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Lessing, Gotthold Ephraim: Nathan der Weise. Berlin, 1779.

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Jst Unsinn oder Gotteslästerung. --
Allein es schadet; ja, es schadet allerdings. --
Kommt! hört mir zu. -- Nicht wahr? dem Wesen, das
Dich rettete, -- es sey ein Engel oder
Ein Mensch, -- dem möchtet ihr, und du besonders,
Gern wieder viele große Dienste thun? --
Nicht wahr? -- Nun, einem Engel, was für Dienste,
Für große Dienste könnt ihr dem wohl thun?
Jhr könnt ihm danken; zu ihm seufzen, beten;
Könnt in Entzückung über ihm zerschmelzen;
Könnt an dem Tage seiner Feyer fasten,
Almosen spenden. -- Alles nichts. -- Denn mich
Deucht immer, daß ihr selbst und euer Nächster
Hierbey weit mehr gewinnt, als er. Er wird
Nicht fett durch euer Fasten; wird nicht reich
Durch eure Spenden; wird nicht herrlicher
Durch eur Entzücken; wird nicht mächtiger
Durch eur Vertrauen. Nicht wahr? Allein ein Mensch!
Daja.
Ey freylich hätt' ein Mensch, etwas für ihn
Zu thun uns mehr Gelegenheit verschafft.
Und Gott weiß, wie bereit wir dazu waren!
Allein er wollte ja, bedurfte ja
So völlig nichts; war in sich, mit sich so
Vergnügsam, als nur Engel sind, nur Engel
Seyn können.
Recha.
Endlich, als er gar verschwand ...
Nathan.
Jſt Unſinn oder Gotteslaͤſterung. —
Allein es ſchadet; ja, es ſchadet allerdings. —
Kommt! hoͤrt mir zu. — Nicht wahr? dem Weſen, das
Dich rettete, — es ſey ein Engel oder
Ein Menſch, — dem moͤchtet ihr, und du beſonders,
Gern wieder viele große Dienſte thun? —
Nicht wahr? — Nun, einem Engel, was fuͤr Dienſte,
Fuͤr große Dienſte koͤnnt ihr dem wohl thun?
Jhr koͤnnt ihm danken; zu ihm ſeufzen, beten;
Koͤnnt in Entzuͤckung uͤber ihm zerſchmelzen;
Koͤnnt an dem Tage ſeiner Feyer faſten,
Almoſen ſpenden. — Alles nichts. — Denn mich
Deucht immer, daß ihr ſelbſt und euer Naͤchſter
Hierbey weit mehr gewinnt, als er. Er wird
Nicht fett durch euer Faſten; wird nicht reich
Durch eure Spenden; wird nicht herrlicher
Durch eur Entzuͤcken; wird nicht maͤchtiger
Durch eur Vertrauen. Nicht wahr? Allein ein Menſch!
Daja.
Ey freylich haͤtt’ ein Menſch, etwas fuͤr ihn
Zu thun uns mehr Gelegenheit verſchafft.
Und Gott weiß, wie bereit wir dazu waren!
Allein er wollte ja, bedurfte ja
So voͤllig nichts; war in ſich, mit ſich ſo
Vergnuͤgſam, als nur Engel ſind, nur Engel
Seyn koͤnnen.
Recha.
Endlich, als er gar verſchwand ...
Nathan.
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[18/0026] Jſt Unſinn oder Gotteslaͤſterung. — Allein es ſchadet; ja, es ſchadet allerdings. — Kommt! hoͤrt mir zu. — Nicht wahr? dem Weſen, das Dich rettete, — es ſey ein Engel oder Ein Menſch, — dem moͤchtet ihr, und du beſonders, Gern wieder viele große Dienſte thun? — Nicht wahr? — Nun, einem Engel, was fuͤr Dienſte, Fuͤr große Dienſte koͤnnt ihr dem wohl thun? Jhr koͤnnt ihm danken; zu ihm ſeufzen, beten; Koͤnnt in Entzuͤckung uͤber ihm zerſchmelzen; Koͤnnt an dem Tage ſeiner Feyer faſten, Almoſen ſpenden. — Alles nichts. — Denn mich Deucht immer, daß ihr ſelbſt und euer Naͤchſter Hierbey weit mehr gewinnt, als er. Er wird Nicht fett durch euer Faſten; wird nicht reich Durch eure Spenden; wird nicht herrlicher Durch eur Entzuͤcken; wird nicht maͤchtiger Durch eur Vertrauen. Nicht wahr? Allein ein Menſch! Daja. Ey freylich haͤtt’ ein Menſch, etwas fuͤr ihn Zu thun uns mehr Gelegenheit verſchafft. Und Gott weiß, wie bereit wir dazu waren! Allein er wollte ja, bedurfte ja So voͤllig nichts; war in ſich, mit ſich ſo Vergnuͤgſam, als nur Engel ſind, nur Engel Seyn koͤnnen. Recha. Endlich, als er gar verſchwand ... Nathan.

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Zitationshilfe: Lessing, Gotthold Ephraim: Nathan der Weise. Berlin, 1779, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_nathan_1779/26>, abgerufen am 22.11.2024.