Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lessing, Gotthold Ephraim: Minna von Barnhelm, oder das Soldatenglück. Berlin, 1767.

Bild:
<< vorherige Seite
oder das Soldatenglück.


Ehre gekränkten Officier, einen Kriepel, einen
Bettler trefflich beneiden.
Das Fräulein. Und das alles wären Sie?
Jch hörte so was, wenn ich mich nicht irre, schon
heute Vormittage. Da ist Böses und Gutes unter
einander. Lassen Sie uns doch jedes näher be-
leuchten. -- Verabschiedet sind Sie? So höre
ich. Jch glaubte, Jhr Regiment sey blos unter-
gesteckt worden. Wie ist es gekommen, daß man
einen Mann von Jhren Verdiensten nicht bey-
behalten?
v. Tellheim. Es ist gekommen, wie es kom-
men müssen. Die Großen haben sich überzeugt,
daß ein Soldat aus Neigung für sie ganz wenig;
aus Pflicht nicht vielmehr: aber alles seiner eignen
Ehre wegen thut. Was können sie ihm also schul-
dig zu seyn glauben? Der Friede hat ihnen meh-
rere meines gleichen entbehrlich gemacht; und am
Ende ist ihnen niemand unentbehrlich.
Das Fräulein. Sie sprechen, wie ein Mann
sprechen muß, dem die Großen hinwiederum sehr
entbehrlich sind. Und niemals waren sie es mehr,
als ietzt. Jch sage den Großen meinen großen
Dank,
J 5
oder das Soldatengluͤck.


Ehre gekraͤnkten Officier, einen Kriepel, einen
Bettler trefflich beneiden.
Das Fraͤulein. Und das alles waͤren Sie?
Jch hoͤrte ſo was, wenn ich mich nicht irre, ſchon
heute Vormittage. Da iſt Boͤſes und Gutes unter
einander. Laſſen Sie uns doch jedes naͤher be-
leuchten. — Verabſchiedet ſind Sie? So hoͤre
ich. Jch glaubte, Jhr Regiment ſey blos unter-
geſteckt worden. Wie iſt es gekommen, daß man
einen Mann von Jhren Verdienſten nicht bey-
behalten?
v. Tellheim. Es iſt gekommen, wie es kom-
men muͤſſen. Die Großen haben ſich uͤberzeugt,
daß ein Soldat aus Neigung fuͤr ſie ganz wenig;
aus Pflicht nicht vielmehr: aber alles ſeiner eignen
Ehre wegen thut. Was koͤnnen ſie ihm alſo ſchul-
dig zu ſeyn glauben? Der Friede hat ihnen meh-
rere meines gleichen entbehrlich gemacht; und am
Ende iſt ihnen niemand unentbehrlich.
Das Fraͤulein. Sie ſprechen, wie ein Mann
ſprechen muß, dem die Großen hinwiederum ſehr
entbehrlich ſind. Und niemals waren ſie es mehr,
als ietzt. Jch ſage den Großen meinen großen
Dank,
J 5
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <sp who="#TEL">
            <p><pb facs="#f0141" n="137"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">oder das Soldatenglu&#x0364;ck.</hi></fw><lb/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
Ehre gekra&#x0364;nkten Officier, einen Kriepel, einen<lb/>
Bettler trefflich beneiden.</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#MIN">
            <speaker> <hi rendition="#fr">Das Fra&#x0364;ulein.</hi> </speaker>
            <p>Und das alles wa&#x0364;ren Sie?<lb/>
Jch ho&#x0364;rte &#x017F;o was, wenn ich mich nicht irre, &#x017F;chon<lb/>
heute Vormittage. Da i&#x017F;t Bo&#x0364;&#x017F;es und Gutes unter<lb/>
einander. La&#x017F;&#x017F;en Sie uns doch jedes na&#x0364;her be-<lb/>
leuchten. &#x2014; Verab&#x017F;chiedet &#x017F;ind Sie? So ho&#x0364;re<lb/>
ich. Jch glaubte, Jhr Regiment &#x017F;ey blos unter-<lb/>
ge&#x017F;teckt worden. Wie i&#x017F;t es gekommen, daß man<lb/>
einen Mann von Jhren Verdien&#x017F;ten nicht bey-<lb/>
behalten?</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#TEL">
            <speaker> <hi rendition="#fr">v. Tellheim.</hi> </speaker>
            <p>Es i&#x017F;t gekommen, wie es kom-<lb/>
men mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en. Die Großen haben &#x017F;ich u&#x0364;berzeugt,<lb/>
daß ein Soldat aus Neigung fu&#x0364;r &#x017F;ie ganz wenig;<lb/>
aus Pflicht nicht vielmehr: aber alles &#x017F;einer eignen<lb/>
Ehre wegen thut. Was ko&#x0364;nnen &#x017F;ie ihm al&#x017F;o &#x017F;chul-<lb/>
dig zu &#x017F;eyn glauben? Der Friede hat ihnen meh-<lb/>
rere meines gleichen entbehrlich gemacht; und am<lb/>
Ende i&#x017F;t ihnen niemand unentbehrlich.</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#MIN">
            <speaker> <hi rendition="#fr">Das Fra&#x0364;ulein.</hi> </speaker>
            <p>Sie &#x017F;prechen, wie ein Mann<lb/>
&#x017F;prechen muß, dem die Großen hinwiederum &#x017F;ehr<lb/>
entbehrlich &#x017F;ind. Und niemals waren &#x017F;ie es mehr,<lb/>
als ietzt. Jch &#x017F;age den Großen meinen großen<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">J 5</fw><fw place="bottom" type="catch">Dank,</fw><lb/></p>
          </sp>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[137/0141] oder das Soldatengluͤck. Ehre gekraͤnkten Officier, einen Kriepel, einen Bettler trefflich beneiden. Das Fraͤulein. Und das alles waͤren Sie? Jch hoͤrte ſo was, wenn ich mich nicht irre, ſchon heute Vormittage. Da iſt Boͤſes und Gutes unter einander. Laſſen Sie uns doch jedes naͤher be- leuchten. — Verabſchiedet ſind Sie? So hoͤre ich. Jch glaubte, Jhr Regiment ſey blos unter- geſteckt worden. Wie iſt es gekommen, daß man einen Mann von Jhren Verdienſten nicht bey- behalten? v. Tellheim. Es iſt gekommen, wie es kom- men muͤſſen. Die Großen haben ſich uͤberzeugt, daß ein Soldat aus Neigung fuͤr ſie ganz wenig; aus Pflicht nicht vielmehr: aber alles ſeiner eignen Ehre wegen thut. Was koͤnnen ſie ihm alſo ſchul- dig zu ſeyn glauben? Der Friede hat ihnen meh- rere meines gleichen entbehrlich gemacht; und am Ende iſt ihnen niemand unentbehrlich. Das Fraͤulein. Sie ſprechen, wie ein Mann ſprechen muß, dem die Großen hinwiederum ſehr entbehrlich ſind. Und niemals waren ſie es mehr, als ietzt. Jch ſage den Großen meinen großen Dank, J 5

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_minna_1767
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_minna_1767/141
Zitationshilfe: Lessing, Gotthold Ephraim: Minna von Barnhelm, oder das Soldatenglück. Berlin, 1767, S. 137. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_minna_1767/141>, abgerufen am 24.11.2024.