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Lessing, Gotthold Ephraim: Fabeln. Berlin, 1759.

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gleichsam zur Regel gemacht wird, daß die Gotthei-
ten und allegorischen Wesen gar nicht in die Aeso-
pische Fabel gehören. Und diese Regel eben möchte
Batteux gar zu gern festsetzen, ob er sich gleich nicht
getrauet mit ausdrücklichen Worten darauf zu drin-
gen. Sein System von der Fabel kann auch nicht
wohl ohne sie bestehen. "Die äsopische Fabel, sagt
"er, ist eigentlich zu reden, das Schauspiel der Kin-
"der; sie unterscheidet sich von den übrigen nur durch
"die Geringfügigkeit und Naivität ihrer spielenden
"Personen. Man sieht auf diesem Theater keinen
"Cäsar, keinen Alexander: aber wohl die Fliege
"und die Ameise etc."
-- Freylich; diese Geringfü-
gigkeit der spielenden Personen vorausgesetzt, konnte
Batteux mit den höhern poetischen Wesen des de
la Motte
unmöglich zufrieden seyn. Er verwarf
sie also, ob er schon einen guten Theil der besten
Fabeln des Alterthums zugleich mit verwerfen muß-
te; und zog sich, um den kritischen Anfällen des-
wegen weniger ausgesetzt zu seyn, unter den Schutz
der mangelhaften Eintheilung des Aphthonius.
Gleich als ob Aphthonius der Mann wäre, der

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gleichſam zur Regel gemacht wird, daß die Gotthei-
ten und allegoriſchen Weſen gar nicht in die Aeſo-
piſche Fabel gehören. Und dieſe Regel eben möchte
Batteux gar zu gern feſtſetzen, ob er ſich gleich nicht
getrauet mit ausdrücklichen Worten darauf zu drin-
gen. Sein Syſtem von der Fabel kann auch nicht
wohl ohne ſie beſtehen. „Die äſopiſche Fabel, ſagt
„er, iſt eigentlich zu reden, das Schauſpiel der Kin-
„der; ſie unterſcheidet ſich von den übrigen nur durch
„die Geringfügigkeit und Naivität ihrer ſpielenden
„Perſonen. Man ſieht auf dieſem Theater keinen
„Cäſar, keinen Alexander: aber wohl die Fliege
„und die Ameiſe ꝛc.“
— Freylich; dieſe Geringfü-
gigkeit der ſpielenden Perſonen vorausgeſetzt, konnte
Batteux mit den höhern poetiſchen Weſen des de
la Motte
unmöglich zufrieden ſeyn. Er verwarf
ſie alſo, ob er ſchon einen guten Theil der beſten
Fabeln des Alterthums zugleich mit verwerfen muß-
te; und zog ſich, um den kritiſchen Anfällen des-
wegen weniger ausgeſetzt zu ſeyn, unter den Schutz
der mangelhaften Eintheilung des Aphthonius.
Gleich als ob Aphthonius der Mann wäre, der

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[195/0215] gleichſam zur Regel gemacht wird, daß die Gotthei- ten und allegoriſchen Weſen gar nicht in die Aeſo- piſche Fabel gehören. Und dieſe Regel eben möchte Batteux gar zu gern feſtſetzen, ob er ſich gleich nicht getrauet mit ausdrücklichen Worten darauf zu drin- gen. Sein Syſtem von der Fabel kann auch nicht wohl ohne ſie beſtehen. „Die äſopiſche Fabel, ſagt „er, iſt eigentlich zu reden, das Schauſpiel der Kin- „der; ſie unterſcheidet ſich von den übrigen nur durch „die Geringfügigkeit und Naivität ihrer ſpielenden „Perſonen. Man ſieht auf dieſem Theater keinen „Cäſar, keinen Alexander: aber wohl die Fliege „und die Ameiſe ꝛc.“ — Freylich; dieſe Geringfü- gigkeit der ſpielenden Perſonen vorausgeſetzt, konnte Batteux mit den höhern poetiſchen Weſen des de la Motte unmöglich zufrieden ſeyn. Er verwarf ſie alſo, ob er ſchon einen guten Theil der beſten Fabeln des Alterthums zugleich mit verwerfen muß- te; und zog ſich, um den kritiſchen Anfällen des- wegen weniger ausgeſetzt zu ſeyn, unter den Schutz der mangelhaften Eintheilung des Aphthonius. Gleich als ob Aphthonius der Mann wäre, der alle N 2

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Zitationshilfe: Lessing, Gotthold Ephraim: Fabeln. Berlin, 1759, S. 195. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_fabeln_1759/215>, abgerufen am 22.11.2024.