Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lessing, Gotthold Ephraim: Minna von Barnhelm, oder das Soldatenglück. Berlin, 1767.

Bild:
<< vorherige Seite
oder das Soldatenglück.


zustellen, dem ich entsagen muß. Mein Ver-
lust --
v. Tellheim. Jhr Verlust? -- Was nennen
Sie Jhren Verlust? Alles, was Minna verlieren
konnte, ist nicht Minna. Sie sind noch das
süsseste, lieblichste, holdseligste, beste Geschöpf un-
ter der Sonne; ganz Güte und Großmuth, ganz
Unschuld und Freude! -- Dann und wann ein kleiner
Muthwille; hier und da ein wenig Eigensinn --
Desto beßer! desto beßer! Minna wäre sonst ein En-
gel, den ich mit Schaudern verehren müßte, den ich
nicht lieben könnte.
(ergreift ihre Hand, sie zu küßen)
Das Fräulein. (die ihre Hand zurück zieht) Nicht
so, mein Herr! -- Wie auf einmal so verändert?
-- Jst dieser schmeichelnde, stürmische Liebhaber
der kalte Tellheim? -- Konnte nur sein wieder-
kehrendes Glück ihn in dieses Feuer setzen? -- Er
erlaube mir, daß ich, bey seiner fliegenden Hitze,
für uns beide Ueberlegung behalte -- Als er selbst
überlegen konnte, hörte ich ihn sagen; es sey eine
nichtswürdige Liebe, die kein Bedenken trage,
ihren Gegenstand der Verachtung auszusetzen. --
Recht; aber ich bestrebe mich einer eben so reinen
und
oder das Soldatengluͤck.


zuſtellen, dem ich entſagen muß. Mein Ver-
luſt —
v. Tellheim. Jhr Verluſt? — Was nennen
Sie Jhren Verluſt? Alles, was Minna verlieren
konnte, iſt nicht Minna. Sie ſind noch das
ſuͤſſeſte, lieblichſte, holdſeligſte, beſte Geſchoͤpf un-
ter der Sonne; ganz Guͤte und Großmuth, ganz
Unſchuld und Freude! — Dann und wann ein kleiner
Muthwille; hier und da ein wenig Eigenſinn —
Deſto beßer! deſto beßer! Minna waͤre ſonſt ein En-
gel, den ich mit Schaudern verehren muͤßte, den ich
nicht lieben koͤnnte.
(ergreift ihre Hand, ſie zu kuͤßen)
Das Fraͤulein. (die ihre Hand zuruͤck zieht) Nicht
ſo, mein Herr! — Wie auf einmal ſo veraͤndert?
— Jſt dieſer ſchmeichelnde, ſtuͤrmiſche Liebhaber
der kalte Tellheim? — Konnte nur ſein wieder-
kehrendes Gluͤck ihn in dieſes Feuer ſetzen? — Er
erlaube mir, daß ich, bey ſeiner fliegenden Hitze,
fuͤr uns beide Ueberlegung behalte — Als er ſelbſt
uͤberlegen konnte, hoͤrte ich ihn ſagen; es ſey eine
nichtswuͤrdige Liebe, die kein Bedenken trage,
ihren Gegenſtand der Verachtung auszuſetzen. —
Recht; aber ich beſtrebe mich einer eben ſo reinen
und
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <sp who="#MIN">
            <p><pb facs="#f0177" n="173"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">oder das Soldatenglu&#x0364;ck.</hi></fw><lb/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
zu&#x017F;tellen, dem ich ent&#x017F;agen muß. Mein Ver-<lb/>
lu&#x017F;t &#x2014;</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#TEL">
            <speaker> <hi rendition="#fr">v. Tellheim.</hi> </speaker>
            <p>Jhr Verlu&#x017F;t? &#x2014; Was nennen<lb/>
Sie Jhren Verlu&#x017F;t? Alles, was Minna verlieren<lb/>
konnte, i&#x017F;t nicht Minna. Sie &#x017F;ind noch das<lb/>
&#x017F;u&#x0364;&#x017F;&#x017F;e&#x017F;te, lieblich&#x017F;te, hold&#x017F;elig&#x017F;te, be&#x017F;te Ge&#x017F;cho&#x0364;pf un-<lb/>
ter der Sonne; ganz Gu&#x0364;te und Großmuth, ganz<lb/>
Un&#x017F;chuld und Freude! &#x2014; Dann und wann ein kleiner<lb/>
Muthwille; hier und da ein wenig Eigen&#x017F;inn &#x2014;<lb/>
De&#x017F;to beßer! de&#x017F;to beßer! Minna wa&#x0364;re &#x017F;on&#x017F;t ein En-<lb/>
gel, den ich mit Schaudern verehren mu&#x0364;ßte, den ich<lb/>
nicht lieben ko&#x0364;nnte.</p>
            <stage>(ergreift ihre Hand, &#x017F;ie zu ku&#x0364;ßen)</stage><lb/>
          </sp>
          <sp who="#MIN">
            <speaker> <hi rendition="#fr">Das Fra&#x0364;ulein.</hi> </speaker>
            <stage>(die ihre Hand zuru&#x0364;ck zieht)</stage>
            <p>Nicht<lb/>
&#x017F;o, mein Herr! &#x2014; Wie auf einmal &#x017F;o vera&#x0364;ndert?<lb/>
&#x2014; J&#x017F;t die&#x017F;er &#x017F;chmeichelnde, &#x017F;tu&#x0364;rmi&#x017F;che Liebhaber<lb/>
der kalte Tellheim? &#x2014; Konnte nur &#x017F;ein wieder-<lb/>
kehrendes Glu&#x0364;ck ihn in die&#x017F;es Feuer &#x017F;etzen? &#x2014; Er<lb/>
erlaube mir, daß ich, bey &#x017F;einer fliegenden Hitze,<lb/>
fu&#x0364;r uns beide Ueberlegung behalte &#x2014; Als er &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
u&#x0364;berlegen konnte, ho&#x0364;rte ich ihn &#x017F;agen; es &#x017F;ey eine<lb/>
nichtswu&#x0364;rdige Liebe, die kein Bedenken trage,<lb/>
ihren Gegen&#x017F;tand der Verachtung auszu&#x017F;etzen. &#x2014;<lb/>
Recht; aber ich be&#x017F;trebe mich einer eben &#x017F;o reinen<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">und</fw><lb/></p>
          </sp>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[173/0177] oder das Soldatengluͤck. zuſtellen, dem ich entſagen muß. Mein Ver- luſt — v. Tellheim. Jhr Verluſt? — Was nennen Sie Jhren Verluſt? Alles, was Minna verlieren konnte, iſt nicht Minna. Sie ſind noch das ſuͤſſeſte, lieblichſte, holdſeligſte, beſte Geſchoͤpf un- ter der Sonne; ganz Guͤte und Großmuth, ganz Unſchuld und Freude! — Dann und wann ein kleiner Muthwille; hier und da ein wenig Eigenſinn — Deſto beßer! deſto beßer! Minna waͤre ſonſt ein En- gel, den ich mit Schaudern verehren muͤßte, den ich nicht lieben koͤnnte. (ergreift ihre Hand, ſie zu kuͤßen) Das Fraͤulein. (die ihre Hand zuruͤck zieht) Nicht ſo, mein Herr! — Wie auf einmal ſo veraͤndert? — Jſt dieſer ſchmeichelnde, ſtuͤrmiſche Liebhaber der kalte Tellheim? — Konnte nur ſein wieder- kehrendes Gluͤck ihn in dieſes Feuer ſetzen? — Er erlaube mir, daß ich, bey ſeiner fliegenden Hitze, fuͤr uns beide Ueberlegung behalte — Als er ſelbſt uͤberlegen konnte, hoͤrte ich ihn ſagen; es ſey eine nichtswuͤrdige Liebe, die kein Bedenken trage, ihren Gegenſtand der Verachtung auszuſetzen. — Recht; aber ich beſtrebe mich einer eben ſo reinen und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_minna_1767
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_minna_1767/177
Zitationshilfe: Lessing, Gotthold Ephraim: Minna von Barnhelm, oder das Soldatenglück. Berlin, 1767, S. 173. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_minna_1767/177>, abgerufen am 03.05.2024.