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Lessing, Gotthold Ephraim: Nathan der Weise. Berlin, 1779.

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Tempelherr.
Daß mir
Geträumt, ein Jude könn' auch wohl ein Jude
Zu seyn verlernen; daß wir wachend so
Geträumt.
Saladin.
Heraus mit diesem wachen Traume!
Tempelherr.
Du weißt von Nathans Tochter, Sultan. Was
Jch für sie that, das that ich, -- weil ichs that.
Zu stolz, Dank einzuerndten, wo ich ihn
Nicht säete, verschmäht ich Tag für Tag
Das Mädchen noch einmal zu sehn. Der Vater
War fern; er kömmt; er hört; er sucht mich auf;
Er dankt; er wünscht, daß seine Tochter mir
Gefallen möge; spricht von Aussicht, spricht
Von heitern Fernen. -- Nun, ich lasse mich
Beschwatzen, komme, sehe, finde wirklich
Ein Mädchen ... Ah, ich muß mich schämen, Sultan! --
Saladin.
Dich schämen? -- daß ein Judenmädchen auf
Dich Eindruck machte: doch wohl nimmermehr?
Tempelherr.
Daß diesem Eindruck, auf das liebliche
Geschwätz des Vaters hin, mein rasches Herz
So wenig Widerstand entgegen setzte! --
Jch
Tempelherr.
Daß mir
Getraͤumt, ein Jude koͤnn’ auch wohl ein Jude
Zu ſeyn verlernen; daß wir wachend ſo
Getraͤumt.
Saladin.
Heraus mit dieſem wachen Traume!
Tempelherr.
Du weißt von Nathans Tochter, Sultan. Was
Jch fuͤr ſie that, das that ich, — weil ichs that.
Zu ſtolz, Dank einzuerndten, wo ich ihn
Nicht ſaͤete, verſchmaͤht ich Tag fuͤr Tag
Das Maͤdchen noch einmal zu ſehn. Der Vater
War fern; er koͤmmt; er hoͤrt; er ſucht mich auf;
Er dankt; er wuͤnſcht, daß ſeine Tochter mir
Gefallen moͤge; ſpricht von Ausſicht, ſpricht
Von heitern Fernen. — Nun, ich laſſe mich
Beſchwatzen, komme, ſehe, finde wirklich
Ein Maͤdchen … Ah, ich muß mich ſchaͤmen, Sultan! —
Saladin.
Dich ſchaͤmen? — daß ein Judenmaͤdchen auf
Dich Eindruck machte: doch wohl nimmermehr?
Tempelherr.
Daß dieſem Eindruck, auf das liebliche
Geſchwaͤtz des Vaters hin, mein raſches Herz
So wenig Widerſtand entgegen ſetzte! —
Jch
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[168/0176] Tempelherr. Daß mir Getraͤumt, ein Jude koͤnn’ auch wohl ein Jude Zu ſeyn verlernen; daß wir wachend ſo Getraͤumt. Saladin. Heraus mit dieſem wachen Traume! Tempelherr. Du weißt von Nathans Tochter, Sultan. Was Jch fuͤr ſie that, das that ich, — weil ichs that. Zu ſtolz, Dank einzuerndten, wo ich ihn Nicht ſaͤete, verſchmaͤht ich Tag fuͤr Tag Das Maͤdchen noch einmal zu ſehn. Der Vater War fern; er koͤmmt; er hoͤrt; er ſucht mich auf; Er dankt; er wuͤnſcht, daß ſeine Tochter mir Gefallen moͤge; ſpricht von Ausſicht, ſpricht Von heitern Fernen. — Nun, ich laſſe mich Beſchwatzen, komme, ſehe, finde wirklich Ein Maͤdchen … Ah, ich muß mich ſchaͤmen, Sultan! — Saladin. Dich ſchaͤmen? — daß ein Judenmaͤdchen auf Dich Eindruck machte: doch wohl nimmermehr? Tempelherr. Daß dieſem Eindruck, auf das liebliche Geſchwaͤtz des Vaters hin, mein raſches Herz So wenig Widerſtand entgegen ſetzte! — Jch

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Zitationshilfe: Lessing, Gotthold Ephraim: Nathan der Weise. Berlin, 1779, S. 168. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_nathan_1779/176>, abgerufen am 26.04.2024.