ihre Gebetbücher mit nehmen. Nun kam die Reihe ans Minoriten-
kloster, wo sich der Pater Gardian mit den Mönchen vorher aus dem Staube
gemacht hatte. Endlich gieng es über das Nonnenkloster Franziscanerordens
her, wobey doch nur den Nonnen angedeutet wurde, daß diejenigen, so ordentlich
heirathen wolten, bleiben könten; auch erhielt ein jeder das Bürgerrecht, welcher
die Mönchskutte ablegte. Jn dieser Blindheit vergrif man sich auch an der grie-
chischen
Kirche, und weil dergleichen zu Riga und Revel schon vorhin gesche-
hen, wurde der Czaar von Rußland so empfindlich, daß er in die Worte aus-
brach: Wenn der Papst und Kaiser ihre Pfaffen so übel tractiren lassen, so wol-
len wir es doch an unsrer Religion nicht leiden, und diesen Bilderstürmern den
Krieg ankündigen, so bald die Friedensjahre verlaufen seyn werden. Kurz nach-
her zog dieser unruhige Kürschner etliche hundert gemeine Leute zusammen und wol-
te die Domherren, welche man ihres Standes wegen bisher geschonet, ebenfals
zu Paaren treiben. Sie stiegen also den Domberg hinauf, alwo sie der Commen-
dant mit 13 seiner Trabanten erwartete, aber auch so unsanft empfieng, daß ih-
rer 4 blieben, 20 verwundet wurden, und die übrigen den Rückweg vom Berge
mehr herunter stürzten als liefen. Bey ihrer Ankunft in die Stadt zogen sie die

Sturm-
Bürgermeister löset einen goldenen Rock von einem Kirchenräuber ein, der um ein
Jesusbild gehangen, giebt den Werth davon den Armen, läst aber seiner Tochter dar-
aus eine güldene Halskette machen. Wie die Tochter mit der Kette in die Kirche trit,
verlangt der Priester die Gemeine solle aufstehen und auf die Knie fallen, denn das
Heiligthum werde getragen. Der Bürgermeister setzt den Priester zur Rede; dieser ge-
lobte auch das Stilschweigen an, doch muste er auch was von der Beute haben. Man
gab ihm also ein Stück Geld, mit welchem er nach Revel gieng. Ein anders von
gleichen Jnhalt lautet so: Zwey Bürger kommen am heil. Osterabend aus der Ma-
rien
kirche. Einer bittet den andern auf einen westphälischen Schinken zu Gaste, da
es doch strenger Fasttag war. Der andre brachte ein gut Huhn mit. Was geschicht?
Der Gast erstickte an einem Hünerbeine, und der erste ward den Tag nach Ostern von
dem bösen Geiste ergriffen, und seines westphälischen Schinkens halber zu Tode ge-
martert. Wie gieng es aber einer Bürgersfrau, die ihrer catholischen Magd am
Mariä Himmelfartstage die Badstube zu heitzen befohlen? die Magd wolte nicht.
Die Frau sagte: Maria war ja eben eine Frauensperson wie ich und meines gleichen,
ich wil die Stube warm haben; gleich brante ihre Badstube und 2 Häuser nieder, das
Bund Holz, so die catholische Magd getragen, fand man den andern Tag unversehrt
unter der glühenden Asche liegen. Ein Prediger reichte stat der Hostie eine scheiben-
weise zerschnittene Rübe herum. Ein anderer gab einem die Absolution ohne die Oh-
renbeichte ablegen zu lassen; welches so übel anschlug, daß der Absolvirte auf diese
Rechnung noch einen Ochsen stahl. Das ärgste hierbey war, daß damals vernünftige
Leute solche Dinge andächtig glaubten, die man heutiges Tages zu lesen oder zu berich-
ten sich schämen mus. Und wie verdreht lauten nicht manche Beichten? Der Edel-
man, schreibt Bredenbach, setzte für die Bauren in der Fasten zwey Tische hin, ei-
nen lutherischen und einen catholischen Tisch. Auf dem erstern stand deutsches
Brodt, stark Bier, Fleisch und Braten, auf dem andern schlecht Zugemüse und Taar
(ein auf geschrotenes Mehl gegossenes gekochtes Wasser). Und doch näherten sich die
meisten Gäste zu diesen letzten. Gewis weil sie kein Fleisch essen durften. Den Bau-
ertisch mit deutschem Brodte und Braten hat wol Bredenbach angerichtet, in Lief-
land
macht sich der Bauer, der an seine Kost gewöhnt ist, so wenig draus, als aus
frischen Austern.

Leben und Thaten der lieflaͤndiſchen Ordensmeiſter,
1525ter welcher Demuth aber 7 Teufel ſteckten. Er gab ſich fuͤr Luthers Schuͤler aus,
hielt in Doͤrpt am Frohnleichnamstage Winkelpredigten, brachte einige junge
Kaufgeſellen auf ſeine Seite und lies ſich durch dieſe neu geſamlete Gemeine in der
Schloskapelle zu U. L. Fr. auf die Kanzel ſetzen. Gleich den naͤchſten Sontag
darauf jagten dieſe verfuͤhrten Neulinge die Prieſter und Saͤnger aus der Kapelle,
riſſen die Bilder herunter, und verbranten ſie auf dem Markt. Hierauf wandte
ſich der Schwarm nach der Johanniskirche, brach die Orgel in Stuͤcken, und
ſchlepten die Bilder mit zum Scheiterhaufen. Von hier ranten dieſe Stoͤrer zum
Dominicanerkloſter, gaben den Moͤnchen den Laufzettel und lieſſen ihnen weiter
nichts als ihre Gebetbuͤcher mit nehmen. Nun kam die Reihe ans Minoriten-
kloſter, wo ſich der Pater Gardian mit den Moͤnchen vorher aus dem Staube
gemacht hatte. Endlich gieng es uͤber das Nonnenkloſter Franziſcanerordens
her, wobey doch nur den Nonnen angedeutet wurde, daß diejenigen, ſo ordentlich
heirathen wolten, bleiben koͤnten; auch erhielt ein jeder das Buͤrgerrecht, welcher
die Moͤnchskutte ablegte. Jn dieſer Blindheit vergrif man ſich auch an der grie-
chiſchen
Kirche, und weil dergleichen zu Riga und Revel ſchon vorhin geſche-
hen, wurde der Czaar von Rußland ſo empfindlich, daß er in die Worte aus-
brach: Wenn der Papſt und Kaiſer ihre Pfaffen ſo uͤbel tractiren laſſen, ſo wol-
len wir es doch an unſrer Religion nicht leiden, und dieſen Bilderſtuͤrmern den
Krieg ankuͤndigen, ſo bald die Friedensjahre verlaufen ſeyn werden. Kurz nach-
her zog dieſer unruhige Kuͤrſchner etliche hundert gemeine Leute zuſammen und wol-
te die Domherren, welche man ihres Standes wegen bisher geſchonet, ebenfals
zu Paaren treiben. Sie ſtiegen alſo den Domberg hinauf, alwo ſie der Commen-
dant mit 13 ſeiner Trabanten erwartete, aber auch ſo unſanft empfieng, daß ih-
rer 4 blieben, 20 verwundet wurden, und die uͤbrigen den Ruͤckweg vom Berge
mehr herunter ſtuͤrzten als liefen. Bey ihrer Ankunft in die Stadt zogen ſie die

Sturm-
Buͤrgermeiſter loͤſet einen goldenen Rock von einem Kirchenraͤuber ein, der um ein
Jeſusbild gehangen, giebt den Werth davon den Armen, laͤſt aber ſeiner Tochter dar-
aus eine guͤldene Halskette machen. Wie die Tochter mit der Kette in die Kirche trit,
verlangt der Prieſter die Gemeine ſolle aufſtehen und auf die Knie fallen, denn das
Heiligthum werde getragen. Der Buͤrgermeiſter ſetzt den Prieſter zur Rede; dieſer ge-
lobte auch das Stilſchweigen an, doch muſte er auch was von der Beute haben. Man
gab ihm alſo ein Stuͤck Geld, mit welchem er nach Revel gieng. Ein anders von
gleichen Jnhalt lautet ſo: Zwey Buͤrger kommen am heil. Oſterabend aus der Ma-
rien
kirche. Einer bittet den andern auf einen weſtphaͤliſchen Schinken zu Gaſte, da
es doch ſtrenger Faſttag war. Der andre brachte ein gut Huhn mit. Was geſchicht?
Der Gaſt erſtickte an einem Huͤnerbeine, und der erſte ward den Tag nach Oſtern von
dem boͤſen Geiſte ergriffen, und ſeines weſtphaͤliſchen Schinkens halber zu Tode ge-
martert. Wie gieng es aber einer Buͤrgersfrau, die ihrer catholiſchen Magd am
Mariaͤ Himmelfartstage die Badſtube zu heitzen befohlen? die Magd wolte nicht.
Die Frau ſagte: Maria war ja eben eine Frauensperſon wie ich und meines gleichen,
ich wil die Stube warm haben; gleich brante ihre Badſtube und 2 Haͤuſer nieder, das
Bund Holz, ſo die catholiſche Magd getragen, fand man den andern Tag unverſehrt
unter der gluͤhenden Aſche liegen. Ein Prediger reichte ſtat der Hoſtie eine ſcheiben-
weiſe zerſchnittene Ruͤbe herum. Ein anderer gab einem die Abſolution ohne die Oh-
renbeichte ablegen zu laſſen; welches ſo uͤbel anſchlug, daß der Abſolvirte auf dieſe
Rechnung noch einen Ochſen ſtahl. Das aͤrgſte hierbey war, daß damals vernuͤnftige
Leute ſolche Dinge andaͤchtig glaubten, die man heutiges Tages zu leſen oder zu berich-
ten ſich ſchaͤmen mus. Und wie verdreht lauten nicht manche Beichten? Der Edel-
man, ſchreibt Bredenbach, ſetzte fuͤr die Bauren in der Faſten zwey Tiſche hin, ei-
nen lutheriſchen und einen catholiſchen Tiſch. Auf dem erſtern ſtand deutſches
Brodt, ſtark Bier, Fleiſch und Braten, auf dem andern ſchlecht Zugemuͤſe und Taar
(ein auf geſchrotenes Mehl gegoſſenes gekochtes Waſſer). Und doch naͤherten ſich die
meiſten Gaͤſte zu dieſen letzten. Gewis weil ſie kein Fleiſch eſſen durften. Den Bau-
ertiſch mit deutſchem Brodte und Braten hat wol Bredenbach angerichtet, in Lief-
land
macht ſich der Bauer, der an ſeine Koſt gewoͤhnt iſt, ſo wenig draus, als aus
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[194/0212] Leben und Thaten der lieflaͤndiſchen Ordensmeiſter, ter welcher Demuth aber 7 Teufel ſteckten. Er gab ſich fuͤr Luthers Schuͤler aus, hielt in Doͤrpt am Frohnleichnamstage Winkelpredigten, brachte einige junge Kaufgeſellen auf ſeine Seite und lies ſich durch dieſe neu geſamlete Gemeine in der Schloskapelle zu U. L. Fr. auf die Kanzel ſetzen. Gleich den naͤchſten Sontag darauf jagten dieſe verfuͤhrten Neulinge die Prieſter und Saͤnger aus der Kapelle, riſſen die Bilder herunter, und verbranten ſie auf dem Markt. Hierauf wandte ſich der Schwarm nach der Johanniskirche, brach die Orgel in Stuͤcken, und ſchlepten die Bilder mit zum Scheiterhaufen. Von hier ranten dieſe Stoͤrer zum Dominicanerkloſter, gaben den Moͤnchen den Laufzettel und lieſſen ihnen weiter nichts als ihre Gebetbuͤcher mit nehmen. Nun kam die Reihe ans Minoriten- kloſter, wo ſich der Pater Gardian mit den Moͤnchen vorher aus dem Staube gemacht hatte. Endlich gieng es uͤber das Nonnenkloſter Franziſcanerordens her, wobey doch nur den Nonnen angedeutet wurde, daß diejenigen, ſo ordentlich heirathen wolten, bleiben koͤnten; auch erhielt ein jeder das Buͤrgerrecht, welcher die Moͤnchskutte ablegte. Jn dieſer Blindheit vergrif man ſich auch an der grie- chiſchen Kirche, und weil dergleichen zu Riga und Revel ſchon vorhin geſche- hen, wurde der Czaar von Rußland ſo empfindlich, daß er in die Worte aus- brach: Wenn der Papſt und Kaiſer ihre Pfaffen ſo uͤbel tractiren laſſen, ſo wol- len wir es doch an unſrer Religion nicht leiden, und dieſen Bilderſtuͤrmern den Krieg ankuͤndigen, ſo bald die Friedensjahre verlaufen ſeyn werden. Kurz nach- her zog dieſer unruhige Kuͤrſchner etliche hundert gemeine Leute zuſammen und wol- te die Domherren, welche man ihres Standes wegen bisher geſchonet, ebenfals zu Paaren treiben. Sie ſtiegen alſo den Domberg hinauf, alwo ſie der Commen- dant mit 13 ſeiner Trabanten erwartete, aber auch ſo unſanft empfieng, daß ih- rer 4 blieben, 20 verwundet wurden, und die uͤbrigen den Ruͤckweg vom Berge mehr herunter ſtuͤrzten als liefen. Bey ihrer Ankunft in die Stadt zogen ſie die Sturm- p) 1525 p) Buͤrgermeiſter loͤſet einen goldenen Rock von einem Kirchenraͤuber ein, der um ein Jeſusbild gehangen, giebt den Werth davon den Armen, laͤſt aber ſeiner Tochter dar- aus eine guͤldene Halskette machen. Wie die Tochter mit der Kette in die Kirche trit, verlangt der Prieſter die Gemeine ſolle aufſtehen und auf die Knie fallen, denn das Heiligthum werde getragen. Der Buͤrgermeiſter ſetzt den Prieſter zur Rede; dieſer ge- lobte auch das Stilſchweigen an, doch muſte er auch was von der Beute haben. Man gab ihm alſo ein Stuͤck Geld, mit welchem er nach Revel gieng. Ein anders von gleichen Jnhalt lautet ſo: Zwey Buͤrger kommen am heil. Oſterabend aus der Ma- rienkirche. Einer bittet den andern auf einen weſtphaͤliſchen Schinken zu Gaſte, da es doch ſtrenger Faſttag war. Der andre brachte ein gut Huhn mit. Was geſchicht? Der Gaſt erſtickte an einem Huͤnerbeine, und der erſte ward den Tag nach Oſtern von dem boͤſen Geiſte ergriffen, und ſeines weſtphaͤliſchen Schinkens halber zu Tode ge- martert. Wie gieng es aber einer Buͤrgersfrau, die ihrer catholiſchen Magd am Mariaͤ Himmelfartstage die Badſtube zu heitzen befohlen? die Magd wolte nicht. Die Frau ſagte: Maria war ja eben eine Frauensperſon wie ich und meines gleichen, ich wil die Stube warm haben; gleich brante ihre Badſtube und 2 Haͤuſer nieder, das Bund Holz, ſo die catholiſche Magd getragen, fand man den andern Tag unverſehrt unter der gluͤhenden Aſche liegen. Ein Prediger reichte ſtat der Hoſtie eine ſcheiben- weiſe zerſchnittene Ruͤbe herum. Ein anderer gab einem die Abſolution ohne die Oh- renbeichte ablegen zu laſſen; welches ſo uͤbel anſchlug, daß der Abſolvirte auf dieſe Rechnung noch einen Ochſen ſtahl. Das aͤrgſte hierbey war, daß damals vernuͤnftige Leute ſolche Dinge andaͤchtig glaubten, die man heutiges Tages zu leſen oder zu berich- ten ſich ſchaͤmen mus. Und wie verdreht lauten nicht manche Beichten? Der Edel- man, ſchreibt Bredenbach, ſetzte fuͤr die Bauren in der Faſten zwey Tiſche hin, ei- nen lutheriſchen und einen catholiſchen Tiſch. Auf dem erſtern ſtand deutſches Brodt, ſtark Bier, Fleiſch und Braten, auf dem andern ſchlecht Zugemuͤſe und Taar (ein auf geſchrotenes Mehl gegoſſenes gekochtes Waſſer). Und doch naͤherten ſich die meiſten Gaͤſte zu dieſen letzten. Gewis weil ſie kein Fleiſch eſſen durften. Den Bau- ertiſch mit deutſchem Brodte und Braten hat wol Bredenbach angerichtet, in Lief- land macht ſich der Bauer, der an ſeine Koſt gewoͤhnt iſt, ſo wenig draus, als aus friſchen Auſtern.

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Zitationshilfe: [Lettus, Henricus]: Der Liefländischen Chronik Andrer Theil. Halle (Saale), 1753, S. 194. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lettus_chronik02_1753/212>, abgerufen am 28.04.2024.