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Lessing, Gotthold Ephraim: Nathan der Weise. Berlin, 1779.

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Nathan.
Bis dadurch abgeschrekt ...
Daja.
Nichts weniger!
Jch trat ihn jeden Tag von neuem an;
Ließ jeden Tag von neuem mich verhöhnen.
Was litt ich nicht von ihm! Was hätt' ich nicht
Noch gern ertragen! -- aber lange schon
Kommt er nicht mehr, die Palmen zu besuchen,
Die unsers Auferstandnen Grab umschatten;
Und niemand weiß, wo er geblieben ist. --
Jhr staunt? Jhr sinnt?
Nathan.
Jch überdenke mir,
Was das auf einen Geist, wie Rechas, wohl
Für Eindruck machen muß. Sich so verschmäht
Von dem zu finden, den man hochzuschätzen
Sich so gezwungen fühlt; so weggestoßen,
Und doch so angezogen werden; -- Traun,
Da müssen Herz und Kopf sich lange zanken,
Ob Menschenhaß, ob Schwermuth siegen soll.
Oft siegt auch keines; und die Phantasie,
Die in den Streit sich mengt, macht Schwärmer,
Bey welchen bald der Kopf das Herz, und bald
Das Herz den Kopf muß spielen. -- Schlimmer Tausch! --
Das letztere, verkenn' ich Recha nicht,
Jst Rechas Fall: sie schwärmt.

Daja.
A 5
Nathan.
Bis dadurch abgeſchrekt ...
Daja.
Nichts weniger!
Jch trat ihn jeden Tag von neuem an;
Ließ jeden Tag von neuem mich verhoͤhnen.
Was litt ich nicht von ihm! Was haͤtt’ ich nicht
Noch gern ertragen! — aber lange ſchon
Kommt er nicht mehr, die Palmen zu beſuchen,
Die unſers Auferſtandnen Grab umſchatten;
Und niemand weiß, wo er geblieben iſt. —
Jhr ſtaunt? Jhr ſinnt?
Nathan.
Jch uͤberdenke mir,
Was das auf einen Geiſt, wie Rechas, wohl
Fuͤr Eindruck machen muß. Sich ſo verſchmaͤht
Von dem zu finden, den man hochzuſchaͤtzen
Sich ſo gezwungen fuͤhlt; ſo weggeſtoßen,
Und doch ſo angezogen werden; — Traun,
Da muͤſſen Herz und Kopf ſich lange zanken,
Ob Menſchenhaß, ob Schwermuth ſiegen ſoll.
Oft ſiegt auch keines; und die Phantaſie,
Die in den Streit ſich mengt, macht Schwaͤrmer,
Bey welchen bald der Kopf das Herz, und bald
Das Herz den Kopf muß ſpielen. — Schlimmer Tauſch! —
Das letztere, verkenn’ ich Recha nicht,
Jſt Rechas Fall: ſie ſchwaͤrmt.

Daja.
A 5
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[9/0017] Nathan. Bis dadurch abgeſchrekt ... Daja. Nichts weniger! Jch trat ihn jeden Tag von neuem an; Ließ jeden Tag von neuem mich verhoͤhnen. Was litt ich nicht von ihm! Was haͤtt’ ich nicht Noch gern ertragen! — aber lange ſchon Kommt er nicht mehr, die Palmen zu beſuchen, Die unſers Auferſtandnen Grab umſchatten; Und niemand weiß, wo er geblieben iſt. — Jhr ſtaunt? Jhr ſinnt? Nathan. Jch uͤberdenke mir, Was das auf einen Geiſt, wie Rechas, wohl Fuͤr Eindruck machen muß. Sich ſo verſchmaͤht Von dem zu finden, den man hochzuſchaͤtzen Sich ſo gezwungen fuͤhlt; ſo weggeſtoßen, Und doch ſo angezogen werden; — Traun, Da muͤſſen Herz und Kopf ſich lange zanken, Ob Menſchenhaß, ob Schwermuth ſiegen ſoll. Oft ſiegt auch keines; und die Phantaſie, Die in den Streit ſich mengt, macht Schwaͤrmer, Bey welchen bald der Kopf das Herz, und bald Das Herz den Kopf muß ſpielen. — Schlimmer Tauſch! — Das letztere, verkenn’ ich Recha nicht, Jſt Rechas Fall: ſie ſchwaͤrmt. Daja. A 5

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Zitationshilfe: Lessing, Gotthold Ephraim: Nathan der Weise. Berlin, 1779, S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_nathan_1779/17>, abgerufen am 22.11.2024.