Lessing, Gotthold Ephraim: Minna von Barnhelm, oder das Soldatenglück. Berlin, 1767.Minna von Barnhelm, bin ich eben so wenig, -- als ich mein Vater bin. Beide sind gewesen. -- Jch bin Tellheim, der verabschiedete, der an seiner Ehre gekränkte, der Kriepel, der Bettler. -- Jenem, mein Fräu- lein, versprachen Sie Sich: wollen Sie diesem Wort halten? -- Das Fräulein. Das klingt sehr tragisch! -- Doch, mein Herr, bis ich jenen wieder finde, -- in die Tellheims bin ich nun einmal vernarret, -- die- ser wird mir schon aus der Noth helfen müssen. -- Deine Hand, lieber Bettler! (indem sie ihn bey der Hand ergreift) v. Tellheim. (der die andere Hand mit dem Hute vor das Gesicht schlägt, und sich von ihr abwendet) Das ist zu viel! -- Wo bin ich? -- Lassen Sie mich, Fräu- lein! -- Jhre Güte foltert mich! -- Lassen Sie mich. Das Fräulein. Was ist Jhnen? wo wollen Sie hin? v. Tellheim. Von Jhnen -- Das Fräulein. Von mir? (indem sie seine Hand an ihre Brust zieht) Träumer! v. Tellheim. Die Verzweiflung wird mich tod zu Jhren Füßen werfen. Das
Minna von Barnhelm, bin ich eben ſo wenig, — als ich mein Vater bin. Beide ſind geweſen. — Jch bin Tellheim, der verabſchiedete, der an ſeiner Ehre gekraͤnkte, der Kriepel, der Bettler. — Jenem, mein Fraͤu- lein, verſprachen Sie Sich: wollen Sie dieſem Wort halten? — Das Fraͤulein. Das klingt ſehr tragiſch! — Doch, mein Herr, bis ich jenen wieder finde, — in die Tellheims bin ich nun einmal vernarret, — die- ſer wird mir ſchon aus der Noth helfen muͤſſen. — Deine Hand, lieber Bettler! (indem ſie ihn bey der Hand ergreift) v. Tellheim. (der die andere Hand mit dem Hute vor das Geſicht ſchlaͤgt, und ſich von ihr abwendet) Das iſt zu viel! — Wo bin ich? — Laſſen Sie mich, Fraͤu- lein! — Jhre Guͤte foltert mich! — Laſſen Sie mich. Das Fraͤulein. Was iſt Jhnen? wo wollen Sie hin? v. Tellheim. Von Jhnen — Das Fraͤulein. Von mir? (indem ſie ſeine Hand an ihre Bruſt zieht) Traͤumer! v. Tellheim. Die Verzweiflung wird mich tod zu Jhren Fuͤßen werfen. Das
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Minna von Barnhelm,
bin ich eben ſo wenig, — als ich mein Vater bin.
Beide ſind geweſen. — Jch bin Tellheim, der
verabſchiedete, der an ſeiner Ehre gekraͤnkte, der
Kriepel, der Bettler. — Jenem, mein Fraͤu-
lein, verſprachen Sie Sich: wollen Sie dieſem
Wort halten? —
Das Fraͤulein. Das klingt ſehr tragiſch! —
Doch, mein Herr, bis ich jenen wieder finde, —
in die Tellheims bin ich nun einmal vernarret, — die-
ſer wird mir ſchon aus der Noth helfen muͤſſen. —
Deine Hand, lieber Bettler! (indem ſie ihn bey der
Hand ergreift)
v. Tellheim. (der die andere Hand mit dem Hute
vor das Geſicht ſchlaͤgt, und ſich von ihr abwendet) Das iſt
zu viel! — Wo bin ich? — Laſſen Sie mich, Fraͤu-
lein! — Jhre Guͤte foltert mich! — Laſſen Sie mich.
Das Fraͤulein. Was iſt Jhnen? wo wollen
Sie hin?
v. Tellheim. Von Jhnen —
Das Fraͤulein. Von mir? (indem ſie ſeine Hand
an ihre Bruſt zieht) Traͤumer!
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tod zu Jhren Fuͤßen werfen.
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