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[Lessing, Gotthold Ephraim]: Hamburgische Dramaturgie. Bd. 2. Hamburg u. a., [1769].

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Aber nicht so in unsern Brüdern! Das Haus
des gütigen Vaters wird auf das ungeziemendste
gemißbraucht. Anfangs ohne sein Wissen, und
endlich gar mit seiner Genehmigung. Citalise
ist eine weit unanständigere Person, als selbst
jene Psaltria; und unser Ktesipho will sie gar
heyrathen. Wenn das der Terenzische Ktesipho
mit seiner Psaltria vorgehabt hätte, so würde
sich der Terenzische Micio sicherlich ganz anders
dabey genommen haben. Er würde Citalisen
die Thüre gewiesen, und mit dem Vater die
kräftigsten Mittel verabredet haben, einen sich so
sträflichen emancipirenden Burschen im Zaume
zu halten.

Ueberhaupt ist der deutsche Ktesipho von An-
fange viel zu verderbt geschildert, und auch
hierinn ist unser Verfasser von seinem Muster
abgegangen. Die Stelle erweckt mir immer
Grausen, wo er sich mit seinem Vetter über sei-
nen Vater unterhält. (*)

Leander. Aber wie reimt sich das mit der
Ehrfurcht, mit der Liebe, die du deinem Vater
schuldig bist?
Lycast. Ehrfurcht? Liebe? hm! die wird er
wohl nicht von mir verlangen.
Leander. Er sollte sie nicht verlangen?
Lycast.
(*) I. Aufz. 6. Auft.
Z z 3

Aber nicht ſo in unſern Brüdern! Das Haus
des gütigen Vaters wird auf das ungeziemendſte
gemißbraucht. Anfangs ohne ſein Wiſſen, und
endlich gar mit ſeiner Genehmigung. Citaliſe
iſt eine weit unanſtändigere Perſon, als ſelbſt
jene Pſaltria; und unſer Kteſipho will ſie gar
heyrathen. Wenn das der Terenziſche Kteſipho
mit ſeiner Pſaltria vorgehabt hätte, ſo würde
ſich der Terenziſche Micio ſicherlich ganz anders
dabey genommen haben. Er würde Citaliſen
die Thüre gewieſen, und mit dem Vater die
kräftigſten Mittel verabredet haben, einen ſich ſo
ſträflichen emancipirenden Burſchen im Zaume
zu halten.

Ueberhaupt iſt der deutſche Kteſipho von An-
fange viel zu verderbt geſchildert, und auch
hierinn iſt unſer Verfaſſer von ſeinem Muſter
abgegangen. Die Stelle erweckt mir immer
Grauſen, wo er ſich mit ſeinem Vetter über ſei-
nen Vater unterhält. (*)

Leander. Aber wie reimt ſich das mit der
Ehrfurcht, mit der Liebe, die du deinem Vater
ſchuldig biſt?
Lycaſt. Ehrfurcht? Liebe? hm! die wird er
wohl nicht von mir verlangen.
Leander. Er ſollte ſie nicht verlangen?
Lycaſt.
(*) I. Aufz. 6. Auft.
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[365/0371] Aber nicht ſo in unſern Brüdern! Das Haus des gütigen Vaters wird auf das ungeziemendſte gemißbraucht. Anfangs ohne ſein Wiſſen, und endlich gar mit ſeiner Genehmigung. Citaliſe iſt eine weit unanſtändigere Perſon, als ſelbſt jene Pſaltria; und unſer Kteſipho will ſie gar heyrathen. Wenn das der Terenziſche Kteſipho mit ſeiner Pſaltria vorgehabt hätte, ſo würde ſich der Terenziſche Micio ſicherlich ganz anders dabey genommen haben. Er würde Citaliſen die Thüre gewieſen, und mit dem Vater die kräftigſten Mittel verabredet haben, einen ſich ſo ſträflichen emancipirenden Burſchen im Zaume zu halten. Ueberhaupt iſt der deutſche Kteſipho von An- fange viel zu verderbt geſchildert, und auch hierinn iſt unſer Verfaſſer von ſeinem Muſter abgegangen. Die Stelle erweckt mir immer Grauſen, wo er ſich mit ſeinem Vetter über ſei- nen Vater unterhält. (*) Leander. Aber wie reimt ſich das mit der Ehrfurcht, mit der Liebe, die du deinem Vater ſchuldig biſt? Lycaſt. Ehrfurcht? Liebe? hm! die wird er wohl nicht von mir verlangen. Leander. Er ſollte ſie nicht verlangen? Lycaſt. (*) I. Aufz. 6. Auft. Z z 3

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Zitationshilfe: [Lessing, Gotthold Ephraim]: Hamburgische Dramaturgie. Bd. 2. Hamburg u. a., [1769], S. 365. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_dramaturgie02_1767/371>, abgerufen am 24.11.2024.