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[Lessing, Gotthold Ephraim]: Hamburgische Dramaturgie. Bd. 2. Hamburg u. a., [1769].

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tete: "Du bist nicht klug, mein lieber Bruder,
"wenn du glaubest, du könntest an meinem
"Kinde Schimpf und Schande erleben. Wenn
"mein Sohn ein Bube ist und bleibt, so wird,
"wie das Unglück, also auch der Schimpf nur
"meine seyn. Du magst es mit deinem Eifer
"wohl gut meinen; aber er geht zu weit; er be-
"leidiget mich. Falls du mich nur immer so
"ärgern willst, so komm mir lieber nicht über
"die Schwelle! u. s. w." Wenn Micio, sage
ich, dieses antwortete: nicht wahr, so wäre die
Komödie auf einmal aus? Oder könnte Micio
etwa nicht so antworten? Ja müßte er wohl ei-
gentlich nicht so antworten?

Wie viel schicklicher eifert Demea beym Te-
renz. Dieser Aeschinus, den er ein so lüder-
liches Leben zu führen glaubt, ist noch immer
sein Sohn, ob ihn gleich der Bruder an Kin-
des Statt angenommen. Und dennoch bestehet
der römische Micio weit mehr auf seinem Rechte
als der deutsche. Du hast mir, sagt er, deinen
Sohn einmal überlassen; bekümmere dich um
den, der dir noch übrig ist;

-- -- nam ambos curare;
propemodum
Reposcere illum est, quem dedi-
sti
-- --

Diese

tete: „Du biſt nicht klug, mein lieber Bruder,
„wenn du glaubeſt, du könnteſt an meinem
„Kinde Schimpf und Schande erleben. Wenn
„mein Sohn ein Bube iſt und bleibt, ſo wird,
„wie das Unglück, alſo auch der Schimpf nur
„meine ſeyn. Du magſt es mit deinem Eifer
„wohl gut meinen; aber er geht zu weit; er be-
„leidiget mich. Falls du mich nur immer ſo
„ärgern willſt, ſo komm mir lieber nicht über
„die Schwelle! u. ſ. w.„ Wenn Micio, ſage
ich, dieſes antwortete: nicht wahr, ſo wäre die
Komödie auf einmal aus? Oder könnte Micio
etwa nicht ſo antworten? Ja müßte er wohl ei-
gentlich nicht ſo antworten?

Wie viel ſchicklicher eifert Demea beym Te-
renz. Dieſer Aeſchinus, den er ein ſo lüder-
liches Leben zu führen glaubt, iſt noch immer
ſein Sohn, ob ihn gleich der Bruder an Kin-
des Statt angenommen. Und dennoch beſtehet
der römiſche Micio weit mehr auf ſeinem Rechte
als der deutſche. Du haſt mir, ſagt er, deinen
Sohn einmal überlaſſen; bekümmere dich um
den, der dir noch übrig iſt;

— — nam ambos curare;
propemodum
Repoſcere illum eſt, quem dedi-
ſti
— —

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[359/0365] tete: „Du biſt nicht klug, mein lieber Bruder, „wenn du glaubeſt, du könnteſt an meinem „Kinde Schimpf und Schande erleben. Wenn „mein Sohn ein Bube iſt und bleibt, ſo wird, „wie das Unglück, alſo auch der Schimpf nur „meine ſeyn. Du magſt es mit deinem Eifer „wohl gut meinen; aber er geht zu weit; er be- „leidiget mich. Falls du mich nur immer ſo „ärgern willſt, ſo komm mir lieber nicht über „die Schwelle! u. ſ. w.„ Wenn Micio, ſage ich, dieſes antwortete: nicht wahr, ſo wäre die Komödie auf einmal aus? Oder könnte Micio etwa nicht ſo antworten? Ja müßte er wohl ei- gentlich nicht ſo antworten? Wie viel ſchicklicher eifert Demea beym Te- renz. Dieſer Aeſchinus, den er ein ſo lüder- liches Leben zu führen glaubt, iſt noch immer ſein Sohn, ob ihn gleich der Bruder an Kin- des Statt angenommen. Und dennoch beſtehet der römiſche Micio weit mehr auf ſeinem Rechte als der deutſche. Du haſt mir, ſagt er, deinen Sohn einmal überlaſſen; bekümmere dich um den, der dir noch übrig iſt; — — nam ambos curare; propemodum Repoſcere illum eſt, quem dedi- ſti — — Dieſe

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Zitationshilfe: [Lessing, Gotthold Ephraim]: Hamburgische Dramaturgie. Bd. 2. Hamburg u. a., [1769], S. 359. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_dramaturgie02_1767/365>, abgerufen am 22.11.2024.