Lessing, Gotthold Ephraim: Minna von Barnhelm, oder das Soldatenglück. Berlin, 1767.Minna von Barnhelm, Mann gut sey, sich in diesem Stande eine Zeit lang zu versuchen, um sich mit allem, was Gefahr heißt, vertraulich zu machen, und Kälte und Ent- schlossenheit zu lernen. Nur die äußerste Noth hätte mich zwingen können, aus diesem Versuche eine Bestimmung, aus dieser gelegentlichen Be- schäftigung ein Handwerk zu machen. Aber nun- da mich nichts mehr zwingt, nun ist mein ganzer Ehrgeitz wiederum einzig und allein, ein ruhiger und zufriedener Mensch zu seyn. Der werde ich mit Jhnen, liebste Minna, unfehlbar werden; der werde ich in Jhrer Gesellschaft unveränderlich bleiben. -- Morgen verbinde uns das heiligste Band; und sodann wollen wir um uns sehen, und wollen in der ganzen weiten bewohnten Welt den stillsten, heitersten, lachendsten Winkel suchen, dem zum Paradiese nichts fehlt, als ein glück- liches Paar. Da wollen wir wohnen; da soll jeder unsrer Tage -- Was ist Jhnen, mein Fräulein? (die sich unruhig hin und herwendet, und ihre Rührung zu verbergen sucht) Das Fräulein. (sich faßend) Sie sind sehr grau- sam, Tellheim, mir ein Glück so reitzend dar- zu-
Minna von Barnhelm, Mann gut ſey, ſich in dieſem Stande eine Zeit lang zu verſuchen, um ſich mit allem, was Gefahr heißt, vertraulich zu machen, und Kaͤlte und Ent- ſchloſſenheit zu lernen. Nur die aͤußerſte Noth haͤtte mich zwingen koͤnnen, aus dieſem Verſuche eine Beſtimmung, aus dieſer gelegentlichen Be- ſchaͤftigung ein Handwerk zu machen. Aber nun- da mich nichts mehr zwingt, nun iſt mein ganzer Ehrgeitz wiederum einzig und allein, ein ruhiger und zufriedener Menſch zu ſeyn. Der werde ich mit Jhnen, liebſte Minna, unfehlbar werden; der werde ich in Jhrer Geſellſchaft unveraͤnderlich bleiben. — Morgen verbinde uns das heiligſte Band; und ſodann wollen wir um uns ſehen, und wollen in der ganzen weiten bewohnten Welt den ſtillſten, heiterſten, lachendſten Winkel ſuchen, dem zum Paradieſe nichts fehlt, als ein gluͤck- liches Paar. Da wollen wir wohnen; da ſoll jeder unſrer Tage — Was iſt Jhnen, mein Fraͤulein? (die ſich unruhig hin und herwendet, und ihre Ruͤhrung zu verbergen ſucht) Das Fraͤulein. (ſich faßend) Sie ſind ſehr grau- ſam, Tellheim, mir ein Gluͤck ſo reitzend dar- zu-
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Minna von Barnhelm,
Mann gut ſey, ſich in dieſem Stande eine Zeit lang
zu verſuchen, um ſich mit allem, was Gefahr
heißt, vertraulich zu machen, und Kaͤlte und Ent-
ſchloſſenheit zu lernen. Nur die aͤußerſte Noth
haͤtte mich zwingen koͤnnen, aus dieſem Verſuche
eine Beſtimmung, aus dieſer gelegentlichen Be-
ſchaͤftigung ein Handwerk zu machen. Aber nun-
da mich nichts mehr zwingt, nun iſt mein ganzer
Ehrgeitz wiederum einzig und allein, ein ruhiger
und zufriedener Menſch zu ſeyn. Der werde ich
mit Jhnen, liebſte Minna, unfehlbar werden;
der werde ich in Jhrer Geſellſchaft unveraͤnderlich
bleiben. — Morgen verbinde uns das heiligſte
Band; und ſodann wollen wir um uns ſehen,
und wollen in der ganzen weiten bewohnten Welt
den ſtillſten, heiterſten, lachendſten Winkel ſuchen,
dem zum Paradieſe nichts fehlt, als ein gluͤck-
liches Paar. Da wollen wir wohnen; da ſoll
jeder unſrer Tage — Was iſt Jhnen, mein
Fraͤulein? (die ſich unruhig hin und herwendet, und ihre
Ruͤhrung zu verbergen ſucht)
Das Fraͤulein. (ſich faßend) Sie ſind ſehr grau-
ſam, Tellheim, mir ein Gluͤck ſo reitzend dar-
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